London. Mit Cressida Dick bekommt Scotland Yard erstmals eine Chefin. Gleich am ersten Arbeitstag hatte sie eine traurige Pflicht zu erfüllen.

Die berühmteste Polizeitruppe der Welt bekommt erstmals in ihrer 188 Jahre langen Geschichte einen weiblichen Boss. Cressida Dick trat am Montag ihren Dienst als „Chief Commissioner“ von Scotland Yard an. Gleich am ersten Arbeitstag hatte sie eine traurige Pflicht zu erfüllen. Sie nahm, zusammen mit 5000 Kollegen und Kolleginnen, an der Beerdigung des Polizisten Keith Palmer teil, der beim kürzlichen Londoner Terroranschlag erstochen wurde.

Ihre Ernennung zur höchstrangigen Polizeioffizierin im Königreich wurde vom Londoner Bürgermeister Sadiq Khan als „historisch“ begrüßt. In der „Times“ hieß es, Scotland Yard – oder der „Metropolitan Police Service“, wie der offizielle Name heißt – bekomme eine Chefin, „deren Identität bestätigt, wie sehr sich das Land geändert hat“.

Cressida Dick ist umstritten

Cressida Dick nahm an ihrem ersten Arbeitstag an der Trauerfeier für den bei den Anschlägen von London mit einem Messer erstochenen Polizisten Keith Palmer teil.
Cressida Dick nahm an ihrem ersten Arbeitstag an der Trauerfeier für den bei den Anschlägen von London mit einem Messer erstochenen Polizisten Keith Palmer teil. © REUTERS | HANNAH MCKAY

Tatsächlich ist die Gefahrenabwehr in Großbritannien jetzt fest in weiblicher Hand: Mit Theresa May als Premierministerin, Amber Rudd als Innenministerin und Cressida Dick als Chefin des Dienstes, der kurz „Met“ genannt wird, kümmern sich drei Frauen um die Sicherheit im Königreich.

Die Ernennung der 56-Jährigen stieß allerdings nicht auf völlig ungeteilte Zustimmung. Cressida Dick war 2005 die verantwortliche Einsatzleiterin, als Met-Polizisten den unschuldigen Jean Charles de Menezes mit sechs Kopfschüssen praktisch exekutierten. Die bisher schlimmste Panne in der Geschichte der Londoner Polizei passierte in einer Atmosphäre fiebriger Terror-Angst: 15 Tage zuvor hatten vier Selbstmordbomber die Londoner U-Bahn angegriffen und 52 Menschen getötet.

Vermeintlicher Terrorist erschossen

Vier weitere Nachahmungstäter scheiterten zwei Wochen danach, und in einem Rucksack fand man die Adresse eines der Täter. Menezes hatte das Pech, in dieser Mietskaserne zu leben. Der harmlose Elektriker wurde als ein verdächtiger Terrorist beschattet und als er sich dem U-Bahnhof Stockwell näherte, griffen die neuen, scharfen Richtlinien, die für Selbstmordattentäter gelten: „shoot to kill“, also der gezielte Todesschuss, wurde angeordnet, um ihn zu stoppen.

Cressida Dick übernahm die Verantwortung für die Panne. Eine gerichtliche Untersuchung sprach die Einsatzleiterin von persönlicher Schuld frei, was die Familie von Menezes allerdings nie akzeptierten konnte und zu energischen Protesten gegen die Ernennung von Dick zur Met-Chefin führte.

Dick war Jahrgangsbeste

Cressida Dick trat nach einem Studium in Oxford als 23-Jährige in den Polizeidienst ein und machte schnell Karriere. Ein weiteres Studium der Kriminologie in Cambridge, wo sie als 40-Jährige und beste ihres Jahrgangs abschloss, qualifizierte sie für die höchsten Polizeiränge.

Sie übernahm 2011 bei Scotland Yard den Job der Terrorabwehr, bevor sie 2015 aufgrund persönlicher Differenzen mit dem damaligen Met-Chef Sir Bernard Hogan-Howe in einen Posten beim Außenministerium wechselte. Als Hogan-Howe seinen Rückzug ankündigte, war der Weg für die von Premierministerin Theresa May geschätzte Polizistin frei.

Die neue Chefin verzichtet auf Gehalt

Ihr neuer Job ist eine große Herausforderung. Cressida Dick wird der mit 45.000 Mitarbeitern größten Polizeibehörde im Land vorstehen und ein Budget von drei Milliarden Pfund verwalten.

Schon vor Dienstantritt reagierte sie auf die geplanten Haushaltskürzungen von 400.000 Pfund mit einem geschickten Schachzug: Sie gab bekannt, dass sie auf 40.000 Pfund ihre Gehalts verzichten würde, das allerdings auch nach der Kürzung bei umgerechnet satten 270 000 Euro pro Jahr liegt.

Trump als erste große Aufgabe

Was den Job für Dick schwierig macht: Im Posten des Met-Chefs ist sie immer auch ein politischer Spielball. Sie muss sich gegenüber dem Bürgermeister ebenso wie gegenüber dem Innenministerium verantworten. Ihr erster großer Job wird die Organisation der Überwachung sein, wenn im Herbst der US-Präsident Donald Trump zum Staatsbesuch nach London kommt.