Washington. Trump verschärft im Streit um Nordkoreas Atomprogramm den Ton. Nun trifft er sich mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping.

Es trifft sich gut, dass Xi Jinping auch Tai Chi beherrscht. In dem sanften Kampfsport sind Atemtechniken eminent wichtig. Sie können dem chinesischen Präsidenten vor der Ankunft in Mar-a-Lago vielleicht helfen, die schweren Brocken zu verdauen, die Donald Trump dem ersten Großmächtedialog am Donnerstag und Freitag in den Weg geschoben hat.

Beinahe ultimativ forderte der US-Präsident in einem Interview zu Wochenbeginn Pekings Mithilfe an. Dem aus amerikanischer Sicht immer bedrohlicher werdenden atomaren Raketengehabe des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un soll durch ein Machtwort Chinas ein Ende bereitet werden.

Trumps Eröffnungsschachzug vor der Visite in seinem pompösen Privatdomizil in Florida geht so: Xi, sag ja, hilf mir, dann wird es „sehr gut für China“; was auch immer dann als Belohnung winken würde. Wenn nicht, so Trump düster, wird es „für niemanden gut“. Amerika nimmt sich des Problems dann „allein“ an. Indem es den diplomatischen Trickkasten öffnet und den Diktator aus Nordkorea, der alle Forderungen ignoriert, sein Atomprogramm einzustellen, auf Augenhöhe zu Verhandlungen einlädt? Oder militärisch?

China war Feindbild in Trumps Wahlkampf

Trump, ein Freund von unberechenbaren Sätzen, ließ es offen. „Mehr sage ich dazu nicht.“ Aber die Drohung steht nun im Raum. Flankiert von einer als Jetzt-reicht’s-Note zu verstehenden Äußerung, die Rex Tillerson nach dem allerjüngsten Raketentest des bitterarmen Paria-Staates am Mittwoch vom Stapel ließ. Man habe genug gesagt über Nordkorea, erklärte der noch immer nach seiner Rolle suchende Außenminister in einer ultraknappen Mitteilung. Kein weiterer Kommentar. Warum auch? Trump hatte schließlich schon alles gesagt. Für Xi Jinping ist damit klar: Ein vergleichsweise entspanntes Tête-à-Tête wie der Aufenthalt mit Barack Obama auf einer kalifornischen Wüsten-Ranch 2013 wird das Kennenlernen mit dessen Nachfolger kaum.

Chinas Staatspräsident Xi Jinping.
Chinas Staatspräsident Xi Jinping. © dpa | Fred Dufour

Zu penetrant hatte Trump im Wahlkampf China als Punchingball benutzt. Sie „vergewaltigen uns“, klagte der Geschäftsmann und bastelte regelmäßig am Feindbild Fernost. Gemeint waren angebliche Währungsmanipulationen und Handelshemmnisse, die Amerikas Industriearbeiterschaft in den Würgegriff nehmen. Mit dem „größten Diebstahl in der Weltgeschichte“ sei nun Schluss, sagte Trump nach der Wahl. Peking hat den Attacken zwar irritiert aber meist gelassen widerstanden.

Trump will Xi in Florida zum Handeln bewegen

Als mit Abstand größter Gläubiger der USA hat das Riesenreich ohnehin Druckmittel in der Hand, um Trump zu ärgern. Und sollte Amerika weiter die Gebietsansprüche Pekings im Südchinesischen Meer in Zweifel ziehen und Flugzeugträger als Aufpasser auf den Seewegen schicken, dann kann nach Ansicht von Experten in Washingtoner Denkfabriken wirklich eintreten, was Trumps bellizistisch veranlagter Chefberater Stephen Bannon im Laufe der nächsten fünf bis zehn Jahre ohnehin kommen sieht: ein Krieg zwischen den USA und China.

Davon wird in Florida natürlich keine Rede sein. Trump braucht bei seinem ersten Rendezvous von geopolitischer Kragenweite unbedingt einen Erfolg. China in der Causa Nordkorea zum Handeln zu bewegen, wäre einer.

Peking hält seit Jahren die schützende Hand über den abgeschotteten Nachbarn und sichert die wirtschaftliche Grundversorgung. Nach UN-Angaben sind es vor allem chinesische Firmen, die das Waffenprogramm des kommunistischen Regimes durch verbotene Dienstleistungen ermöglichen. Mit Erfolg.

