Berlin. Der Parteivorstand will den Thüringer Landeschef Höcke loswerden. Die Partei steuert im Streit um ihren Kurs auf eine Zerreißprobe zu.

Seit Wochen ringt die AfD um den richtigen Umgang mit dem umstrittenen Thüringer Landeschef Björn Höcke. Der Mann, der das Holocaust-Mahnmal am Brandenburger Tor in perfider Doppeldeutigkeit „Denkmal der Schande“ nennt und in Deutschland eine erinnerungspolitische Wende um 180-Grad fordert, spaltet die Partei zunehmend.

Dabei geht es nicht nur um ideologische, sondern auch um persönliche Machtkämpfe an der Parteispitze. Am Montag nun hat der Parteivorstand in einer Telefonkonferenz beschlossen, ein Parteiausschlussverfahren gegen Höcke in Gang zu setzen. Ob am Ende der Rauswurf des rechtsnationalen Scharfmachers steht, ist jedoch höchst ungewiss.

Rede in Dresden löste Diskussion aus

Schon vor drei Wochen hatte sich der 13-köpfige Parteivorstand mit dem Fall Höcke befasst. Anlass war die umstrittene Rede des Thüringer Landeschefs wenige Tage zuvor in Dresden. Darin hatte Höcke vor dem „Import fremder Völkerschaften“ gewarnt und die angeblich „dämliche Bewältigungspolitik“ attackiert: Die Deutschen seien das einzige Volk der Welt, so Höcke, „das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat“.

AfD-Spitze: Wollen Björn Höcke ausschließen

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    Die Empörung war groß – zumal Höcke nicht zum ersten Mal tief in die rhetorische Kiste völkisch-nationaler Ideologien gegriffen hatte. Der AfD-Vorstand stellte damals fest, dass Höckes Äußerungen „dem Ansehen der Partei geschadet“ hätten, und sprach sich dafür aus, „Ordnungsmaßnahmen“ zu prüfen. Das ist nun passiert.

    Parteivorstand ist von Einstimmigkeit weit entfernt

    Um 9.24 Uhr am Montagmorgen verschickte der AfD-Vorstand eine E-Mail, in der der Mehrheitsbeschluss wortkarg erläutert wird: Der Bundesvorstand habe mit Zweidrittelmehrheit ein Parteiausschlussverfahren gegen Höcke beschlossen. „Die Maßnahme erfolgte nach eingehender juristischer Prüfung und politischer Bewertung der Rede Björn Höckes vom 17. Januar 2017 in Dresden.“

    Björn Höcke äußert sich zum Parteiausschlussverfahren

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      Doch von Einstimmigkeit ist der AfD-Vorstand nach wie vor weit entfernt: Während Parteichefin Frauke Petry und die Mehrheit des Vorstands für das Ausschlussverfahren gestimmt hatten, ist der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen weiterhin dagegen: „Ich glaube nicht, dass dieses Verfahren aussichtsreich ist, und ich halte es auch nicht für richtig, obwohl diese Rede wirklich sehr daneben war“, sagte der baden-württembergische Fraktionschef. Auch Parteivize Alexander Gauland stimmte gegen den Rauswurf: Höcke habe „an keiner Stelle die Ordnung der Partei verletzt“, sagte Gauland und warnte vor einer Spaltung der AfD. Immerhin bindet Höcke als Gallionsfigur des rechtsnationalen Flügels viele Wähler an sich.

      Meuthens Ziel ist die Schwächung von Petry

      Höcke selbst drohte am Montag in Erfurt: Die Entscheidung des Vorstands sei „geeignet, der Partei großen Schaden zuzufügen“. Sie besitze „das Potenzial zur Spaltung“. Der Schaden ist jedoch zunächst auf seiner Seite: Als Reaktion auf Höckes Auftritte erteilte das Kölner Hotel Maritim, wo sich die AfD im April zum Bundesparteitag trifft, dem Thüringer Hausverbot.

      Alexander Gauland (links) und Jörg Meuthen sind gegen einen Parteiausschluss von Björn Höcke.
      Alexander Gauland (links) und Jörg Meuthen sind gegen einen Parteiausschluss von Björn Höcke. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH

      Doch warum hält ausgerechnet Jörg Meuthen, der ein bürgerlich-konservatives Image pflegt, seine Hand über Höcke? Hat er nicht gerade erst in Stuttgart dafür gesorgt, dass der Abgeordnete Wolfgang Gedeon wegen seiner antisemitischen Schriften die Fraktion verlassen musste? Dazu muss man wissen: Meuthen mag nicht alle politischen Positionen von Höcke teilen, doch sie verbindet der gemeinsame Wille, Parteichefin Frauke Petry kleinzuhalten. Das ist bei Gauland nicht anders. Auch die Landeschefs in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Armin-Paul Hampel und Andre Poggenburg, haben laut Parteikreisen den Rauswurf abgelehnt.

