Brüssel. Wie geht es weiter mit der EU, wenn die Briten nicht mehr dabei sind? Kommissionschef Juncker will dazu nun Vorschläge präsentieren.

Angesichts von Brexit und zunehmender Spannungen will EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Mittwoch ein Grundsatzpapier zur Zukunft Europas präsentieren. Anlass ist der bevorstehende 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März. An dem Tag ist ein Sondergipfel in Rom geplant.

Das sogenannte Weißbuch soll den Staats- und Regierungschefs für das Treffen in Rom die Gelegenheit zur „Reflexion“ darüber gegeben werden, wie Geschlossenheit und Zusammenarbeit zwischen den verbleibenden 27 EU-Staaten künftig gesichert werden könnten, sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Dienstag in Brüssel.

Ein Kern mit konzentrischen Kreisen

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat für ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten geworben.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat für ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten geworben. © dpa | Stefan Sauer

In dem Papier sollten dafür „Optionen“ aufgezeigt werden, sagte er weiter. Ein zentraler Punkt des Reformkonzeptes dürfte die Idee von einem Europa der der „konzentrischen Kreise“ sein, in dem nicht alle Staaten gleich eng zusammenarbeiten. „Wir können viel gemeinsam tun, aber es ist nicht mehr zeitgemäß anzunehmen, dass wir alle zusammen dasselbe machen könnten“, hatte Juncker in der vergangenen Woche geäußert.

Juncker beschrieb das künftige Europa als „Gebilde, das einen Kern hat und verschiedene Kreise“. Im Zentrum stünden jene, die sich einig seien, so viel wie möglich zusammen zu machen. Bei einzelnen Projekten könnten sich unterschiedliche Gruppen zusammentun, etwa bei der gemeinsamen Währung, bei Verteidigungsfragen oder bei der Förderung der Wissenschaft.

Im „Orbit“ könnten Großbritannien und die Türkei Platz finden

Bei einer engeren wirtschaftspolitischen Koordination würden wohl nur wenige mitmachen, sagte Juncker. Die Zahl sei aber nicht vorherzubestimmen. „Man muss sich den Kontinent in konzentrischen Kreisen vorstellen“, fügte er hinzu. Im „Orbit“ könnten jene einen Platz finden, die nicht denselben Ehrgeiz der Integration teilten wie die anderen.

und die Türkei – „oder andere, die davon noch nichts wissen“.

Zuletzt hatte bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel für ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten geworben. Die Idee kursiert seit Jahrzehnten, und zum Teil ist sie bereits Realität. So beteiligen sich nur einige der – mit Großbritannien – derzeit noch 28 EU-Staaten am Schengen-Raum oder an der gemeinsamen Währung Euro.

Tief zerstritten über wichtige Themen

Afrikanische Flüchtlinge im Hafen von Reggio Calabria, Italien. Nicht nur in der Asylpolitik ist die EU zerstritten
Afrikanische Flüchtlinge im Hafen von Reggio Calabria, Italien. Nicht nur in der Asylpolitik ist die EU zerstritten © dpa | Santi Palacios

Doch wurde dabei lange unterstellt, dass sich andere der „Vorhut“ nach und nach anschließen. Juncker hob dagegen eher darauf ab, dass sich die EU bei etlichen Fragen nicht mehr einigen kann.

Die EU sieht sich nach dem Votum der Briten für einen Austritt seit Monaten in einer schweren Krise. In wichtigen Fragen wie etwa der Asylpolitik ist sie tief zerstritten. Auch die wirtschaftlichen Ungleichgewichte und die hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa zerren an der Einheit der Gemeinschaft.

Staatschefs wollen nicht EU-Vertrag hinaus

Das Europaparlament hatte kürzlich Vorschläge für eine Vertiefung der Union mit einer EU-Regierung und einer zweiten Parlamentskammer zur Debatte gestellt. Merkel und andere Staatenlenker wollen aber keine Reformen, die über die jetzigen EU-Verträge hinausgehen. (dpa)