Karlsruhe/Berlin. Der türkische Geheimdienst soll Türken in Deutschland ausspioniert haben. Nun ermittelt die Bundesanwalt. Politiker zeigen sich empört.

Wegen des Verdachts der Spionage in Deutschland ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen den türkischen Geheimdienst MIT. Hintergrund sind Hinweise, wonach türkische Agenten in großem Umfang angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland ausspioniert haben sollen.

Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sagte am Dienstag, die Untersuchungen ihrer Behörde richteten sich gegen unbekannte MIT-Angehörige. Es gehe dabei um den Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit.

Türkischer Geheimdienst hoffte auf deutsche Unterstützung

Ankara macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Putsch im Juli 2016 verantwortlich. Offenbar in der Hoffnung auf Unterstützung hatte der MIT im Februar eine Liste mit mehr als 300 Namen angeblicher Gülen-Anhänger an Bundesnachrichtendienst-Präsident Bruno Kahl überreicht. Doch stattdessen warnten deutsche Sicherheitsbehörden die Betroffenen.

Die Bundesregierung reagierte empört auf die mutmaßliche Ausforschung. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) stellte klar: „Spionageaktivitäten auf deutschem Boden sind strafbar und werden von uns nicht geduldet. Das gilt für jeden ausländischen Staat und auch für jeden Nachrichtendienst.“

Gabriel: „Schwerwiegender Vorgang“

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte eine gründliche Untersuchung: „Sollte es so gewesen sein, das vermag ich aber jetzt weder zu bestätigen noch zu dementieren, wäre es in der Tat ein schwerwiegender Vorgang.“

Generalbundesanwalt Peter Frank leitet die Bundesanwaltschaft (Archiv).
Generalbundesanwalt Peter Frank leitet die Bundesanwaltschaft (Archiv). © dpa | Matthias Balk

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurde die Namensliste an die Sicherheitsbehörden in den Bundesländern weitergegeben. Dort gehen in der Regel Polizeibehörden auf die in der Liste erwähnten Personen und Institutionen zu, um sie über den Spionageverdacht zu informieren. Der niedersächsische Verfassungsschutz habe die Betroffenen gewarnt, da ihnen bei einer Einreise in die Türkei möglicherweise Repressalien bis hin zur Verhaftung drohen könnten.

Oppermann: Türkischer Geheimdienst habe in Deutschland nichts zu suchen

In dem Papier sollen neben Einzelpersonen auch mehr als 200 angeblich der Gülen-Bewegung zuzuordnende Vereine, Schulen und andere Institutionen benannt werden. Die „Gülen-Bewegung“ wird in der Bundesrepublik nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann kritisierte: „Das hat eine neue Qualität.“ Die Bundesregierung dürfe nicht zulassen, dass unbescholtene Bürger bespitzelt würden. „Der türkische Geheimdienst hat insoweit in Deutschland nichts zu suchen.“

Gülen-Bewegung in Deutschland fordert Aufklärung

Das Logo des türkischen Moscheeverbands Ditib auf einer Fahne. Seit Februar ermittelt der Generalbundesanwalt gegen den Dachverband der türkischen Moschee-Gemeinden wegen Spionage-Verdachts.
Das Logo des türkischen Moscheeverbands Ditib auf einer Fahne. Seit Februar ermittelt der Generalbundesanwalt gegen den Dachverband der türkischen Moschee-Gemeinden wegen Spionage-Verdachts. © dpa | Marijan Murat

Als Ansprechpartner der Gülen-Bewegung in Deutschland versteht sich die Stiftung Dialog und Bildung. Ihr Vorsitzender, Ercan Karakoyun, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Es gab von den Behörden Warnungen an einige Leute, als die Ditib-Spionagelisten aufgetaucht waren. Aber nach der Münchner Sicherheitskonferenz (...) kam es zu keiner neuen Ansprache.“

Er wolle wissen, ob es sich bei den Daten und Fotos auf dieser Liste ausschließlich um öffentlich zugängliches Material handele, „oder ob tatsächlich Leute vom MIT mit Kameras verfolgt worden sind“.

Offenbar heimlich Fotos aufgenommen

Das Recherchenetzwerk von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR hatte berichtet, die an Kahl überreichte MIT-Liste enthalte Meldeadressen, Handy- und Festnetznummern sowie viele Fotos von Betroffenen.

Eine Auswertung habe ergeben, dass etliche Fotos offenbar heimlich – etwa durch Überwachungskameras – aufgenommen worden seien.

Verfassungsschutz bezweifelt Putschbeteiligung der Gülen-Bewegung

BND-Chef Kahl hat Zweifel geäußert, dass die Gülen-Bewegung hinter dem Putschversuch in der Türkei im vergangenen Jahr steckt. Der Verfassungsschutz sieht das genauso: Bislang sei die Regierung in Ankara jeglichen Beweis für ihre Vorwürfe gegen die Anhänger der Gülen-Bewegung schuldig geblieben, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, der Deutschen Presse-Agentur.

Bereits seit einiger Zeit ermittelt der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts der Spionage beim Dachverband der türkischen Moschee-Gemeinden, Ditib. (dpa)