      Höcke-Rede passe nicht zur Partei

      AfD-Vorstandsmitglied Georg Pazderski dagegen begrüßte den Beschluss: „Es war wichtig, dass der Bundesvorstand eine Entscheidung getroffen hat“, sagte der Berliner AfD-Fraktionschef dieser Zeitung. In den letzten Wochen habe es jedoch einige Verwirrung gegeben. „Es gab Reden, die nicht zu unserer Partei passen“, so Pazderski.

      „Wenn man sich Björn Höckes Rede anhört, kann man sie als grundsätzliche Kritik an denjenigen verstehen, die in Parlamenten vernünftige und gute Arbeit leisten.“ Diese Kritik teile er nicht. Die AfD sei keine „Bewegung“, wie sich Höcke das wünsche, sondern eine Partei, die die konservative bürgerliche Mitte erreichen wolle. „Das Spektrum am rechten Rand ist also ganz klar nicht unsere Zielgruppe“, so Pazderski.

      Nürnberger AfD-Frau verbreitet Hitler-Bild

      Das sieht nicht nur Höcke anders. Immer wieder fischen AfD-Politiker am rechten Rand. Jüngstes Beispiel: Die Nürnberger AfD-Bundestagskandidatin Elena Roon hat in einer Chatgruppe der Partei ein Hitler-Bild verbreitet. Über dem Konterfei des NS-Diktators stand: „Vermisst seit 1945“, und darunter: „Adolf, bitte melde Dich! Deutschland braucht Dich! Das Deutsche Volk!“ AfD-Landeschef Petr Bystron bestätigte den Vorfall am Montag.

      Nach dem Vorstandsbeschluss im Fall Höcke muss sich nun das AfD-Landesschiedsgericht in Thüringen mit dem Fall befassen. Laut Parteikreisen ist es unwahrscheinlich, dass die Thüringer den Parteiausschluss gutheißen, sie könnten aber einen Kompromissvorschlag machen – etwa eine Rüge.

      Chancen für Ausschluss scheinen gering

      Sollte der Parteivorstand mit dem Entschluss des Landesschiedsgerichts nicht einverstanden sein, kann er die nächste Instanz anrufen. Doch auch hier stehen die Chancen für einen Rauswurf nicht gut: Im Bundesschiedsgericht sind etliche Anhänger des rechtsnationalen Flügels der AfD vertreten, den Höcke zusammen mit Vorstandsmitglied André Poggenburg gegründet hatte. Sie haben schon mehrere Entscheidungen des Bundesvorstandes gekippt. Etwa die Auflösung des saarländischen Landesverbandes wegen Kontakten in rechtsradikale Kreise und das Verbot von Auftritten von AfD-Politikern bei Pegida-Kundgebungen.

