Gütersloh. In der Flüchtlingshilfe engagieren sich viele Gläubige – vor allem Muslime. Sie könnten so zu Brückenbauern werden, sagen Experten.

Muslime in Deutschland sind einer aktuellen Umfrage zufolge häufiger in der Flüchtlingshilfe aktiv als Angehörige anderer Religionen oder Konfessionslose. Fast jeder zweite der in Deutschland lebenden Muslime (44 Prozent) habe sich im vergangenen Jahr für Asylsuchende eingesetzt, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Montag in Gütersloh bei der Vorstellung einer Studie zur Rolle der Religionen bei der Flüchtlingshilfe. Von Christen sei lediglich jeder fünfte (21 Prozent), von Konfessionslosen knapp jeder sechste (17 Prozent) in der Flüchtlingshilfe aktiv.

Ehrenamtliche engagieren sich für Flüchtlinge

weitere Videos

    Die absolute Zahl der engagierten Christen dürfte allerdings höher sein als die der Muslime, da in Deutschland etwa zehnmal so viele Christen wie Muslime leben. Die Studie geht von bis zu 4,7 Millionen Muslimen im Jahr 2015 aus. Nach Angaben von evangelischer und katholischer Kirche betrug die Zahl ihrer Kirchenmitglieder im Jahr 2015 rund 46 Millionen.

    Vorurteile widerlegt

    Vorurteile, dass Muslime sich nur wenig in der Flüchtlingshilfe beteiligen und kaum gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, träfen nicht zu, bilanzierte die Stiftung. Auch die Annahme, dass Muslime die Flüchtlingshilfe für eine religiöse Einflussnahme missbrauchten, sei nach der Umfrage haltlos. Allenfalls bei zwei Prozent der Helfer könne von einer Absicht gesprochen werden, Flüchtlinge zu radikalisieren. Die große Mehrheit der Muslime werbe für eine offene Haltung gegenüber anderen Religionen.

    Einen Grund für das stark ausgeprägte Engagement muslimischer Menschen für Flüchtlinge sehen die Experten der Bertelsmann-Stiftung in der geteilten Herkunft: So haben besonders viele der ehrenamtlichen muslimischen Flüchtlingshelfer Wurzeln in den Herkunftsregionen der Geflüchteten, etwa in Ländern wie Afghanistan, Pakistan oder Bangladesh. Viele stammen auch aus dem Nahen Osten.

    Muslimische Ehrenamtliche „wichtige Brückenbauer“

    Sie brächten sprachliche, seelsorgerische wie kulturelle Kompetenzen mit, die in der Arbeit mit Flüchtlingen besonders erwünscht und nun häufig erstmals wertgeschätzt würden, so die Studienautoren. Muslimische Ehrenamtliche seien dadurch „wichtige Brückenbauer in unsere Gesellschaft“.

    Höher als angenommen sei außerdem das Engagement in der ostdeutschen Bevölkerung, hieß es. So haben sich im vergangenen Jahr 14 Prozent der Ostdeutschen und 22 Prozent der Westdeutschen ehrenamtlich für geflüchtete Menschen engagiert.

    Ein Fünftel der Deutschen helfen

    Insgesamt war laut Studie rund ein Fünftel der deutschen Bevölkerung für Flüchtlinge aktiv. Die Hilfsbereitschaft nimmt der Studie zufolge zu, je näher die Menschen zu einer Flüchtlingsunterkunft leben.

    Datengrundlage ist der Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung, für dessen dritte Auflage sich mehr als 10 000 Menschen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Großbritannien sowie der Türkei haben befragen lassen. Allein in Deutschland umfasst eine repräsentative Stichprobe 1500 Befragte. Um zusätzlich Haltungen der Muslime differenzieren zu können, wurden in einer Ergänzungsstichtprobe rund 1000 Muslime in Deutschland befragt. (dpa/epd)