Berlin. Thomas de Maizière verlangt seit zwei Jahren, über Asylanträge vor der Einreise nach Europa zu entscheiden. Nun lenkt die SPD ein.

Der Druck aus Deutschland, im Mittelmeer geborgene Bootsflüchtlinge umgehend zurück nach Nordafrika zu bringen, wird größer: Die SPD im Bundestag unterstützt jetzt ausdrücklich Pläne von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Flüchtlingsauffanglager in Staaten Nordafrikas einzurichten.

Thomas Oppermann, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag.
Thomas Oppermann, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag. © imago/Metodi Popow | imago stock&people

„Um die Schleuserbanden wirksamer zu bekämpfen, müssen wir ihnen die Geschäftsgrundlage entziehen, indem die im Mittelmeer geretteten Flüchtlinge wieder zurückgebracht und zunächst in Nordafrika versorgt und betreut werden“, schreibt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Eine Lösung liege in engerer Zusammenarbeit nicht nur mit dem zerrissenen Libyen, sondern auch mit stabileren Transitländern wie Marokko oder Tunesien.

Auch Italien ist de Maizières Meinung

Solche Pläne verfolgt Innenminister de Maizière bereits seit zwei Jahren: Gemeinsam mit Italien schlägt er vor, auf afrikanischem Gebiet Lager zu errichten, in denen Migranten ihre Asylanträge stellen müssten. Nur wer als schutzbedürftig anerkannt wäre, dürfte dann nach Europa einreisen. Es gebe in der UN-Flüchtlingskonvention einen Anspruch von Schutzsuchenden gegenüber der Völkergemeinschaft, meint der Minister. „Aber es gibt darin keinen Anspruch, hinzugehen, wo man will.“

Die Initiative geht über die Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels von Malta hinaus: In dem Zehn-Punkte-Plan hatten die EU-Regierungschefs am Freitag zwar vage erklärt, die EU wolle sich um „angemessene Aufnahmeeinrichtungen“ für die Flüchtlinge in Libyen bemühen – dass die EU dorthin im Mittelmeer gerettete Menschen zurückbringen soll, wird aber nicht erwähnt. Tatsächlich gibt es bereits Lager in Libyen, in denen Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Staaten festgehalten werden, doch die Zustände gelten als katastrophal.

Aufnahmelager sollen in Tunesien eingerichtet werden

„Die Bedingungen in diesen Zentren sind inakzeptabel und verstoßen gegen Menschenrechtsstandards“, heißt es einem Bericht der EU-Kommission von Ende Januar, der unserer Redaktion. Die Kommission verlangt Zugang etwa für das UN-Flüchtlingshilfswerk und verspricht Hilfen für die Betroffenen – durch Unterstützung bei der Integration in Libyen oder Anreize zur Rückkehr in ihre Heimatländer.

Nun auch noch Auffanglager für Bootsflüchtlinge in dem zerrütteten Libyen einzurichten, wäre besonders heikel. De Maizière denkt aber gar nicht an Libyen, er will eher Aufnahmelager in Tunesien einrichten lassen – zusammen mit der italienischen Regierung lässt der Innenminister bereits bei der Regierung in Tunis sondieren, wie groß die Kooperationsbereitschaft ist. Als denkbar gilt, dass das UN-Flüchtlingshilfswerk ein Pilotprojekt startet.

Grüne und Linke kritisieren SPD-Vorstoß

Schon Ende Januar hatte de Maizière seinen Plan beim EU-Innenministertreffen auf Malta ins Gespräch gebracht, demnächst wollen die Minister darüber ausführlicher beraten. Der Druck ist gewachsen, weil sich die Flüchtlingsströme vom östlichen Mittelmeer auf die Route von Nordafrika nach Italien verlagert haben – 2016 kamen 180.000 Menschen auf diesem Weg, allein in Libyen warten wohl weitere 350.000.

Auch deshalb wohl trägt die SPD nun de Maizières Pläne mit. Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth begrüßte den Schwenk, forderte aber auch, Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) müsse der Ankündigung jetzt Taten folgen lassen. „Wir brauchen dringend eine gemeinsame europäische Initiative“, erklärte der CDU-Politiker. Grüne und Linke kritisierten den Vorstoß Oppermanns dagegen als inhuman und skrupellos, auch die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl protestierte. Der Vorschlag verstoße ohnehin gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, warnten die Grünen.

Oppermann fordert legale Einreise-Wege

Allerdings: Oppermann forderte im Gegenzug auch legale Zugänge für Migranten. „Wir können uns nicht einfach abschotten“, warnte er. „Wer illegale Migration bekämpfen will, muss legale Wege der Einreise schaffen – über verabredete Kontingente innerhalb eines geordneten Resettlement-Verfahrens.“ Diese legalen Migranten sollten dann auf alle EU-Länder verteilt werden.

Doch da spielt die Union nicht mit, wie Fraktionsvize Harbarth klarstellte: Illegale Migration mit legaler Migration bekämpfen zu wollen, sei ein „Holzweg“. Neue Zuwanderungsmöglichkeiten würden „ganz gewiss“ nicht gebraucht.