Ankara. Ankara lasse sich durch den EU-Beitrittsprozess nicht unter Druck setzen, warnt der türkische Präsident. Die EU nennt er „grausam“.

  • Ankara lasse sich durch den EU-Beitrittsprozess nicht unter Druck setzen, warnt der türkische Präsident
  • Die EU nennt er „grausam“

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat eine Neuausrichtung der Beziehungen zur Europäischen Union (EU) angekündigt. Die EU sei „faschistisch“ und „grausam“, und die Lage in Europa erinnere ihn an die Situation vor dem 2. Weltkrieg, sagte Erdogan.

Die Zeit sei vorbei, das sein Land durch den EU-Beitrittsprozess und das Flüchtlingsabkommen unter Druck gesetzt werden könne, ließ Erdogan verlauten. Aus dem Referendum zur Verfassungsreform am 16. April werde hinsichtlich der Beziehungen zur EU eine völlig neue Türkei hervorgehen. Dann werde er mit der EU über die künftigen Beziehungen diskutieren, und er werde tun, was nötig sei.

Europa soll sich um eigene Angelegenheiten kümmern

Zur Kritik am Ausnahmezustand in der Türkei sagte Erdogan, Europa solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Er werde es nicht mehr zulassen, dass Europäer unter irgendeinem Vorwand in der Türkei spionieren.

Die türkische Führung liegt mit mehreren EU-Staaten im Streit, weil türkische Politiker dort auf Wahlkampfauftritten für das Referendum werben wollen. In einigen Ländern wurde es ihnen untersagt. Mit der neuen Verfassung soll ein Präsidialsystem geschaffen werden, in dem Erdogan weitreichende Machtbefugnisse erhält. (rtr)

