Kanadas Premier Trudeau will Trump bloß nicht verärgern
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Von Dirk Hautkapp
Washington. Kanadas Premierminister Justin Trudeau entschied sich beim Besuch in Washington für ein Umarmen des Gastgebers. Misstöne blieben aus.
Gegensätze ziehen sich nicht immer an. Als Justin Trudeau und Donald Trump Montagnachmittag ihr erstes Beisammensein mit der obligatorischen Mini-Frage-Runde vor Journalisten im Weißen Haus ausklingen ließen, waren die Lichtjahre, die weltanschaulich zwischen den beiden Regierungschefs liegen, trotz sorgfältigst inszenierter Harmonie nicht zu übersehen.
Auf der einen Seite Kanada: jungenhafter, linksliberaler Charme (45), der auf kulturelle, religiöse Vielfalt und Freihandel als Schmierstoff für gutes Regieren setzt. Auf der anderen Seite Amerika: rechtspopulistische, autoritäre Härte (70), die Abschottung propagiert, um den „vergessenen kleinen Mann“ zu revitalisieren.
Trudeau: Will andere nicht belehren
Wie kann da Gemeinsamkeit funktionieren? Einfach: Man lobt die „einzigartigen“ historisch-geografisch bedingten Beziehungen bis zur Schmerzgrenze, schwört, die Nachbarschaft im „wechselseitigen Respekt“ auf allen Feldern zu „optimieren“ und tut so ziemlich alles, um dem anderen nicht auf die Zehen zu treten.
Trudeau hätte dazu die Gelegenheit gehabt. Als aufkam, dass Trump syrische Flüchtlinge pauschal für „trojanische Pferde“ (sprich Terrorgefahr) hält, während Trudeau selbige zuletzt kamerawirksam herzte und 40.000 von ihnen aufnehmen ließ, zog sich der Gast aus dem Norden auf den Hinweis zurück, er belehre andere nicht, wie man zu regieren habe.
Frauenförderung als gemeinsames Thema
Für Kanada sei es wichtig, offen zu bleiben, ohne die innere Sicherheit zu vernachlässigen, fügte er hinzu. Als Trump seinen verunglückten Einreise-Stopp ins Werk setzte, reagierte Trudeau pointierter: „An alle, die vor Verfolgung, Terror und Krieg fliehen: Kanada heißt euch willkommen, egal, welchen Glauben ihr habt“, schrieb er auf Twitter. Diesmal hatte sich der Jungstar einen Nichtangriffspakt auferlegt.
Als leicht bekömmliche Schnittmenge war bereits vor der Visite des kanadischen Premierministers beim neuen US-Präsidenten das Thema Frauen-Förderung definiert worden. Inspiriert auch von Trumps Tochter Ivanka, deren Geschäftsleben für negative Schlagzeilen sorgt, wollen Ottawa und Washington einen Sachverständigenrat ins Leben rufen. Thema: mehr Weiblichkeit in Führungspositionen. Trudeau kann da bereits viel vorweisen. Die Hälfte seines Kabinetts besteht auf Frauen. Bei Trump muss man Ministerinnen noch mit der Lupe suchen. Aber er bekannte sich: „Die volle Kraft von Frauen ist mächtiger als alles andere.“
Als Mitbringsel gab es ein Foto von Trump mit Trudeau Senior
Trudeau, der in dieser Woche in Straßburg, Hamburg und Berlin auch deutschen Spitzenpolitikern bis hin zu Kanzlerin Merkel von seinen ersten Erfahrungen mit Trump berichten wird, bemühte sich während seines vierstündigen Kurzaufenthaltes in Washington alle Fettnäpfchen zu umgehen. Von seinem Vater Pierre, der in den 70er Jahren an der Spitze Kanadas stand, weiß der Hobby-Boxer, das die Nachbarschaft zu den USA in etwa so ist, „als schlafe man neben einem Elefanten“. Um das Tier sanft zu stimme, brachte Trudeau Junior dem sichtlich gerührten Gastgeber ein altes Foto mit, das Trump neben Pierre Trudeau zeigt.
Trudeau ließ auch unerwähnt, dass ihm Trumps „Amerika zuerst!“-Protektionismus dubios erscheint. Zu eng ist Kanada mit den USA verflochten. Waren im Wert von rund 600 Milliarden Dollar gingen im vergangenen Jahr von Nord nach Süd – und umgekehrt. Trump will das Wirtschaften, das seit 1994 gemeinsam mit Mexiko im Nafta-Verbund geregelt ist, zugunsten amerikanischer Arbeiter auf neue Beine stellen. Wie, das ist noch unscharf. 35 US-Bundesstaaten haben in Kanada ihren wichtigsten ökonomischen Partner.
Harmonisches Treffen in für Trump schweren Zeiten
Anders als Mexiko, so musste man Trumps Äußerungen verstehen, hat Trudeau aber keine wirtschaftliche Rosskur aus Washington zu erwarten. Schon heute sei Kanada ein fairer Partner, ließ der Präsident durchblicken. Mit Hilfe von Technik, etwa beim grenzüberschreitenden Güterverkehr, sollen zusätzliche Synergien gewonnen und gerade in der Energie-Gewinnung (Öl-Pipeline Keystone XL) neue Jobs und nachhaltiger Wohlstand geschaffen werden. So könnten die Bande zwischen beiden Ländern noch fester werden.
Festigung braucht vor allem Trump. Seine noch immer noch nicht komplette Regierungsmannschaft zeigt erste Ermüdungserscheinungen. Der Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn steht nach seinem Russland-Schwindel mit einem Bein vor dem Rauswurf, berichten US-Medien. Der Ex-General hatte Ende Dezember intensiv mit dem russischen Botschafter konferiert und nach Erkenntnissen des Geheimdienstes NSA über den Inhalt der Gespräche offenbar Vizepräsident Mike Pence die Unwahrheit gesagt.
Gibt es bald die ersten Entlassungen?
Stephen Miller, zweiter Top-Berater Trumps, wiederholte vor laufender Fernseh-Kamera am Sonntag das Schauermärchen vom massenhaften Wahlbetrug zu Lasten Trumps. Selbst republikanische Abgeordnete schäumen und drängen das Weiße Haus: „Legt endlich Beweise auf den Tisch. Oder schweigt.“
Damit nicht genug. Weil die Befürchtung besteht, dass Russland im Weißen Haus „mithört“, halten Geheimdienste nach Recherchen des ehemaligen NSA-Analytikers John Schindler im engeren Zirkel um Trump inzwischen sensible Informationen zurück. Unterdessen machte ein Vertrauter Trumps im TV-Sender CNN öffentlich Stabschef Reince Priebus für das „Chaos“ verantwortlich. Donald Trump sei schon gedanklich dabei, einige Schlüsselpositionen neu zu besetzen, heißt es. Nach dreieinhalb Wochen.
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Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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