Istanbul. Verbale Abrüstung geht anders: Erneut poltert ein türkischer Spitzenpolitiker gegen Deutschland. Berlin lässt sich darauf nicht ein.

Der türkische Vize-Ministerpräsident Nurettin Canikli hat Deutschland, Österreich und den Niederlanden „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vorgeworfen. Er begründete dies am Freitag im Schwarzmeerort Samsun mit der angeblichen Unterstützung, die „allen voran Deutschland, Holland und Österreich“ Terroristen zukommen ließen, die in der Türkei Unschuldige ermordeten.

Canikli nannte in diesem Zusammenhang „finanzielle Unterstützung wie auch Unterstützung durch Waffen und moralische Unterstützung“. Außerdem böten diese Länder Terroristen Schutz, die aus der Türkei geflohen seien. Der Vize-Ministerpräsident wiederholte auch den Nazi-Vorwurf, den Staatschef Recep Tayyip Erdogan zunächst im Streit um Wahlkampfauftritte seiner Minister in Deutschland geäußert hatte.

Türkei: EU zunehmend „repressiv und autoritär“

Canikli nannte es „äußerst beunruhigend“, dass „die Praktiken der Nazis und des Nationalsozialismus“ wieder auftauchten. „Heute ist Europa leider keine Region der Freiheiten mehr. Ganz im Gegenteil.“ Er beklagte zugleich, dass die EU zunehmend „repressiv und autoritär“ werde und dort sogar die Meinungsfreiheit bedroht sei.

Berlin will kein Einreiseverbot von türkischen Politikern

Die Bundesregierung will von ihrem Recht zur Untersagung von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland indes keinen Gebrauch machen. „Wir glauben nicht, dass ein Einreiseverbot sinnvoll wäre“, erklärte das Auswärtige Amt am Freitag. Das Bundesverfassungsgericht stellte klar, dass es im Ermessen der Bundesregierung liegt, ob türkische Politiker in Deutschland auftreten oder nicht. Ausländische Regierungsmitglieder könnten sich bei Auftritten auch nicht auf Grundrechte berufen.

Die Bundesregierung sei schon immer der Auffassung gewesen, dass es keinen völkerrechtlichen Anspruch auf Einreise gebe, sagte Außenamts-Sprecher Sebastian Fischer. Sie arbeite aber nicht an Einreiseverboten. Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer verwies auf die hohe Bedeutung der Meinungsfreiheit: „Was wir von anderen fordern, sollten wir eben selber leben.“ (dpa/les)