Berlin. Seit Wochen schaukelt sich der deutsch-türkische Streit hoch. Wir dokumentieren die wichtigsten Aussagen von Politikern beider Seiten.

Spitzelvorwürfe gegen Ditib, Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel, Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland – das Verhältnis zwischen Ankara und Berlin wird immer schwerer belastet. Wie konnte es dazu kommen? Eine Chronologie in Zitaten:

• 2. Februar: Die Bundeskanzlerin fliegt zu einem eintägigen Besuch in die Türkei zu Präsident Erdogan. Grünen-Chef Cem Özdemir empfiehlt Angela Merkel, sich von Erdogans Kurs klar zu distanzieren und die Spitzelvorwürfe gegen Imame in Deutschland anzusprechen:

„Hier in der Bundesrepublik Deutschland gilt das deutsche Grundgesetz und nicht Erdogans Überwachungsstaat.“

Die Kanzlerin sagt nach dem Treffen mit Erdogan, beide hätten einen „sehr intensiven und ausführlichen“ Dialog geführt. Zur Lage in der Türkei erklärt Merkel:

„Opposition gehört zu einer Demokratie dazu. Das erfahren wir alle miteinander jeden Tag in demokratischen Staaten.“

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• 8. Februar: Präsident Erdogan verteidigt das von ihm geplante Präsidialsystem gegen Kritik, die auch aus Deutschland kommt. Viele fürchten eine „Demokratur“ in der Türkei. Erdogan kontert:

„Das System einer Präsidialregierung ist nicht für meine Person und schon gar nicht permanent für meine Person gedacht. Mit Gottes Hilfe wird es in der Türkei immer Tayyip Erdogans geben.“

• 13.Februar: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wählt auf der Münchner Sicherheitskonferenz deutliche Worte an die Adresse Erdogans:

Nach dem gescheiterten Militärputsch sei in der Türkei ein „Putsch der gewählten Regierung gegen die eigene Verfassung“ erfolgt. „Der scheint zu gelingen.“

• 15. Februar: Der Streit um die Spitzelvorwürfe gegen Imame des Islam-Verbandes Ditib geht weiter. Die Ditib gilt als mit Abstand größte muslimische Organisation in Deutschland. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) fordert die Ditib auf, sich von Ankara zu lösen. Er sagt:

„Der Einfluss des türkischen Staates auf die Ditib ist zu groß. Die Ditib sollte ihre Satzung ändern, die die enge Verbindung zur türkischen Religionsbehörde Diyanet festschreibt.“

Der nordrhein-westfälische FDP-Politiker und Landtagsabgeordnete Joachim Stamp wird noch deutlicher in Sachen Ditib:

„Wer denunziert, spioniert, trickst und täuscht, kann nicht einen Tag länger Partner sein.“

Am 18. Februar trat der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim in Oberhausen auf.
Am 18. Februar trat der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim in Oberhausen auf. © REUTERS | UMIT BEKTAS

Am gleichen Tag wird bekannt, dass der türkische Ministerpräsidenten Binali Yildirim für den 18. Februar einen Wahlkampfauftritt vor Tausenden in Deutschland lebenden Türken in Oberhausen plant. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), kritisiert dies scharf:

„Mit ihrem massiven Werben auch hier in Deutschland für die umstrittene Verfassungsänderung legt es die türkische Regierung darauf an, die Gräben unter den hier lebenden türkischen Staatsbürgern zu vertiefen und das Verhältnis in unserer Gesellschaft insgesamt zu belasten.“

• 17. Februar: Der Streit um den Auftritt von Yildirim in Oberhausen geht weiter. NRW-Innenminister Ralf Jäger mahnt von Düsseldorf aus die türkische Regierung:

„Die internen Konflikte in der Türkei dürfen nicht mit Gewalt auf unseren Straßen ausgetragen werden.“

Am gleichen Tag wird bekannt, dass sich der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel in der Türkei in Polizeigewahrsam befindet. Ihm wird Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen.

• 18. Februar: Die Bundesregierung reagiert erstmals auf die Inhaftierungs Yücels. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagt:

„Wir setzen darauf, dass in dem laufenden Ermittlungsverfahren der türkischen Behörden gegen Herrn Yücel rechtsstaatliche Regeln beachtet und eingehalten werden und er fair behandelt wird.“

In Oberhausen verteidigt der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim die geplante Verfassungsreform zum Präsidialsystem:

„Sie sagen, dass ein Ein-Mann-System kommt. Gibt es in Deutschland etwa zwei Kanzler? In einem Präsidialsystem gibt es natürlich nur einen Präsidenten. Auf einem Schiff kann es nicht zwei Kapitäne geben.“

• 20. Februar: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) protestiert gegen in die Inhaftierung Yücels und mahnt Pressefreiheit in der Türkei an:

„Jede Unterdrückung von kritischer Berichterstattung. Wenn sich die Türkei nicht an die europäischen Grundwerte hält, wird eine Annäherung an die EU immer schwieriger bis unmöglich.“

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• 22. Februar: Nachdem bekannt wird, dass auch der türkische Präsident Erdogan selbst einen Redeauftritt in Deutschland plant, nimmt die Kritik an Schärfe zu. CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt erklärt:

„Ein Wahlkampfauftritt Erdogans in Deutschland ist unerwünscht.“

Am gleichen Tag wirft Erdogan-Sprecher Ibrahim Kalin der Bundesregierung in der Ditib-Affäre eine „Hexenjagd“ vor. In Deutschland finde eine „Verfolgung von Ditib-Mitgliedern“ statt.

