Washington. US-Präsident Trump hat Einreisebeschränkungen verfügt, um „islamische Terroristen“ aus dem Land fernzuhalten. Kritiker sehen Rassismus.

Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Flüchtlingen vorwiegend muslimischen Glaubens die Einreise nach Amerika bis mindestens Juni dieses Jahres generell zu untersagen, hat im In- und Ausland Proteststürme ausgelöst.

Erste Fälle von frisch in den USA eingetroffenen Flüchtlingen, die trotz gültiger Visa gestern direkt an Flughäfen verhaftet wurden, sorgten für Schlagzeilen. Anwälte verlangten die sofortige Freilassung.

Menschenrechtsgruppen wollen klagen

Ob das Thema im ersten offiziellen Telefon-Gespräch zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Trump gestern Mittag zur Sprache kam, war zunächst unklar. Trump hatte die Flüchtlingspolitik Merkels scharf kritisiert.

Menschenrechtsgruppen kündigten Gerichtsklagen an. Salil Shetty, Generalsekretär von Amnesty International: „Trump setzt seine hasserfüllte Rhetorik in die Tat um.“ Der demokratische Senator Chuck Schumer sagte, dass Trump das Wesensprinzip des Einwanderungslandes Amerika verletzt. „Tränen rollen heute an der Wange der Freiheitsstatue herunter.“

Trumps Erlass zeigt Wirkung

Mehrere hundert Wissenschaftler, darunter zwölf Nobelpreisträger, und 1700 jüdische Rabbiner warnten in Petitionen vor Abschottung. Facebook-Chef Mark Zuckerberg rief dazu auf, für Schutzsuchende die „Türen offen zu lassen“. Der Internet-Riese Google rief Mitarbeiter aus dem Ausland zurück. Dort sind 100 Angestellte aus muslimischen Ländern betroffen.

In Europa weigerten sich erste Fluggesellschaften, Passagiere Richtung USA an Bord zu lassen, die unter Trumps Bann fallen. Von den Einschränkungen sind auch Inhaber von Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen (Green Card) betroffen, die aus bestimmten muslimisch dominierten Ländern stammen.

Experten sehen Risiko für Sicherheit

Anti-Terror-Experten erkennen in dem Verbot, das Trump am Freitag ohne ein Wort der Erinnerung an das Schicksal der Juden am Holocaust-Gedenktag in Kraft gesetzt hat, eine Gefährdung der nationalen Sicherheit.

Wer Flüchtlinge abweist, nähre die „Erzählung“ von Terror-Netzwerken wie dem Islamischen Staat (IS), wonach sich die USA im Krieg mit der muslimischen Welt befänden, erklärte der ehemalige Leiter des Terrorabwehrzentrums, Matthew Olsen, in Washington.

„Wir wollen nur noch Leute reinlassen, die unser Land unterstützen“

Trump argumentiert 180 Grad in die Gegenrichtung. Um zu verhindern, dass „radikale islamische Terroristen“, getarnt als Bürgerkriegsflüchtlinge ins Land kommen, müsse das bisherige Überprüfungssystem („vetting“) extrem verschärft werden. „Wir wollen nur noch Leute reinlassen, die unser Land unterstützen und unsere Menschen ehrlich lieben“, sagte Trump.

Die Aufgabe übertrug er dem neuen Heimatschutzminister John Kelly und Geheimdienstdirektor Dan Coats. In 120 Tagen sollen sie ihr Konzept vorlegen, inklusive einer öffentlich einsehbaren Datenbank mit den Namen potenzieller Gefährder.

Verfolgte Christen sind ausgenommen

Bis dahin nehmen die USA für 120 Tage keinen einzigen Flüchtling auf. Für Menschen aus Syrien wird der Stopp sogar unbefristet gelten. Ausgenommen sind Christen, die in muslimischen Ländern wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Juristen sehen darin einen Verstoß gegen die Verfassung. Dort ist die Benachteiligung einzelner Religionsgemeinschaften untersagt.

Mittelfristig soll das jährliche Flüchtlings-Kontingent von 110.000 auf 50.000 reduziert werden. Zum Vergleich: Im abgelaufenen Haushaltsjahr nahm Amerika 85.000 Flüchtlinge auf, darunter rund 12.500 aus Syrien.

Keine Beweise

Der republikanische Abgeordnete Bob Goodlatte, Chef des Rechtsausschusses, verteidigte Trump. Danach habe der Islamische Staat damit gedroht, dezidiert das US-Einwanderungssystem zu nutzen, um potenzielle Attentäter ins Land zu schmuggeln. Ein verschärftes Screening sei daher unverzichtbar.

„Cair“, der Rat für amerikanisch-islamische Beziehungen, kündigte Klage vor einem Bundesgericht an. „Es gibt keine Belege dafür, dass Flüchtlinge eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen“, so Cair-Anwältin Lena Masri. Flüchtlinge gehörten zu den „am striktesten überprüften Menschen, die in unser Land kommen“.

Massenmorde durch amerikanische Staatsbürger

Im kalifornischen San Bernardino hatte im Dezember 2015 ein von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat inspiriertes Ehepaar mit muslimischen Wurzeln 14 Menschen getötet. Im Juni 2016 erschoss der Muslim Omar Mateen in einem Nachtclub in Orlando 49 Menschen. Auf beide Taten bezog sich Trump im Wahlkampf ausdrücklich, obwohl die Täter keine Flüchtlinge waren - sondern amerikanische Staatsbürger.

Bei der Auswahl der Staaten, in denen Terror-Gefahren für die USA vermutet werden, geht Trump selektiv vor. So bleibt Staatsbürgern aus Syrien, Libyen, Somalia, Jemen, Sudan, Irak und Iran bis auf weiteres versagt, mit einem Visum in die Vereinigten Staaten zu kommen. In fünf dieser Länder sind die USA in militärische Auseinandersetzungen verwickelt.

Als Reaktion auf den Einreisestopp hat der Iran entschieden, keine US-Bürger mehr ins Land zu lassen.

Einige Staaten von Regelung ausgenommen

Länder mit einem ebenfalls starken muslimischen Bevölkerungsanteil wie Pakistan, Indonesien, Afghanistan oder die Herkunftsstaaten der Attentäter der Anschläge von „9/11“ – Saudi-Arabien, Libanon, Ägypten und Vereinigte Arabische Emirate – sind von der Regelung ausgenommen.

Eine Begründung dafür nannte Trump, der im Wahlkampf noch ein generelles Einreiseverbot für alle Muslime gefordert hatte, nicht. Beobachter in Washington gehen von wirtschaftlichen Interessen aus. „In Riad oder Kairo wäre die Hölle los, wenn Washington auch für die Menschen dort die Tore hochklappen würde.“

UN kritisieren Trump

Die Vereinten Nationen, dort gesondert das Flüchtlingswerks UNHCR, forderten Trump auf, die Entscheidung zu überdenken. Amerika als sicherer Hafen für Flüchtlinge sei unersetzbar. Seit 1980 haben die Vereinigten Staaten nach Zahlen des Forschungsinstituts Pew über 2,5 Millionen Menschen aufgenommen.