Reaktionen auf Erdogans Nazi-Vergleich

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schwingt die Demokratie-Keule: Nachdem mehrere Auftritte türkischer Politiker in Deutschland abgesagt worden waren, stellt er die deutsche Demokratie infrage und zieht den Nazi-Vergleich. „Eure Praktiken unterscheiden sich nicht von früheren Nazi-Praktiken“, sagte er bei einer Rede in Istanbul. „Deutschland, du hast in keiner Weise ein Verhältnis zur Demokratie und du solltest wissen, dass deine derzeitigen Handlungen nichts anderes sind als das, was in der Nazi-Zeit getan wurde.“
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schwingt die Demokratie-Keule: Nachdem mehrere Auftritte türkischer Politiker in Deutschland abgesagt worden waren, stellt er die deutsche Demokratie infrage und zieht den Nazi-Vergleich. „Eure Praktiken unterscheiden sich nicht von früheren Nazi-Praktiken“, sagte er bei einer Rede in Istanbul. „Deutschland, du hast in keiner Weise ein Verhältnis zur Demokratie und du solltest wissen, dass deine derzeitigen Handlungen nichts anderes sind als das, was in der Nazi-Zeit getan wurde.“ © REUTERS | MURAD SEZER
Aydan Özoguz (SPD) mahnt: „Die Türkei sollte den Weg zurück finden zu ordentlichen diplomatischen Gesprächen.“ Die Staatsministerin für Integration sagte unserer Redaktion: „Völlig überzogene Anschuldigungen helfen jetzt niemandem weiter.“
Aydan Özoguz (SPD) mahnt: „Die Türkei sollte den Weg zurück finden zu ordentlichen diplomatischen Gesprächen.“ Die Staatsministerin für Integration sagte unserer Redaktion: „Völlig überzogene Anschuldigungen helfen jetzt niemandem weiter.“ © dpa | Bernd von Jutrczenka
CDU-Vize Armin Laschet betonte im ARD-Talk „Anne Will“: „Wenn Herr Erdogan unser Land weiter als Nazi-Land beschimpft, dann ist er hier unerwünscht.“
CDU-Vize Armin Laschet betonte im ARD-Talk „Anne Will“: „Wenn Herr Erdogan unser Land weiter als Nazi-Land beschimpft, dann ist er hier unerwünscht.“ © dpa | Wolfgang Borrs
„Das ist infam, abstrus, inakzeptabel und aufs Schärfste zurückzuweisen“, sagte der Bundesjustizminister Heiko Maas am Sonntagabend in der ARD-Talkshow „Anne Will“ zu Erdogans Nazi-Vergleich. Gleichzeitig mahnte Maas an, sich nicht provozieren zu lassen. „Wenn es darum geht, einen Wahlkampfauftritt zu verhindern, dann bleibt der Bundesregierung nur, ein Einreiseverbot zu erlassen – das ist genau das, was Erdogan jetzt will.“
„Das ist infam, abstrus, inakzeptabel und aufs Schärfste zurückzuweisen“, sagte der Bundesjustizminister Heiko Maas am Sonntagabend in der ARD-Talkshow „Anne Will“ zu Erdogans Nazi-Vergleich. Gleichzeitig mahnte Maas an, sich nicht provozieren zu lassen. „Wenn es darum geht, einen Wahlkampfauftritt zu verhindern, dann bleibt der Bundesregierung nur, ein Einreiseverbot zu erlassen – das ist genau das, was Erdogan jetzt will.“ © dpa | Kay Nietfeld
Der regierungskritische türkische Journalist Can Dündar warnte bei „Anne Will“ davor, Auftritte türkischer Minister in Deutschland aus politischen Gründen zu verbieten: „Der Staat darf nicht darüber entscheiden, wer das Rederecht hat – worum es auch immer geht.“ Dündar rief dazu auf, politisch gegen mögliche Wahlkampfauftritte zu protestieren. „Die Bürger sind aufgerufen, Position zu beziehen.“
Der regierungskritische türkische Journalist Can Dündar warnte bei „Anne Will“ davor, Auftritte türkischer Minister in Deutschland aus politischen Gründen zu verbieten: „Der Staat darf nicht darüber entscheiden, wer das Rederecht hat – worum es auch immer geht.“ Dündar rief dazu auf, politisch gegen mögliche Wahlkampfauftritte zu protestieren. „Die Bürger sind aufgerufen, Position zu beziehen.“ © dpa | Wolfgang Borrs
Als „absolut inakzeptabel“ verurteilte Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier (CDU), Erdogans Vorwürfe. „Deutschland ist in puncto Rechtsstaatlichkeit, in puncto Toleranz und Liberalität nicht zu übertreffen“, sagte der CDU-Politiker am Montag im ARD-„Morgenmagazin“.
Als „absolut inakzeptabel“ verurteilte Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier (CDU), Erdogans Vorwürfe. „Deutschland ist in puncto Rechtsstaatlichkeit, in puncto Toleranz und Liberalität nicht zu übertreffen“, sagte der CDU-Politiker am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. © dpa | Christina Sabrowski
Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, bewertete die Äußerungen Erdogans am Montag in der ARD als irrational und mahnte dazu, kühlen Kopf zu bewahren. Er forderte die Bundesregierung aber auf, die Entscheidung über Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland nicht bei den Kommunen abzuladen. Am besten wäre eine gemeinsame, abgestimmte europäische Antwort auf diese Frage. Wenn türkische Politiker in Deutschland reden wollten, müssten sie sich an die Regeln und Gesetze halten.
Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, bewertete die Äußerungen Erdogans am Montag in der ARD als irrational und mahnte dazu, kühlen Kopf zu bewahren. Er forderte die Bundesregierung aber auf, die Entscheidung über Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland nicht bei den Kommunen abzuladen. Am besten wäre eine gemeinsame, abgestimmte europäische Antwort auf diese Frage. Wenn türkische Politiker in Deutschland reden wollten, müssten sie sich an die Regeln und Gesetze halten. © dpa | Oliver Berg
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