• 23. Februar: Rot-Grün in NRW fordert die Bundesregierung auf, einen Erdogan-Auftritt in Deutschland zu verhindern. Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagt:

„Die Freiheit der Meinungsäußerung hier darf nicht missbraucht werden, um für eine Verfassungsänderung in der Türkei zu werben, mit der Grundrechte eingeschränkt und die Todesstrafe wieder eingeführt werden sollen.“

• 25. Februar: Die Spitzelaffäre um die Ditib geht weiter. CDU-Vize-Chef Armin Laschet spricht sich für die Entlassung von Imamen aus:

„Ich verlange, dass Ditib alle Imame entlässt, die Deutschtürken oder auch deutsche Lehrer denunziert haben. Diese Imame müssen Deutschland unverzüglich verlassen.“

• 27. Februar: Auch der Streit im Fall Yücel wird schärfer. Die türkischen Behörden verhängen Untersuchungshaft gegen den Journalisten. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) äußert sich dazu:

„Die Nachrichten aus Istanbul enttäuschen mich sehr. Das ist eine viel zu harte und deshalb auch unangemessene Entscheidung. Das sind dramatische Zeiten für die Türkei. Es sind auch schwierige Zeiten für die deutsch-türkischen Beziehungen.“

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Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erhöht nun den Druck auf Ankara im Fall Yücel:

„Die Nachricht (...) ist bitter und enttäuschend. Diese Maßnahme ist unverhältnismäßig hart, zumal Deniz Yücel sich der türkischen Justiz freiwillig gestellt und für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt hat.“

• 28. Februar: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz legt nach:

Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, sitzt in der Türkei in Untersuchungshaft.
Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, sitzt in der Türkei in Untersuchungshaft. © dpa | Karlheinz Schindler

„Deniz Yücel muss freigelassen werden - genauso wie all die anderen mit fadenscheinigen Begründungen festgenommenen Journalisten.“

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) spricht von einer „staatlich organisierten Geiselnahme“.

Nach der Anordnung von Untersuchungshaft für Yücel lädt das Auswärtige Amt den türkischen Botschafter zum Gespräch. Nun schaltet sich auch Bundespräsident Joachim Gauck ein:

„Wir können in Deutschland nicht nachvollziehen, warum diese Attacke auf die Pressefreiheit notwendig ist. Uns fehlt das Verständnis.“

• 1. März: FDP-Chef Christian Lindner will Vertreter der Erdogan-Regierung nicht in Deutschland haben:

„Wenn die Regierung Erdogan nicht zu einem kooperativen Verhältnis und europäischen Werten zurückkehrt, sollten ihren Vertretern die Einreise zu öffentlichen Auftritten bei uns verwehrt werden.“

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Der türkische Justizminister Bekir Bozdag verwahrt sich gegen die Kritik aus Deutschland am Umgang der Behörden mit Deniz Yücel:

„Das sind Urteile der unabhängigen türkischen Justiz und keine politischen Urteile. Die Türkei ist ein demokratischer Rechtsstaat.“

• 2. März: Es wird bekannt, dass zwei geplante Wahlkampfauftritte türkischer Minister in Köln und in Gaggenau in Baden-Württemberg von den deutschen Behörden abgesagt werden. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will sich trotzdem wie geplant mit seinem türkischen Amtskollegen Bekir Bozdag in Karlsruhe treffen. Doch Bozdag sagt das Gespräch aus Protest gegen die Auftritt-Verbote ab. Er poltert gegen die Entscheidung der deutschen Behörden:

„Das kann man mit Demokratie und Meinungsfreiheit nicht erklären. Schon gar nicht schickt es sich für einen Rechtsstaat.“

Die Linken-Chefin Katja Kipping spricht sich wegen der politischen Situation in der Türkei dafür aus, auf Urlaubsreisen in das Land zu verzichten:

„Wenn die Bundesregierung mit dem Diktator kuschelt, dann sollten wir über einen Tourismus-Boykott nachdenken.“

Nach den Absagen der Wahlkampfauftritte in Gaggenau und Köln bestellt das türkische Außenministerium den deutschen Botschafter in Ankara ein. Ein Erdogan-Sprecher nennt die Absagen eine „Skandal-Entscheidung“. Und weiter:

„Mit solchen Entscheidungen kommt das wahre Gesicht derjenigen offen zum Vorschein, die bei jeder Gelegenheit versuchen, der Türkei Lektionen in Demokratie und Meinungsfreiheit zu erteilen.“

• 3. März: CSU-Chef Horst Seehofer schaltet sich in die hitzige Debatte ein:

„Wenn türkische Politiker unsere freiheitliche Grundordnung ausnutzen, um für einen demokratiefeindlichen Staatsumbau in ihrem Land zu werben, missbrauchen sie das Gastrecht.“

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Vorläufiger Höhepunkt: Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu warnt Deutschland vor Konsequenzen:

„So kann es nicht weitergehen. Wenn Sie mit uns arbeiten wollen, müssen Sie lernen, wie Sie sich uns gegenüber zu verhalten haben.“ Die Türkei werde die Behandlung ansonsten „ohne Zögern mit allen Mitteln“ erwidern. „Dann müssen Sie an die Folgen denken.“ (mit Material von dpa und rtr)