Berlin/Köln. Durchsuchungen vom Mittwoch sollen klären, ob Islamgelehrte als Spione tätig waren. An den Razzien gibt es nun Kritik aus der Türkei.

Es sind brisante Tage im Verhältnis zwischen der deutschen und der türkischen Regierung: Am Wochenende kommt der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim in die Arena nach Oberhausen und wirbt unter den Türken in Deutschland für die umstrittene Verfassungsreform in der Türkei, die Präsident Recep Tayyip Erdogan noch mehr Macht gibt.

Eingeladen hat Yildirim die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) in Köln, eine Lobbygruppe der Regierungspartei AKP. Sie hat für heute auch Außenminister Mevlüt Cavusoglu eingeladen.

Polizei durchsucht vier Wohnungen

Und genau in dieser Zeit sorgen nun Razzien der Polizei gegen Geistliche des türkischen Islamverbandes Ditib für Aufsehen. Im Auftrag der Regierung in Ankara sollen sie Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert haben.

Am Mittwochmorgen durchsuchten Beamte Wohnungen von vier Imamen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, stellten Datenträger und Dokumente sicher. Festnahmen gab es nicht.

1000 Islamgelehrte der Religionsbehörde in Deutschland

Der Einsatz geht zurück auf eine Anzeige, die der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, im Dezember wegen Spionageverdacht gestellt hatte. In einem Brief der türkischen Religionsbehörde Diyanet waren Mitarbeiter der Konsulate aufgefordert worden, über ihre Kanäle Informationen zu Aktivitäten der Gülen-Bewegung in Deutschland zu liefern.

Die Regierung von Erdogan geht rigide in der Türkei gegen Mitglieder der Organisation des islamischen Predigers Fetullah Gülen vor. Gülen selbst lebt im Exil in den USA. Auch für den Putschversuch im Sommer macht Erdogan dessen Bewegung verantwortlich.

Polizei durchsucht Wohnungen von islamischen Geistlichen

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    Die Religionsbehörde Diyanet hat mehr als 1000 Islamgelehrte an die rund 900 Ditib-Moscheevereine in Deutschland entsandt. Imame sind in der Türkei Staatsbedienstete. Der Ditib-Vorstandsvorsitzende ist traditionell der Religionsattaché der türkischen Botschaft in Berlin, der zugleich der Diyanet-Vertreter in Deutschland ist. Im Prinzip stehen sie unter Kontrolle von Erdogan.

    Verhältnis zwischen Religionsbehörde und Staat kaum geregelt

    Hamburg und Bremen haben Verträge mit den muslimischen Gemeinden geschlossen, die das Verhältnis zwischen Staat und Gemeinde auf eine rechtliche Basis stellen sollen. Anders als bei den christlichen Gemeinden hatte das in Deutschland über Jahrzehnte gefehlt.

    Auch Ditib hat in Hamburg den Vertrag unterschieben. Die Polizei richtet ihre Maßnahmen nicht gegen den Verband, sondern gegen einzelne Imame. Über die Durchsuchungen am Mittwoch hatte zuerst „Spiegel Online“ berichtet.

    Ditib sichert Hilfe bei Aufklärung zu

    Laut Verfassungsschutz NRW lieferten aus dem Bundesland mindestens 13 Imame Informationen nach Ankara. An Diyanet seien Namen von 33 bespitzelten Personen und elf Institutionen aus dem Bildungsbereich gemeldet worden. Auch Imame aus drei rheinland-pfälzischen Gemeinden sammelten Informationen.

    Ein Ditib-Sprecher sagte, der Verband wolle den Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung helfen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte Ditib auf, sich von Ankara zu lösen. Der Einfluss des türkischen Staates auf den Verband sei zu groß.

    Kritik an Razzia aus türkischer Politik

    In Ankara kritisierte der deutsch-türkische AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu die Razzien als „beispiellose Einschüchterungskampagne gegen die mitgliederstärkste islamische Religionsgemeinschaft in Deutschland“. Der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im türkischen Parlament sprach von „juristischen Repressalien“.