Berlin. Mit seiner Kandidatur fürs Kanzleramt hat Martin Schulz in der SPD Aufbruchstimmung entfacht. Sein größtes Kapital ist seine Biografie.

Das muss erst mal jemand dem frisch gekürten SPD-Kanzlerkandidaten nachmachen: Binnen weniger Tage hat Martin Schulz die Sozialdemokraten aus ihrer schwermütigen Verzagtheit wach gerüttelt und regelrecht in Euphorie versetzt. Die Aufbruchstimmung der Genossen ist echt, die Depression ist wie weggeblasen. Die Umfragen zeigen nach oben.

Bei seiner ersten programmatischen Rede hat Schulz seine Anhänger nicht enttäuscht: Er wird einen klassisch sozialdemokratischen Wahlkampf machen, in dem Gerechtigkeit und Zusammenhalt im Vordergrund stehen. Viel wichtiger: Der Merkel-Herausforderer wird dies mit einer großen sozialdemokratischen Erzählung zu seiner Person verbinden.

SPD-Parteivorstand benennt Schulz als Kanzlerkandidaten

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    Ein inhaltlicher Neuanfang ist es nicht

    Schulz ist demnach der Kandidat, der weiß, wie es ganz unten aussieht, dem auch die Alltagssorgen und Hoffnungen ganz normaler Bürger vertraut sind. Er macht geschickt seine durchwachsene Biografie zu einer Stärke. Schulz wirkt authentisch, das ist sein größtes Kapital.

    Schulz steht zwar als Person für den beschworenen Neuanfang, inhaltlich aber bleibt wohl fast alles beim Alten. Das Wahlprogramm ist längst fertig. Die Erwartung, er werde sich jetzt rasch von der großen Koalition absetzen, hat Schulz klugerweise nicht erfüllt – das brächte die SPD jetzt in einen gefährlichen Zwiespalt.

    „Mister Europa“ Martin Schulz in Fotos

    Er steht für das Projekt Europa, nun zieht es ihn nach Berlin. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) kandidiert für den Bundestag. Das Foto zeigt Schulz an einem seiner größten Tage – mit der Medaille des Friedensnobelpreises, die 2012 die Europäische Union als Institution erhielt.
    Er steht für das Projekt Europa, nun zieht es ihn nach Berlin. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) kandidiert für den Bundestag. Das Foto zeigt Schulz an einem seiner größten Tage – mit der Medaille des Friedensnobelpreises, die 2012 die Europäische Union als Institution erhielt. © REUTERS | REUTERS / NTB SCANPIX
    Europa ist für den Mann aus Aachen, der nahe der Grenze zu den Niederlanden aufwuchs, ein Herzensanliegen.
    Europa ist für den Mann aus Aachen, der nahe der Grenze zu den Niederlanden aufwuchs, ein Herzensanliegen. © dpa | Stephanie Lecocq
    Zusammen mit dem EU-Kommissionpräsidenten Jean-Claude Juncker (re.) bildete Martin Schulz jahrelang das Führungsduo der EU.
    Zusammen mit dem EU-Kommissionpräsidenten Jean-Claude Juncker (re.) bildete Martin Schulz jahrelang das Führungsduo der EU. © dpa | Axel Heimken
    SPD-Mitglied Schulz wechselt nun in die Bundespolitik – doch welche Ämter er in Berlin anstrebt, ist noch offen.
    SPD-Mitglied Schulz wechselt nun in die Bundespolitik – doch welche Ämter er in Berlin anstrebt, ist noch offen. © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
    Es wurde spekuliert, Schulz solle als Kanzlerkandidat der SPD für die Wahl 2017 in Stellung gebracht werden.
    Es wurde spekuliert, Schulz solle als Kanzlerkandidat der SPD für die Wahl 2017 in Stellung gebracht werden. © REUTERS | REUTERS / THOMAS PETER
    In der Flüchtlingspolitik engagierte sich Schulz besonders. Das Foto zeigt ihn im November 2015 in Athen beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft.
    In der Flüchtlingspolitik engagierte sich Schulz besonders. Das Foto zeigt ihn im November 2015 in Athen beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft. © imago | ZUMA Press
    2016 erhielt Martin Schulz bei der Publishers Night in Berlin die „Goldene Victoria“.
    2016 erhielt Martin Schulz bei der Publishers Night in Berlin die „Goldene Victoria“. © imago | Agentur Baganz
    Im September 2015 empfing Martin Schulz als EU-Parlamentspräsident den Dalai Lama in Straßburg.
    Im September 2015 empfing Martin Schulz als EU-Parlamentspräsident den Dalai Lama in Straßburg. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
    Papst Franziskus kam im November 2014 für eine Rede vor dem EU-Parlament nach Straßburg – natürlich begrüßt von Hausherr Martin Schulz.
    Papst Franziskus kam im November 2014 für eine Rede vor dem EU-Parlament nach Straßburg – natürlich begrüßt von Hausherr Martin Schulz. © REUTERS | REUTERS / POOL
    2013 überreichte Martin Schulz der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai den Sacharow-Preis des EU-Parlaments.
    2013 überreichte Martin Schulz der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai den Sacharow-Preis des EU-Parlaments. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
    Die Nummer eins will Martin Schulz demnächst in NRW sein – jedenfalls auf der Landesliste für die Bundestagswahl 2017.
    Die Nummer eins will Martin Schulz demnächst in NRW sein – jedenfalls auf der Landesliste für die Bundestagswahl 2017. © dpa | Michael Kappeler
    Der Brexit der Briten war ein harter Schlag für Schulz. Das Foto zeigt ihn im September 2016 bei einem Treffen mit der neuen britischen Premierministerin Theresa May in London.
    Der Brexit der Briten war ein harter Schlag für Schulz. Das Foto zeigt ihn im September 2016 bei einem Treffen mit der neuen britischen Premierministerin Theresa May in London. © REUTERS | REUTERS / STEFAN WERMUTH
    Die drei von der SPD: Parteichef Sigmar Gabriel, Noch-Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Martin Schulz – wird Schulz Nachfolger von einem der beiden?
    Die drei von der SPD: Parteichef Sigmar Gabriel, Noch-Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Martin Schulz – wird Schulz Nachfolger von einem der beiden? © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
    Das „Projekt Europa“ will Schulz künftig von Berlin aus begleiten, kündigte er in Brüssel an.
    Das „Projekt Europa“ will Schulz künftig von Berlin aus begleiten, kündigte er in Brüssel an. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
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    Bisher noch keine Wechselstimmung

    Überraschender ist schon, dass auch jeder Angriff auf die Kanzlerin ausblieb. Stattdessen hat Schulz klargemacht, dass er bei der Flüchtlingspolitik, Merkels großer Schwachstelle im Wahlkampf, fest an ihrer Seite steht. Das dürfte die Kanzlerin beruhigen.

    Sie weiß: Unterschätzen darf sie den SPD-Kandidaten nicht. Aber eine Wechselstimmung, die Schulz bräuchte, um Merkel aus dem Kanzleramt zu drängen, gibt es bislang nicht. Noch spricht mehr dafür, dass der sogenannte Neuanfang der SPD mit Schulz ganz anders endet: In einer erneuten großen Koalition unter Merkels Führung.