Allein im vergangenen Jahr hat Kim Jong-un über zwanzig Mal Raketen mit unterschiedlicher Reichweite testen lassen. Meist verbunden mit wüsten Verwünschungen Amerikas, von dem der Sohn des früheren Staatschefs Kim Jong-il sehnlichst ernst genommen werden will. Auch einen Tag vor dem Treffen zwischen Trump und Xi machte Kim wieder auf sich aufmerksam. Nordkorea feuerte nahe Sinpo an der Ostküste eine ballistische Testrakete in Richtung offenes Meer. Das teilte der Generalstab der südkoreanischen Armee mit. Nach einem Flug von etwa 60 Kilometern sei sie ins Japanische Meer gestürzt. Auch das US-Militär bestätigte den Start. Nach Angaben des US-Pazifikkommandos handelte es sich vermutlich um eine Mittelstreckenrakete des Typs KN-15.

Experten glauben an Fortschritte in Nordkoreas Atomprogramm

Die Appelle der Staatengemeinschaft und die Wirtschaftssanktionen, die vom UN-Sicherheitsrat gedeckt sind, haben sich bisher als stumpf erwiesen. „Nordkorea betrachtet sein Atomwaffenprogramm als Lebensversicherung“, sagte ein mit dem Dossier beschäftigter Beamte des Außenministeriums unserer Redaktion, „und die wird regelmäßig aufgestockt.“

Nordkoreas Staatsoberhaupt Kim Jong-un.
Nordkoreas Staatsoberhaupt Kim Jong-un. © REUTERS | KCNA

Internationale Experten sind der Überzeugung, dass die Technologie Nordkoreas immer leistungsfähiger wird. Tenor: größere Reichweite, kleinere und präzisere Nuklearsprengköpfe. Bedeutet: wachsender Handlungsdruck.

Schon bis 2020, so soll es Obama nach US-Medien seinem Nachfolger wenige Tage nach dessen Wahlsieg im November in einem Vier-Augen-Gespräch gesagt haben, könnte Kim Jong-un in der Lage sein, atomare Langstreckenraketen über 9000 Kilometer Richtung USA zu schicken. Trumps Versprechen folgte prompt danach in der Öffentlichkeit: „Das wird nie passieren.“ Nur wie?

Das Risiko eines Präventivschlags gegen Nordkorea

Dem Vernehmen nach soll Obama versucht haben, dem welt- wie sicherheitspolitisch unerfahrenen Geschäftsmann den Zahn einer militärischen Lösung im Format eines Präventivschlags zu ziehen. Zu ungenau sei das Wissen der US-Geheimdienste über die Verhältnisse in Nordkorea. Zu weit verstreut und oft unterirdisch gut gesichert seien die atomaren Sprengköpfe, als dass man sie allesamt unschädlich machen könne. Im Gegenzug könne aber eine erwartbare militärische Antwort Pjöngjangs auch mit konventionellen Waffen dem nahen Südkorea, wo 30.000 US-Soldaten Schutzmachtfunktion ausüben, enorm schaden und eine Kettenreaktion in der Region auslösen, an dessen Ende auch China auf den Plan treten würde.

Um nicht in die Abwärtsspirale einer Eskalation zu geraten, bedrängte Obama seinen Nachfolger, stärker als bisher Peking in die Pflicht zu nehmen, um Kim Jong-un rechtzeitig zur Räson zu bringen. Kernbegründung: Allein China besitze großen Einfluss auf Nordkorea. Aber stimmt das so noch?

Ministerpräsident: China will Handelskrieg mit USA vermeiden

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    Es herrscht Kälte zwischen China und Nordkorea

    Im Washingtoner Cato-Institut hat man beobachtet, dass die direkten Kommunikationsdrähte zwischen Peking und Pjöngjang erkaltet sind. „China und Nordkorea reden mehr übereinander, und zwar ungehalten und schlecht.“ Darum sei nachvollziehbar, warum China zögert, sich in die Hauptvermittlerrolle drängen zu lassen.

    Wie bei dieser Gemengelage sinnstiftende Gemeinsamkeit zwischen Trump und Xi unter der Sonne Floridas entstehen soll, ist US-Beobachtern ein Rätsel. Peking, heißt es in diplomatischen Kreisen in Washington, fürchtet vor allem Gesten von Trump, die Chinas starkem Mann in aller Öffentlichkeit einen Gesichtsverlust beibringen könnten. Der klammernde Handschlag zwischen Trump und Japans Premierminister Shinzo Abe neulich dient als warnendes Beispiel.

    Anders als Abe wird Xi nicht in Trumps Privatclub Mar-a-Lago nächtigen. Sondern nebenan im Eau Palm Beach Resort. Da wie dort entfällt für Trump die Option, mit dem hohen Gast auf dem grünen Rasen zu einer Verständigung zu kommen. Fußball-Fan Xi spielt kein Golf. Trump kennt Tai Chi nur als Reisnudelgericht.