      Das sind die Gesichter der AfD

      Bernd Lucke gründete im Februar 2013 die Alternative für Deutschland. Er wurde ihr erster Vorsitzender und das Gesicht der Partei. Zu Beginn stand vor allem die Kritik am Euro im Mittelpunkt.
      Bernd Lucke gründete im Februar 2013 die Alternative für Deutschland. Er wurde ihr erster Vorsitzender und das Gesicht der Partei. Zu Beginn stand vor allem die Kritik am Euro im Mittelpunkt. © Getty Images | Volker Hartmann
      Das Zerwürfnis: Im Juli 2015 auf dem AfD-Parteitag in Essen kam es zum Bruch zwischen Parteichef Bernd Lucke und der Co-Vorsitzenden Frauke Petry. Lucke verließ danach die Partei und gründete die neue Partei „Alfa“, die inzwischen Liberal-Konservative Reformer (LKR) heißt. Petry führte seitdem die AfD.
      Das Zerwürfnis: Im Juli 2015 auf dem AfD-Parteitag in Essen kam es zum Bruch zwischen Parteichef Bernd Lucke und der Co-Vorsitzenden Frauke Petry. Lucke verließ danach die Partei und gründete die neue Partei „Alfa“, die inzwischen Liberal-Konservative Reformer (LKR) heißt. Petry führte seitdem die AfD. © Getty Images | Volker Hartmann
      Bei dem Streit zwischen Bernd Lucke und Frauke Petry ging es nicht nur um die Macht in der AfD, sondern auch um deren Kurs. Unter Petry verlagerte sich der Schwerpunkt schnell in Richtung Anti-Islam-Partei.
      Bei dem Streit zwischen Bernd Lucke und Frauke Petry ging es nicht nur um die Macht in der AfD, sondern auch um deren Kurs. Unter Petry verlagerte sich der Schwerpunkt schnell in Richtung Anti-Islam-Partei. © Getty Images | Volker Hartmann
      Alexander Gauland, ein ehemaliger Journalist, steht heute für das national-konservative Gesicht der AfD. Er ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Brandenburg.
      Alexander Gauland, ein ehemaliger Journalist, steht heute für das national-konservative Gesicht der AfD. Er ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Brandenburg. © dpa | Ralf Hirschberger
      Thüringens AfD-Chef Björn Höcke gehört zu den absoluten Hardlinern der AfD. Sein Auftritt bei Günther Jauch in der ARD, als er eine Deutschlandfahne aus der Jacke zog, sorgte für reichlich Schlagzeilen.
      Thüringens AfD-Chef Björn Höcke gehört zu den absoluten Hardlinern der AfD. Sein Auftritt bei Günther Jauch in der ARD, als er eine Deutschlandfahne aus der Jacke zog, sorgte für reichlich Schlagzeilen. © dpa | Martin Schutt
      Björn Höcke provozierte mit einer Rede über die „Reproduktionslehre“ in Afrika scharfe Kritik aus den anderen Parteien.
      Björn Höcke provozierte mit einer Rede über die „Reproduktionslehre“ in Afrika scharfe Kritik aus den anderen Parteien. © imago stock&people | Stefan Zeitz
      Beatrix von Storch sorgte mit bizarren Talkshow-Auftritten im Fernsehen und mit ihrer Wortmeldung zum Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze für Aufregung. Die Europa-Abgeordnete der AfD wurde im April 2016 aus der europaskeptischen EKR-Fraktion im EU-Parlament ausgeschlossen.
      Beatrix von Storch sorgte mit bizarren Talkshow-Auftritten im Fernsehen und mit ihrer Wortmeldung zum Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze für Aufregung. Die Europa-Abgeordnete der AfD wurde im April 2016 aus der europaskeptischen EKR-Fraktion im EU-Parlament ausgeschlossen. © imago | Müller Stauffenberg
      Alice Weidel wurde im April 2017 auf dem AfD-Bundesparteitag in Köln mit 67,7 Prozent der Stimmen zur Spitzenkandidatin gewählt.
      Alice Weidel wurde im April 2017 auf dem AfD-Bundesparteitag in Köln mit 67,7 Prozent der Stimmen zur Spitzenkandidatin gewählt. © Getty Images | Sascha Schuermann
      Sie bildete zusammen mit Alexander Gauland das Spitzenduo der Partei für die Bundestagswahl im September 2017.
      Sie bildete zusammen mit Alexander Gauland das Spitzenduo der Partei für die Bundestagswahl im September 2017. © dpa | Rolf Vennenbernd
      Siegerpose nach der Bundestagswahl am 24. September: Alexander Gauland und Alice Weidel auf der Wahlparty ihrer Partei in Berlin.
      Siegerpose nach der Bundestagswahl am 24. September: Alexander Gauland und Alice Weidel auf der Wahlparty ihrer Partei in Berlin. © dpa | Jens Büttner
      Unmittelbar nach der Bundestagswahl gab es einen Paukenschlag: AfD-Vorsitzende Frauke Petry (r.) ...
      Unmittelbar nach der Bundestagswahl gab es einen Paukenschlag: AfD-Vorsitzende Frauke Petry (r.) ... © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
      ... verließ die Pressekonferenz ihrer Partei und kündigte an, nicht der AfD-Fraktion im Bundestag angehören zu wollen. Sie wolle sich als Führungsfigur für einen „konservativen Neuanfang“ positionieren. Nach ihrem Parteiaustritt kündigte Petry an, eine neue Partei zu gründen.
      ... verließ die Pressekonferenz ihrer Partei und kündigte an, nicht der AfD-Fraktion im Bundestag angehören zu wollen. Sie wolle sich als Führungsfigur für einen „konservativen Neuanfang“ positionieren. Nach ihrem Parteiaustritt kündigte Petry an, eine neue Partei zu gründen. © dpa | Michael Kappeler
      Und auch mit Marcus Pretzell verliert die AfD in Nordrhein-Westfalen ihren prominentesten Politiker. Er trat im Oktober 2017 aus der Partei aus.
      Und auch mit Marcus Pretzell verliert die AfD in Nordrhein-Westfalen ihren prominentesten Politiker. Er trat im Oktober 2017 aus der Partei aus. © dpa | Federico Gambarini
      Die AfD hat rund 20.000 Mitglieder. Bei der Bundestagswahl holte die Partei 12,6 Prozent der Stimmen und stellt nun 94 Abgeordnete . Sie bildet damit die drittgrößte Fraktion im Parlament.
      Die AfD hat rund 20.000 Mitglieder. Bei der Bundestagswahl holte die Partei 12,6 Prozent der Stimmen und stellt nun 94 Abgeordnete . Sie bildet damit die drittgrößte Fraktion im Parlament. © Getty Images | Carsten Koall
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