Berlin. Der Parteivorstand der AfD plant „parteiliche Ordnungsmaßnahmen“ für Björn Höcke. Er verzichtet auf ein Parteiausschlussverfahren.

Björn Höcke ist mit einem blauen Auge davongekommen: Gegen den AfD-Rechtsaußen soll vorerst kein Parteiausschlussverfahren eröffnet werden. In einer dreistündigen Telefonkonferenz einigte sich der Bundesvorstand der Partei am Montag stattdessen auf „Ordnungsmaßnahmen“ für den Thüringer AfD-Chef. Der Vorschlag soll von Vorstandsmitglied ­Albrecht Glaser gekommen sein.

In einem knappen Statement gaben die 13 Mitglieder des Vorstands am Montag zu Protokoll, dass Höckes Äußerungen in seiner Rede in Dresden am vergangenen Dienstag „dem Ansehen der Partei geschadet haben“. Man halte daher die Einleitung von parteilichen Ordnungsmaßnahmen für erforderlich. Weiter heißt es, der Vorstand der Partei prüfe „alle rechtlichen und politischen Gesichtspunkte, die dabei zu bedenken sind“.

Mildeste Form der Rüge

Wie genau Höcke nun zur Ordnung gerufen werden soll, bleibt unklar. Jörg Meuthen, Co-Vorsitzender der AfD im Bund, sagte der „Thüringer Allgemeinen“: „Bei den Ordnungsmaßnahmen gibt es das volle Spektrum zwischen einer Abmahnung und einem Parteiausschluss.“ Noch sei nicht entschieden, dass es kein Parteiausschlussverfahren gebe. Er lehne den Plan, ein Parteiausschlussverfahren einzuleiten, aber ab, so Meuthen.

„Äußerstenfalls“ wolle er eine Abmahnung mittragen – das wäre die mildeste Form der Rüge. Meuthen ist gemeinsam mit Alexander Gauland, Chef der AfD Brandenburg, und dem Landesvorsitzenden der AfD Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, eines von drei Vorstandsmitgliedern, die Ordnungsmaßnahmen gegen Höcke ablehnen. Höcke selbst sagte in einer Stellungnahme am Montag, er begrüße den Beschluss, bedauere aber, dass dies keine endgültige Entscheidung sei.

Keine endgültige Entscheidung

Er hoffe sehr, „dass die AfD von solchen Machtkämpfen nicht aufgerieben wird und sich ihren Meinungspluralismus bewahren kann, der sie in kurzer Zeit so stark gemacht hat“. Anlass für die Debatte über einen möglichen Parteiausschluss Höckes war eine Rede, die er am vergangenen Dienstag gehalten hatte. Darin sagte der Geschichtslehrer, dessen Beamtenverhältnis mit dem Land Hessen wegen seiner politischen Tätigkeit ruht, Deutschland brauche eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“.

Das Holocaust-Mahnmal in Berlin nannte er ein „Denkmal der Schande“. Bei einem Gespräch des Vorstands am vergangenen Freitag hatten noch acht von elf anwesenden Mitgliedern für einen Ausschluss Höckes gestimmt, darunter die Co-Vorsitzende Frauke Petry. Meuthen soll bereits in diesem Gespräch gegen einen Ausschluss Höckes votiert haben. „Wir wollen als AfD eine Volkspartei sein“, so André Poggenburg.

Ideologie von Rechtsextremisten

„Dazu gehört es auch, Außen- und Randpositionen zu haben und diese auch aushalten zu können.“ Insofern gehöre Björn Höcke definitiv als Mitglied zur AfD. Der Zentralrat der Juden, der Höckes Rede als „zutiefst empörend und völlig inakzeptabel“ kritisiert hatte, zeigte sich nicht überrascht. „Die Entscheidung, einen Mann in den eigenen Reihen zu lassen, der die Ideologie von Rechtsextremisten vertritt und verbreitet, spricht für sich“, sagte Präsident Josef Schuster.

„Auch in Stuttgart konnte sich die Landtagsfraktion im vergangenen Jahr nicht durchringen, den Holocaust-Leugner Wolfgang Gedeon aus der Fraktion auszuschließen.“ Die Rede vor der Nachwuchsorganisation der AfD, der Jungen Alternative, ist nicht die erste Gelegenheit, bei der Höcke den äußeren rechten Rand des politischen Spektrums bediente. Bereits im Mai 2015 versuchte Parteigründer Bernd Lucke, den Thüringer Landeschef loszuwerden.

Empörung außerhalb der AfD

Damals ging es um die NPD. Höcke hatte gesagt, er gehe nicht davon aus, dass alle Mitglieder der Partei als extremistisch einzustufen seien. Wenige Monate später sorgte er erneut für Kritik innerhalb und für Empörung außerhalb der AfD. In einer Rede auf einer Tagung des neurechten „Instituts für Staatspolitik“ sprach er davon, dass Europäer und Afrikaner „unterschiedliche Reproduktionsstrategien“ verfolgen würden. Die Amadeu-Antonio-Stiftung warf ihm daraufhin „blanken Rassismus“ vor.

Skandale gehören in der AfD unterdessen zum Kalkül: In einem im Dezember beschlossenen Strategiepapier, das dem SWR vorliegt, heißt es, die Partei müsse „ganz bewusst und ganz gezielt immer wieder politisch inkorrekt sein“ und auch „vor klaren Provokationen nicht zurückschrecken“.

Politische Heimat für Neonazis

Je mehr andere Parteien auf diese Provokationen reagierten, desto besser sei dies für die AfD. „Niemand“, so heißt es in dem Papier weiter, „gibt der AfD mehr Glaubwürdigkeit als ihre politischen Gegner.“ Höckes Rede in Dresden hatte unter Politikern anderer Parteien Empörung ausgelöst.

Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte, die AfD habe es offenbar darauf abgesehen, zur neuen politischen Heimat für Neonazis zu werden. Volker Kauder, Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, sagte, die AfD sei eben keine bürgerliche Partei – „sie ist auch ein Sammelbecken für braunes Gedankengut“.

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