Washington. Donald Trump hat wie angekündigt ein Dekret zum Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze erlassen. Das heißt aber noch nicht viel.

Sie soll nach seinen Worten nicht weniger als „Tausende Leben retten, Millionen Jobs schaffen und Milliarden an Steuergeldern sparen“. Sie - das ist die bis zu 16 Meter hohe Mauer an der Grenze zu Mexiko, für deren Bau US-Präsident Donald Trump gestern mit Hilfe einer Sonder-Anordnung offiziell den Startschuss gegeben hat.

Sein zentrales Wahlkampfversprechen, so Trump beim Antrittsbesuch im Heimatschutzministerium (DHS), werde dazu führen, dass der „beispiellose Zustrom“ von Illegalen eingedämmt und Drogen- und Waffen-Transporte unterbunden werden. „Ein Staat ohne Grenzen ist kein Staat“, sagte Trump unter Beifall von Dutzenden DHS-Mitarbeitern. Er werde sicherstellen, dass die Vereinigten Staaten sich die Kontrolle über die Grenzen zurückholten.

Nach Angaben der Vorgänger-Regierung verzerrt Trump die Realität. Illegale Grenzübertritte seien zurückgegangen, sagte vor kurzem der ehemalige Minister Johnson. Außerdem seien bereits 1000 von rund 3200 Kilometern Grenze durch meterhohe Metallzäune geschützt.

Heimatschutzminister zweifelt an Sinn

Trump stellt sich damit indirekt gegen den von ihm ausgesuchten neuen Heimatschutzminister John Kelly. Der ehemalige General, ein Experte in Sachen Grenzsicherung, hatte bei seiner Senats-Anhörung vor wenigen Tagen Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines Grenzwalls durchblicken lassen.

Auf Nachfragen erklärte Kelly, er gehe nicht davon aus, dass das Projekt in naher Zukunft tatsächlich gestemmt wird. Mögliche Gründe: Trump hat de facto keine Autorität, die finanziellen Grundlagen für das auf zwischen 14 Milliarden und 25 Milliarden Dollar geschätzte Infrastruktur-Projekt zu legen. . Nicht bestätigte Kalkulationen gehen sogar von 50 Milliarden Dollar aus.

Geld für Mauerbau müsste Kongress freigeben

Haushaltsmittel dafür kann nur der Kongress freigeben. Die dort in beiden Kammern tonangebenden Republikaner haben mit Blick auf die bereits vorhandene Staatsverschuldung von etwa 20 Billionen Dollar strikte Ausgaben-Disziplin propagiert.

Trumps präsidiales Dekret am Mittwoch, so Experten im Kongress, hatte „die Substanz einer starken politischen Willensbildung des Präsidenten, bereits vorhandene Haushaltsmittel im Budget für den Start des Mauerbaus umzuwidmen“. Bisher stehen bereits auf einem Drittel des Grenzverlaufs Barrieren. Diese haben 2,5 Milliarden gekostet. Sie wurden dort errichtet, wo es bautechnisch leichter ist.

Das ist ein weiteres Problem: Weite Strecken der 3200 Kilometer langen Grenze zwischen den USA und Mexiko sind topographisch unwegsam (Wüste, der Fluss Rio Grande etc.), und das Land ist vielerorts in Privatbesitz. Langwierige Rechtsstreitigkeiten um Aufkauf oder Enteignungen könnten das Projekt verschleppen und noch teurer machen, hieß es im vergangenen Jahr im Innenministerium.

Mexiko schließt aus, Kosten für Mauer zu tragen

Auch Trumps oft wiederholtes Versprechen, das letztlich Mexiko die Kosten für den Grenzwall tragen werde (etwa über kompensatorische Zölle oder Steuerauflagen), stehen unter ungünstigen Vorzeichen.

Der Ende Januar zum Besuch in Washington erwartete Staatspräsident Enrique Peña Nieto hatte dies komplett ausgeschlossen. Die von ihm gestern in die US-Hauptstadt entsandten Minister für Auswärtiges (Luis Videgaray) und Wirtschaft (Ildefonso Guajardo) zogen sogar vor ihrem Abflug eine rote Linie. Falls der Mauerbau Thema werden sollte, so Guajardo, sei ein Abbruch der Gespräche nicht ausgeschlossen. „Alles, was die wirtschaftlichen und sozialen Interessen Mexikos verletzt, ist nicht hinnehmbar“, ergänzte Videgaray, dem enge Kontakte zu Trumps Schwiegersohn und Chef-Berater Jared Kushner nachgesagt werden.

