Kairo. Dutzende Menschen sind bei Terror-Anschlägen gegen Kirchen in Ägypten getötet worden. Der Präsident kündigte den Ausnahmezustand an.
Horror und Entsetzen in Ägypten: Mit einem verheerenden Doppelanschlag in Tanta und Alexandria haben offenbar zwei Selbstmordattentäter am Sonntag mindestens 45 Menschen mit in den Tod gerissen und etwa 120 verletzt. Die Terrortat in der voll besetzten St. Georg Kirche in Tanta, einer Stadt im Nildelta, ereignete sich während des Gottesdienstes am Palmsonntag, mit dem im christlichen Kalender die Karwoche vor Ostern beginnt.
Ein Video unmittelbar vor der Explosion zeigt einen Männerchor beim Gesang, als plötzlich ein lauter Knall zu hören ist und die Bilder abbrechen. Auf Fotos nach dem Anschlag sind eilends mit Papier abgedeckte Leichen zu sehen, blutbespritzte Kalkwände und zerfetzte Kirchenbänke. Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler wurde die Bombe in den vorderen Reihen und damit möglichst nahe am Altar gezündet.
Zweiter Anschlag galt offenbar dem koptischen Papst Tawadros II.
Kurze Zeit später explodierte eine weitere Bombe nahe der St. Markus Kathedrale in Alexandria, allerdings außerhalb des Gotteshauses. Dieser Anschlag, der mindestens 16 Menschen tötete , darunter mehrere Polizisten, galt offenbar dem koptischen Papst Tawadros II., der die Bischofskirche jedoch kurz zuvor nach Ende der liturgischen Feier verlassen hatte. 41 weitere Menschen wurden verletzt. Das Oberhaupt der Kopten blieb unverletzt, wie die Kurie in Kairo am Nachmittag bestätigte.
Blutiger Palmsonntag in Ägypten
Der Palmengottesdienst erinnert an den Einzug Jesu nach Jerusalem, bei dem ihm die Bewohner zunächst huldigten, um ihn dann wenige Tage später als Gotteslästerer ans Kreuz zu schlagen. Beide Mordtaten, die weltweit Abscheu und Empörung auslösten, sind der bisher schwerste Terrorangriff auf die koptische Minderheit, die etwa zehn Prozent der etwa 94 Millionen Ägypter ausmacht.
IS droht mit weiterer Gewalt
Am Nachmittag reklamierte die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) über ihre Amaq-Website die Anschläge für sich und hat mit neuer Gewalt gegen Christen gedroht. Die „Kreuzzügler“ und „Ungläubigen“ würden mit dem Blut ihrer Söhne bezahlen, hieß es in einer Mitteilung, die am Sonntag über IS-nahe Kanäle veröffentlicht wurde. Die Echtheit konnte zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Zuletzt immer wieder IS-Angriffe gegen koptische Christen in Ägypten
Erst im vergangenen Dezember hatte sich ein Selbstmordattentäter an einem Sonntagmorgen in der St. Peter und Paul Kirche im Zentrum von Kairo in die Luft gesprengt und 29 Gläubige, vor allem Frauen und Kinder, getötet.
Auch damals bezichtigte sich der IS als Urheber. Im Februar verübten dessen Gotteskrieger dann auf dem Nordsinai eine spektakuläre Mordserie an Christen. Als Folge flohen praktisch alle dort lebenden 2500 Kopten in Panik in das Niltal, wo sie seitdem in provisorischen Unterkünften hausen.
Arabische Staaten verurteilen die Anschläge
Staaten der arabischen Welt wie Jordanien, Qatar und Bahrain verurteilten die Selbstmordanschläge. Libanons Premierminister Saad Hariri, dessen Land mit den Maroniten ebenfalls eine bedeutende Minderheit von Christen hat, nannte die Tat einen „Angriff auf die Werte aller Religionen“. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sissi rief für die nächsten drei Monate den Ausnahmezustand aus. In einer Fernsehansprache am Abend erklärte Al-Sisi: „Die Auseinandersetzung mit den Terroristen wird lang und schmerzhaft sei.“ Er warf anderen Ländern vor, den Terrorismus in Ägypten zu unterstützen – nannte aber kein bestimmtes Land.
Die sunnitische Lehranstalt Al-Azhar sprach von einem „widerlichen Verbrechen gegen alle Ägypter, was sämtliche Prinzipien von Menschlichkeit und Zivilisation verhöhnt“. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte, das Kalkül der Täter, einen Keil in das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen zu treiben, dürfe nicht aufgehen.
Papst Franziskus will christlich-islamischen Dialog intensivieren
Papst Franziskus, der am 28. und 29. April zu einem Besuch in Kairo erwartet wird, übermittelte dem koptischen Oberhaupt Tawadros II. und der gesamten ägyptischen Nation sein Beileid. Möge Gott die Herzen derjenigen bekehren, „die Terror, Gewalt und Tod verbreiten“ und „die Waffen produzieren und damit Geschäfte machen“, sagte er beim Mittagsgebet nach dem Palmgottesdienst im Petersdom. Weil in diesem Jahr das katholische und orthodoxe Ostern auf den gleichen Termin fallen, feierten am Sonntag auch die westlichen Kirchen die Palmliturgie.
Papst Franziskus ist neben dem katholisch-orthodoxen auch der christlich-islamische Dialog ein besonderes Anliegen. Mit seiner geplanten Kairo-Reise erwidert der Pontifex die Visite des obersten sunnitischen Glaubenshüters, Großimam Ahmed al-Tayyeb, im Mai 2016 im Vatikan.
Zeichen gegen Fanatismus und Gewalt
Beide Kirchenführer wollen mit ihrem Treffen ein Zeichen setzen gegen Fanatismus und Gewalt in Namen von Religion. Dabei warnt Franziskus jedoch immer wieder vor pauschalen Urteilen über den Islam. Die Gewalt werde von einzelnen Extremistengruppen verübt und dürfe keinesfalls der gesamten Religion zugerechnet werden, sagte er.