Brüssel. US-Vize Pence überbrachte in Brüssel ein Bekenntnis seines Chefs zur EU. Wegen früherer Worte Trumps stieß das jedoch auf Skepsis.

„Das Engagement der Vereinigten Staaten für die Europäische Union ist standfest und dauerhaft“, sagt Mike Pence und schaut zur Bekräftigung hinüber zum EU-Ratspräsidenten Donald Tusk. Die beiden Herren stehen im Gebäude des Europäischen Rates vor einer blauen Stellwand, die mit den Sternenbannern dekoriert ist. Dem blau-weiß-roten der USA, deren Vizepräsident sich und die neue US-Regierung heute in der Europa-Hauptstadt vorstellt. Und dem blau-goldenen der EU. Doch so stimmig die Szene wirken mag, ein Detail ist falsch: Statt 50 zeigt die US-Flagge 51 Sterne. Die Regierungschefs bemerken den Lapsus nicht und fahren fort im Programm.

„Zwischen uns liegt ein Ozean“, sagt Pence. „Aber wir sind durch ein gemeinsames Erbe verbunden. Durch eine gemeinsame Verpflichtung auf Freiheit, auf Demokratie und die Herrschaft des Rechts!“ Goldene Worte in Brüssel. Es sind die Töne, die sie hören wollen in der EU. Fragt sich nur wie weit dieser freundliche Gesandte für den spricht, der ihn gesandt hat.

Pence’ Botschaft ist eine Richtigstellung

Pence, ein weißhaariger Herr von 57 Jahren mit gemessenen, etwas hölzernen Bewegungen, ist schon körpersprachlich eine Art Gegendarstellung zum blonden Hektiker Donald Trump. Auch die Botschaft des Emissärs ist eine Richtigstellung. Genau genommen wäre es sogar ein Dementi.

Es widerspricht so ziemlich allem, was der US-Präsident bislang über die EU verlautbart hat. Den Brexit, Großbritanniens bevorstehenden EU-Austritt, hat Trump als „tolle Sache“ bezeichnet, die Schule machen werde. Freihandel und Klimaschutz sind unter seiner Ägide auf die schwarze Liste gewandert, Folter und Presse-Einschüchterung hingegen zu brauchbaren Handlungsoptionen erhoben worden. Europäische Flüchtlingspolitik, für die Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel steht, bekam das Etikett „Katastrophe“.

Ungeschminkte Resonanz von EU-Ratspräsident Tusk

Pence, der konservative Republikaner aus Indiana, hat die undankbare Aufgabe, bei den EU-Oberen gut Wetter zu machen, ohne seinen Chef direkt Lügen zu strafen. Bei den ersten beiden Gesprächspartnern in Brüssel ist das nicht allzu schwer. Der Besuch beim belgischen Premier Charles Michel im Regierungsschlösschen Val Duchesse ist ohnehin eher protokollarischer Natur. Und auch mit der EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini, die von Pence in der US-Botschaft bei der EU empfangen wird, geht es höflich zu. Beim Treffen mit Tusk, mitten im weiträumig abgeriegelten Europa-Viertel, bekommt der Besucher dagegen eine ungeschminkte Resonanz auf die Querschläger seines Präsidenten.

Denn niemand ist dadurch heftiger verstört als Tusk. „Ich bin ein unheilbar proamerikanischer Europäer“, bekennt der Pole. Der transatlantischen Zusammenarbeit sei er „fanatisch verpflichtet“ – und fühle sich deshalb zu deutlichen Widerworten autorisiert. Schon bei der Einberufung der jüngsten Zusammenkunft des Europäischen Rates hatte er die Trump-Regierung zu den „existenziellen Bedrohungen“ Europas gezählt. Und sieht keinen Grund zurückzustecken.

Zerfall des Westens zu verhindern, sei aller Interesse

„Zu viele neue, zum Teil überraschende Ansichten sind geäußert worden über unsere Beziehungen und unsere gemeinsame Sicherheit, um so zu tun, als wäre alles wie bisher“, stellt Tusk fest. „Es liegt in unser aller Interesse, den Zerfall des Westens zu verhindern!“ Dreierlei wolle er daher vom Gast wissen: Steht ihr noch zur internationalen Ordnung und zum Völkerrecht, zur gemeinsamen Sicherheit, zur EU? „Ich habe als Antwort dreimal Ja gehört!“

In der Tat hält der Vizepräsident in diesem Fall die Spur transatlantischer Rechtgläubigkeit. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hatte er die EU nicht mit einem Wort erwähnt, hier würdigt er ihre Verdienste um Wohlstand, Sicherheit und Einigkeit des Kontinents. „Die Geschichte wird zeigen: Wenn die Vereinigten Staaten und Europa in Frieden und Wohlstand leben, bringen sie Frieden und Wohlstand weltweit voran.“ Auch ein Wort des Mitgefühls für das Gastgeberland fehlt nicht: Pence erinnert daran, dass es demnächst ein Jahr her ist, dass Brüssel Ziel von Terroranschlägen wurde, denen 31 Menschen zum Opfer fielen, „darunter vier US-Bürger“.

Differenzen sind nicht durch Freundlichkeit zu beseitigen

Zwar kommt es vom Blatt, und ob es auch von Herzen kommt, ist dem etwas leiernden Vortrag nicht zu entnehmen. Doch wie auch immer: In Brüssel hören sie die Botschaft, ausdrücklich überbracht im Namen des Präsidenten, mit Erleichterung. Am Ende der sorgsam formulierten Erklärung strahlt der zuvor angespannt wirkende Tusk.

Nur sind halt die Differenzen nicht einfach durch Freundlichkeit zu beseitigen. Beim Treff mit Kommissionschef Jean-Claude Juncker bekommt der Gast einen Vorgeschmack auf weiteren Zank über die Rüstungsausgaben. Stabilitätspolitik laufe keineswegs nur über den Verteidigungshaushalt, bekräftigt Juncker. Auch die Ausgaben für humanitäre und Entwicklungshilfe gehörten dazu. Pence, der das Thema anschließend mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg noch einmal erörtert, nimmt auch diese Botschaft mit zum Boss nach Washington. Trump seinerseits wird Ende Mai in Brüssel erwartet. Bis dahin wird sich zeigen, wie viel Kooperationsbereitschaft hinter der Gutwetter-Mission des Vizepräsidenten tatsächlich steckt.