Martin Schulz ist für die SPD ein kraftvoller Neuanfang
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Von Christian Kerl
Berlin. Mit seiner Kandidatur fürs Kanzleramt hat Martin Schulz in der SPD Aufbruchstimmung entfacht. Sein größtes Kapital ist seine Biografie.
Das muss erst mal jemand dem frisch gekürten SPD-Kanzlerkandidaten nachmachen: Binnen weniger Tage hat Martin Schulz die Sozialdemokraten aus ihrer schwermütigen Verzagtheit wach gerüttelt und regelrecht in Euphorie versetzt. Die Aufbruchstimmung der Genossen ist echt, die Depression ist wie weggeblasen. Die Umfragen zeigen nach oben.
Bei seiner ersten programmatischen Rede hat Schulz seine Anhänger nicht enttäuscht: Er wird einen klassisch sozialdemokratischen Wahlkampf machen, in dem Gerechtigkeit und Zusammenhalt im Vordergrund stehen. Viel wichtiger: Der Merkel-Herausforderer wird dies mit einer großen sozialdemokratischen Erzählung zu seiner Person verbinden.
Ein inhaltlicher Neuanfang ist es nicht
Schulz ist demnach der Kandidat, der weiß, wie es ganz unten aussieht, dem auch die Alltagssorgen und Hoffnungen ganz normaler Bürger vertraut sind. Er macht geschickt seine durchwachsene Biografie zu einer Stärke. Schulz wirkt authentisch, das ist sein größtes Kapital.
Schulz steht zwar als Person für den beschworenen Neuanfang, inhaltlich aber bleibt wohl fast alles beim Alten. Das Wahlprogramm ist längst fertig. Die Erwartung, er werde sich jetzt rasch von der großen Koalition absetzen, hat Schulz klugerweise nicht erfüllt – das brächte die SPD jetzt in einen gefährlichen Zwiespalt.
„Mister Europa“ Martin Schulz in Fotos
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Bisher noch keine Wechselstimmung
Überraschender ist schon, dass auch jeder Angriff auf die Kanzlerin ausblieb. Stattdessen hat Schulz klargemacht, dass er bei der Flüchtlingspolitik, Merkels großer Schwachstelle im Wahlkampf, fest an ihrer Seite steht. Das dürfte die Kanzlerin beruhigen.
Sie weiß: Unterschätzen darf sie den SPD-Kandidaten nicht. Aber eine Wechselstimmung, die Schulz bräuchte, um Merkel aus dem Kanzleramt zu drängen, gibt es bislang nicht. Noch spricht mehr dafür, dass der sogenannte Neuanfang der SPD mit Schulz ganz anders endet: In einer erneuten großen Koalition unter Merkels Führung.