Berlin. Jugendschützer sichteten 2016 53.000 Fälle von rechter Propaganda im Internet. Ministerin Schwesig will verhindern, dass es mehr wird.

YouTube, Snapchat, Insta­gram, Facebook: Kinder und Jugendliche sind heute auf vielen Kanälen zu erreichen. Wer Teenager erfolgreich beeinflussen will, hat es in sozialen Netzwerken besonders leicht. Jugendschützer warnen jetzt: Rechtsextreme versuchen durch immer perfidere Methoden, im Internet junge Menschen zu ködern – indem sie ihre Musik kapern, ihre Vorlieben imitieren und sich in ihre digitalen Lebenswelten einschleichen.

„Die rechte Propaganda erreicht mehr User denn je“, sagt Stefan Glaser von der Recherchestelle „jugendschutz.net“, die von Bund und Ländern eingerichtet wurde, um im Netz Gefahren für Jugendliche ausfindig zu machen und Verstöße gegen den Jugendschutz zu melden.

Rechtsextreme vermitteln ihre Botschaften verschleiert

2016 sichteten die Jugendschützer rund 53.000 Fälle rechter Propaganda und gingen gegen rund 1700 Fälle vor. Bei 51 Prozent ging es um Volksverhetzung, bei weiteren 24 Prozent waren strafbare rechtsextreme Symbole im Spiel. Fast alle Verstöße fanden sich in sozialen Netzwerken: 52 Prozent bei Facebook, 23 Prozent bei YouTube und 21 Prozent bei Twitter.

Die Inszenierung der Rechten in den sozialen Medien habe eine neue Qualität erreicht, der extremistische Hintergrund der Videos, Fotos und Beiträge sei häufig verschleiert, beobachtet Glaser. Rechtsextreme vermitteln ihre Botschaften heute über ironische Sprüche oder werben für einen neuen Lifestyle – wie etwa die „Nipster“ (eine Mischung aus „Nazi“ und „Hipster“) oder die „Identitäre Bewegung“.

Propaganda versteckt sich in coolen Hip-Hop-Songs

Sie wollen vordergründig harmlos wirken und platzieren ihre politischen Botschaften deswegen geschickt in vermeintlich unpolitischen Zusammenhängen. „Da verpackt die ‚Identitäre Bewegung‘ ihre Propaganda in coole Hip-Hop-Songs oder es tauchen bei Facebook Nazi-Parolen zwischen Fotos von Erdbeerkuchen und Müsli auf“, sagt Glaser.

Hinzu kommt: Die Rechten können nahezu pausenlos Einfluss nehmen. Viele Jugendliche sind per Smartphone oder Tablet praktisch überall und rund um die Uhr erreichbar. Wie eine Umfrage für die Drogenaffinitätsstudie der Bundesregierung zeigt, sind junge Deutsche nach eigenen Angaben im Schnitt rund drei Stunden pro Tag im Netz.

Kritische Einträge nur zum Teil gelöscht

Doch was tun, wenn das eigene Kind auf verdächtige Inhalte stößt? Während sich private Internetnutzer oft vergeblich darum bemühen, dass extremistische Einträge von Facebook und Co. gelöscht werden, haben die öffentlichen Jugendschützer mehr Erfolg: Von zehn kritisierten Einträgen wurden acht schließlich von den Anbietern gelöscht. Glaser rief deshalb am Dienstag in Berlin alle Nutzer dazu auf, rechtsextreme Inhalte der Recherchestelle zu melden.

Ermutigend sei es, so Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) bei der Vorstellung der Jahresbilanz der Jugendschützer, dass die Zahl der Meldungen gestiegen sei. „Wir brauchen eine digitale Zivilgesellschaft“, forderte die SPD-Politikerin. So wie man gegen Rechtsextremisten auf die Straße gehe, müsste sich auch die Internetgemeinde gegen Hassbotschaften und Falschmeldungen verbünden.

Mehr Geld für Präventionsprogramm

Zudem müsse der Druck auf die Plattformen erhöht werden: „Volksverhetzung im Netz ist kein Kavaliersdelikt.“ Schwesig kündigte an, die Mittel für die Recherchestelle „jugendschutz.net“ in Zukunft dauerhaft aus dem Topf des Präventionsprogramms „Demokratie leben“ zu bezahlen. Die Bundesregierung hatte das Programm kürzlich von rund 50 Millionen auf 100 Millionen Euro aufgestockt.