Koblenz. Am „Deutschen Eck“ in Koblenz beschwören Petry, Le Pen und Co. das Ende Europas. 5000 Menschen protestieren gegen die Rechtspopulisten.

Unter lautem Applaus und gefolgt von Fahnenträgern mit Nationalflaggen kommen sie in die Rhein-Mosel-Halle in Koblenz. Sie durchschreiten den Gang zur Bühne, violette Scheinwerfer durchschneiden das Halbdunkel des Saals, aus den Boxen dröhnt Musik von Vangelis, dem griechischen Großmeister elektronischer Musik.

Einen Tag nach der Amtseinführung von Donald Trump veranstalten Europas Rechte ein Schaulaufen am „Deutschen Eck“: Dabei sind die deutsche AfD-Vorsitzende Frauke Petry und ihr Mann Marcus Pretzell. Aus Frankreich kommt die Chefin des Front National, Marine Le Pen. Aus den Niederlanden ist Geert Wilders angereist, Chef der „Partei für die Freiheit“ (PVV). Matteo Salvini von der italienischen Lega Nord und Harald Vilimsky, Generalsekretär der österreichischen FPÖ sind auch dabei.

Rechte verstehen sich als „Spitzenpolitiker des neuen Europas“

Es ist das erste große Treffen der europäischen Rechten. Man versteht sich, wie die Einladung ankündigt, als „Spitzenpolitiker des neuen Europas“. Gegen die Veranstaltung demonstrieren in Koblenz 5000 Menschen, etwa fünfmal so viel, wie erwartet worden waren.

„Koblenz ist bunt!“, steht auf den Plakaten der Demonstranten in Koblenz. Etwa 5000 Menschen hatten sich versammelt, um gegen das Treffen der europäischen Rechtspopulisten zu protestieren.
„Koblenz ist bunt!“, steht auf den Plakaten der Demonstranten in Koblenz. Etwa 5000 Menschen hatten sich versammelt, um gegen das Treffen der europäischen Rechtspopulisten zu protestieren. © dpa | Boris Roessler

Schon im Vorfeld hatte das Treffen für Schlagzeilen gesorgt. Journalisten der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, des „Spiegels“ und der ARD durften nicht in die Halle. Die Veranstalter – der AfD-Politiker Marcus Pretzell und die EU-Parlamentsfraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) – verweigerten ihnen ohne Grund die Anmeldung.

„Lügenpresse“-Rufe direkt zu Anfang der Veranstaltung

Pretzell, Landeschef der AfD in NRW und Ehemann von Frauke Petry, spottet: „350 Journalisten sind heute akkreditiert – dafür, dass wir fast alle ausgesperrt haben, ist das eine Menge.“ Schon zehn Minuten nach Beginn skandiert das Publikum „Lügenpresse“. Im Saal herrscht eine Stimmung wie bei Pegida-Demonstrationen. Später rufen die Zuhörer: „Merkel muss weg.“

Auf der Bühne bemühen sich die Redner, staatsmännisch zu wirken. Vor allem versuchen sie, Geschlossenheit zu zeigen. Die Reden ähneln sich sehr. Europa sei „gescheitert“, behauptet der Italiener Salvini. Man müsse „bestimmte Schritte, die zu weit gegangen sind, wieder zurückdrehen“, formuliert der Deutsche Pretzell etwas ungelenk. Er meint die fortgeschrittene europäische Integration.

Keine Rede kommt ohne Erwähnung Trumps aus

Frauke Petry fordert „den Mut, Europa neu zu denken“. Die Französin Marine Le Pen meint, Brüssel „unterdrücke die Völker“ und „die Eliten“ seien „Anti-Demokraten“. Le Pen bekommt viel Applaus in Koblenz. „Wir erleben das Ende der Welt und die Geburt einer neuen“, ruft sie dem Publikum zu. 2017 sei das Jahr, in dem das europäische Festland „aufwachen“ würde, so wie 2016 mit dem Brexit schon Großbritannien aufgewacht sei und die USA mit der Wahl von Donald Trump.

AfD-Chefin Petry sieht Freiheit der Bürger in Europa bedroht

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    Überhaupt Trump: Keine Rede kommt aus ohne eine Erwähnung des neuen US-Präsidenten. Der Österreicher Harald Vilimsky sagt: „Er ist ein Gewinner, wir sind Gewinner!“ Geert Wilders meint: „Gestern ein neues Amerika, heute Koblenz und morgen ein neues Europa.“

    AfD in Umfragen bundesweit schon bei 13 Prozent

    Bedeutung bekommt der Auftritt der Rechtspopulisten dadurch, dass nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Nachbarländern in diesem Jahr gewählt wird. Die Abstimmung in den Niederlanden ist schon im März, einen Monat später folgt in Frankreich der erste Wahlgang für einen neuen Präsidenten. Im September wählen die Deutschen den Bundestag.

    Während die AfD hierzulande bundesweit schon bei rund 13 Prozent steht, sind die Rechtspopulisten in anderen Ländern noch stärker: Der Islamfeind Wilders führt in den Niederlanden derzeit die Umfragen an. Würde das Nachbarland jetzt wählen, bekäme seine Partei PVV im Parlament 35 von 150 Sitzen. Zum Vergleich: Die Rechtsliberalen von Premierminister Mark Rutte wären mit 23 Sitzen nur zweitstärkste Kraft.

    Demonstrationen gegen Kongress bleiben friedlich

    Marine Le Pen werden bei den Präsidentschaftswahlen im ersten Wahlgang rund 25 Prozent der Stimmen vorhergesagt. Dass beide an die Regierung kommen, gilt aber als unwahrscheinlich. In den Niederlanden haben sich die anderen Parteien geeinigt, nicht mit Wilders zu koalieren, um ihn vom Amt des Premiers fernzuhalten. Und ob Le Pen den zweiten Wahlgang gewinnt, ist offen.

    Die Demonstration gegen die Veranstaltung unter dem Motto „Koblenz bleibt bunt“ blieb friedlich. Vor der Kongress-Halle sangen die Teilnehmer den deutschen Text der Europahymne „Ode an die Freude“ zu Musik von Mitgliedern der Rheinischen Philharmonie.

    „Wir müssen diesen Lügnern ihre Maske herunterreißen“

    Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, rief zum entschlossenen Widerstand gegen Rechtspopulisten und Rechtsextremisten auf: „Wir müssen diesen Lügnern ihre Maske herunterreißen, damit ihr hässliches Gesicht des Egoismus und Gegeneinanders zum Vorschein kommt“, sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende dieser Redaktion. Solche Politiker hätten aus den Katastrophen unseres Kontinents nichts gelernt. „Die Nationalisten von Koblenz sind die Totengräber der Nationalstaaten“, so Weber.

    Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel nahm an der Demonstration gegen die ENF-Tagung teil.
    Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel nahm an der Demonstration gegen die ENF-Tagung teil. © dpa | Boris Roessler

    Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel erklärte am Rande der Demonstration, es gehe darum, das zu bewahren, was die vorherigen Generationen aufgebaut hätten. Gabriel wurde zwischendurch von mehreren linksgerichteten Demonstranten bedrängt, sodass die Polizei dazwischengehen musste. Es sei aber keine Gewalt angewendet worden, sagte ein Polizeisprecher.