Vancouver. Bei einem Attentat auf eine Moschee in Kanada sterben mindestens sechs Menschen. Das Land trifft der Anschlag im Selbstverständnis.

Der Bewaffnete kam kurz vor dem Ende des Abendgebets: Bei einem Terroranschlag auf eine Moschee sind am Sonntag in der kanadischen Stadt Québec laut Polizei sechs Menschen erschossen und mehrere zum Teil schwer verletzt worden. Premierminister Justin Trudeau sprach in einer ersten Reaktion von einer „terroristischen Attacke auf Muslime“.

Nach Angaben der Polizei wurden nach der Tat zwei Männer verhört, einer sei in der Nähe der Moschee verhaftet worden, ein weiterer habe später Kontakt zu den Behörden aufgenommen. Einer werde als Verdächtiger eingestuft, der andere als Zeuge.

Täter soll Fan von Marine Le Pen sein

Der mutmaßliche Attentäter von Québec, der in einer Moschee sechs Menschen erschossen und 19 weitere verletzt haben soll, muss sich wegen sechsfachen Mordes und fünffachen versuchten Mordes vor Gericht verantworten. Die Polizei kündigte diese Anklage in elf Punkten am Montag in der kanadischen Provinzhauptstadt an und identifizierte den mutmaßlichen Täter als den 27-jährigen Alexandre Bissonnette. Ein zweiter Verdächtiger wurde wieder freigelassen. Die Behörden gehen davon aus, dass es sich um einen Einzeltäter handelt, der Fan der französischen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen sein soll.

Laut Augenzeugen war der Täter gegen 20 Uhr in die Moschee im Québecer Vorort Ste-Foy eingedrungen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich Dutzende Personen in dem Gotteshaus befunden, die meisten davon Männer. Im Obergeschoss hatten sich auch Frauen und Kinder aufgehalten. Von den Anwesenden konnten laut Polizei 39 Personen unverwundet fliehen. Mehrere wurden verletzt, fünf von ihnen seien in kritischem Zustand. Die sechs Toten seien allesamt Männer zwischen 35 und 60 Jahren.

Anschlag trifft Kanada während Einwanderungsdiskussion

Der Anschlag trifft Kanada hart. Er ereignete sich nur einen Tag, nachdem Premierminister Trudeau demonstrativ betont hatte, Flüchtlinge aus aller Welt seien in seinem Land willkommen. Das Statement war von vielen als indirekte Kritik an der restriktiven Visapolitik von US-Präsident Donald Trump gewertet worden. Trump hatte das Flüchtlingsprogramm der USA am Freitag per Dekret auf Eis gelegt und Angehörige von sieben überwiegend muslimischen Ländern vorübergehend die Einreise in die USA untersagt.

Kanada dagegen vertritt weiter eine Politik der offenen Türen und hat bislang etwa 40.000 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Die Integrations- und Einwanderungspolitik des Landes gilt international als vorbildhaft. Zugleich sind die Waffengesetze in Kanada ungleich schärfer als in den USA. Nicht zuletzt deswegen kommt es in Kanada seltener zu Massenschießereien oder gar folgenschweren Anschlägen.

Moschee war bereits Ziel von Gewalt

Dennoch war auch Kanada in den vergangenen Jahren nicht vor fremdenfeindlichen oder islamistischen Vorfällen gefeit. Besonders in der Provinz Québec kommt es immer wieder zu Problemen. 2016 war vor der selben Moschee, in der es jetzt zur Schießerei kam, ein Schweinskopf gefunden worden mit der Aufschrift „Guten Appetit“. 2013 wurde ein muslimisches Gotteshaus in der Provinz Saguenay mit Schweineblut beschmiert. In der Nachbarprovinz Ontario wurde 2015 eine Moschee in Brand gesteckt.

Umgekehrt waren muslimische Kanadier auch an Attentaten im eigenen Land beteiligt, etwa 2014, als binnen weniger Tage zwei Einzeltäter in Ottawa und Québec drei Soldaten erschossen. Kanadas Geheimdienst CSIS berichtet, dass mindestens 130 Staatsbürger ins Ausland gereist waren, um sich in Terrorcamps ausbilden zu lassen und Anschläge zu verüben. Ähnlich wie Frankreich verzeichnete besonders Québec einen starken Zuzug von muslimischen Einwanderern, die meisten davon aus Nordafrika. In der Provinz ging das nicht immer ohne Reibungen vonstatten. So verbannte die ehemalige separatistische Regierung Québecs den muslimischen Gesichtsschleier Niqab aus Teilen des öffentlichen Lebens. (mit dpa)