Trump hat „Zufluchtsstädten“ den Kampf angesagt

Um kurzfristig ein Zeichen zu setzen, will Trump zudem die Grenzkontroll-Behörde um zusätzlich 5000 Stellen aufstocken. Außerdem soll, wie im Wahlkampf angedroht, den sogenannten „sanctuary cities“ auf die Füße treten werden.

Das sind inzwischen knapp 300 Landkreise und 40 Städte in ganz Amerika, die sich illegalen Einwanderern als Orte der Zuflucht anbieten. Konkret: Ohne richterliche Anordnung darf dort die Polizei niemand nach dem Aufenthaltsstatus fragen. Abschiebungen, vor allem, wenn sie auf geringfügige Vergehen zurückgehen, werden nicht ausgeführt. Etliche Städte umgehen Bundesgesetze und stellen Illegalen sogar kommunale Ausweisdokumente aus.

Vorreiter der Ende der 70er Jahre entstandenen Bewegung ist Kalifornien, wo Millionen Illegale (vor allem aus Latein-Amerika) seit Jahrzehnten leben, oft geregelter Arbeit nachgehen und Steuern zahlen. Die Schutzpolitik wird dort von den meisten lokalen Polizeibehörden bis hin zum demokratischen Gouverneur Jerry Brown getragen.

Trump hat angedroht, besagten Städten radikal Bundesmittel zu kürzen, um sie zur Räson zu bringen. Um sein Anliegen zu untermauern, wollte Trump noch in dieser Woche mit Angehörigen von Mordopfern zusammentreffen, die auf das Konto von illegalen Einwanderern gehen.

Befristeter Schutz für junge Migranten bleibt vorerst erhalten

Keine Priorität beim Thema Abschiebung von Illegalen hat dagegen die Klientel der rund 730.000 Einwanderer, die ohne gültige Papier als Kinder in die USA kamen und zurzeit noch von einem Obama-Erlass vor Ausweisung geschützt sind.

Die sogenannte „Daca“-Gruppe, sagte Trumps Sprecher Sean Spicer, sei zurzeit kein vordringliches Anliegen. Dahinter steht auch ein Versprechen von Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses. Der prominente Republikaner hatte angekündigt, dass sich die neue Regierung auf die Abschiebung krimineller Migranten konzentrieren werde. Der befristete Schutzstatus für junge Migranten bleibe vorläufig erhalten.

Trump befürwortet Aufnahmestopp für Flüchtlinge

Auch beim Thema Flüchtlinge/Innere Sicherheit begann Trump mit Hilfe von Sonderanordnungen erste Wahlversprechen umsetzen. So soll die Zahl der Bürgerkriegs-Flüchtlinge in diesem Jahr von etwas über 100.000 (unter Obama) auf die Hälfte reduziert werden.

Am stärksten betroffen werden Syrer sein. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben bisher knapp fünf Millionen Syrer ihr Land verlassen. Weniger als 20.000 davon sind nach teilweise bis zu zwei Jahre andauernden Sicherheitsüberprüfungen in die USA gelangt. Trump befürwortet für die kommenden 120 Tage einen generellen Aufnahmestopp für Flüchtlinge. Ausgenommen sind offenbar Christen, die sich in muslimischen Ländern religiös verfolgt fühlen.

Um die mögliche Gefahr von Terror-Anschlägen zu senken, will Trump darüber hinaus die Visa-Vergabe für Bürger aus Ländern wie Iran, Irak, Libyen, Somalia, Sudan, Yemen und Syrien erschweren oder sogar für eine bestimmte Zeit (die Rede ist vorläufig von 30 Tagen) aussetzen. Laut „Washington Post“ soll insbesondere Migranten, die mit sogenannten Ehrenmorden oder Gewalt gegen Frauen in Verbindung gebracht werden können, die Einreise in die USA verwehrt bleiben.

Klagen gegen Regelverschärfungen angekündigt

Parallel dazu will Trump das Pentagon und das Außenministerium anweisen, innerhalb Syriens „Sicherheitszonen“ einzurichten, wo Flüchtlinge vorübergehend leben können. Die Vorgänger-Regierung hatte diese Maßnahme aufgrund des enormen Sicherheitsaufwands als „undurchführbar“ bezeichnet.

Diverse Menschenrechtsgruppen, Lobby-Vertretungen für Einwanderer und Flüchtlinge, die Demokraten sowie die katholische Kirche haben Protest und eine Klagewelle gegen die Verschärfungen angekündigt.