Berlin. Was kann getan werden, damit es weniger Unfälle durch von Lkw stürzende Eisplatten gibt? Die Politik hat unterschiedliche Antworten.

Jeden Tag stürzen derzeit Eisplatten von Lkw auf Autos – jetzt kommt in das uralte Thema Bewegung. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Stephan Kühn, will den Bund in die Pflicht nehmen: „Eisplatten auf Lkw dürfen nicht länger die Verkehrssicherheit beeinträchtigen. Der Bund muss hier eine aktive Rolle übernehmen und präventiv tätig werden“, sagte er unserer Redaktion. Verkehrspolitiker aus der Regierungskoalition appellieren dagegen vor allem an die Speditionen.

So heftig schlagen Eisplatten in Autos ein

In diesem Auto ist einem 52-Jährigen Münchner die Nase zerschmettert worden, er erlitt zudem einen Schädelbruch. Das Geschoss war in Tirol von einem entgegenkommenden deutschen Lkw auf das Auto der Familie gekracht, die auf dem Weg in den Skiurlaub war.
In diesem Auto ist einem 52-Jährigen Münchner die Nase zerschmettert worden, er erlitt zudem einen Schädelbruch. Das Geschoss war in Tirol von einem entgegenkommenden deutschen Lkw auf das Auto der Familie gekracht, die auf dem Weg in den Skiurlaub war. © Martin Haselsberger/einsatzfoto.at | Martin Haselsberger/einsatzfoto.at
Dieser VW Up stand in im sauerländischen Meschede sogar: Während der Fahrer an einer Ampel warten musste, flog von einem vorbeifahrende Lkw eine Eisplatte auf die Windschutzscheibe. Niemand verletzt-
Dieser VW Up stand in im sauerländischen Meschede sogar: Während der Fahrer an einer Ampel warten musste, flog von einem vorbeifahrende Lkw eine Eisplatte auf die Windschutzscheibe. Niemand verletzt- © Kreispolizeibehörde Hochsauerlandkreis | Kreispolizeibehörde Hochsauerlandkreis
Windschutzscheibe durchschlagen, 75 mal 50 Zentimeter große Eisplatte große Eisplatte auf dem Beifahrersitz. Der Fahrer aus Hamburg war Ende 2014 auf der A7 Kassel - Hannover bei Göttingen alleine unterwegs. Er erlitt nur Schnittverletzungen an der Hand.
Windschutzscheibe durchschlagen, 75 mal 50 Zentimeter große Eisplatte große Eisplatte auf dem Beifahrersitz. Der Fahrer aus Hamburg war Ende 2014 auf der A7 Kassel - Hannover bei Göttingen alleine unterwegs. Er erlitt nur Schnittverletzungen an der Hand. © Polizeiinspektion Göttingen | Polizeiinspektion Göttingen
Der Mercedes von vorne.
Der Mercedes von vorne. © Polizeiinspektion Göttingen | Polizeiinspektion Göttingen
In dem Wagen saß ein Mann auf der Beifahrerseite, erlitt Verletzungen im Gesicht. Seine Frau überholte im Januar 2016 auf der Autobahn 1 in Richtung Lübeck gerade einen 40-Tonner, als das Eis geflogen kam.
In dem Wagen saß ein Mann auf der Beifahrerseite, erlitt Verletzungen im Gesicht. Seine Frau überholte im Januar 2016 auf der Autobahn 1 in Richtung Lübeck gerade einen 40-Tonner, als das Eis geflogen kam. © Polizei Ratzeburg | Polizei Ratzeburg
Hier flog Eis durch den Fiesta und blieb auf der Kofferraumablage zu liegen. Riesiges Glück für die 27-jährige Fahrerin und ihre zwei Kinder. Nur sie wurde bei dem Unfall im Kreis Herford 2010 leicht verletzt. Das Eis kam hier sogar
Hier flog Eis durch den Fiesta und blieb auf der Kofferraumablage zu liegen. Riesiges Glück für die 27-jährige Fahrerin und ihre zwei Kinder. Nur sie wurde bei dem Unfall im Kreis Herford 2010 leicht verletzt. Das Eis kam hier sogar "nur" von einem Pkw-Anhänger. © Polizei Herford | Polizei Herford
Hier hätte ein Beifahrer durch das Eisgeschoss schwer verletzt werden können.
Hier hätte ein Beifahrer durch das Eisgeschoss schwer verletzt werden können. © Polizei Münster | Polizei Münster
Erhebliche Kopfverletzungen bei der Fahrerin (37) durch Eisbrocken und Splitter der zerborstenen Windschutzscheibe: Große Eisstücke waren im Dezember im Sauerland auf der Motorhaube des Golfs zerborsten und hatten die Frontscheibe durchschlagen.
Erhebliche Kopfverletzungen bei der Fahrerin (37) durch Eisbrocken und Splitter der zerborstenen Windschutzscheibe: Große Eisstücke waren im Dezember im Sauerland auf der Motorhaube des Golfs zerborsten und hatten die Frontscheibe durchschlagen. © Kreispolizeibehörde Olpe | Kreispolizeibehörde Olpe
Vollkommen gesplitterte Frontscheibe. Kurz bevor das Eis am 2. Januar in die Scheibe des Autos auf der A61 in Rheinhessen flog, hatte eine Ladung Gefrorenes bereits die Front eines anderen Wagen zerbeult.
Vollkommen gesplitterte Frontscheibe. Kurz bevor das Eis am 2. Januar in die Scheibe des Autos auf der A61 in Rheinhessen flog, hatte eine Ladung Gefrorenes bereits die Front eines anderen Wagen zerbeult. © Polizeiautobahnstation Gau-Bickelheim | Polizeiautobahnstation Gau-Bickelheim
Schwer verletzt, 100.000 Euro Schaden: Der Fahrer einer Corvette hatte im bayerischen Landkreis Traunstein im Hagel herabfallender Eisplatten die Kontrolle über das Auto verloren und sich neben der A8 mehrfach überschlagen.
Schwer verletzt, 100.000 Euro Schaden: Der Fahrer einer Corvette hatte im bayerischen Landkreis Traunstein im Hagel herabfallender Eisplatten die Kontrolle über das Auto verloren und sich neben der A8 mehrfach überschlagen. © BRK/Markus Leitner | BRK/Markus Leitner
Der Fahrer dieses Autos im Westerwald wurde Anfang Januar mit Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma in ein Krankenhaus geflogen. Eine metergroße Eisplatte war in die Frontscheibe geflogen.
Der Fahrer dieses Autos im Westerwald wurde Anfang Januar mit Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma in ein Krankenhaus geflogen. Eine metergroße Eisplatte war in die Frontscheibe geflogen. © Polizei Westerburg | Polizei Westerburg
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Kühn fordert mehr öffentlich zugängliche Schneeräumgerüste. „Diese Einrichtungen müssen zu Standardausrüstung großer Rastanlagen werden und sollten über das Ausbauprogramm des Bundes für Lkw-Stellplätze finanziert werden“, so der Grünen-Politiker. Eine von dem Bautzener Polizisten Martin Hottinger zentral geführte Liste von öffentlich zugänglichen Räumstationen in Deutschland und Österreich listet 50 Standorte auf. In manchen Bundesländern gibt es überhaupt keine. Räumen Lkw-Fahrer dort ihr Dach in vier Metern Höhe, riskieren sie, dass die Berufsgenossenschaft bei einem Sturz nicht einspringt. Experte Hottinger hält 500 Standorte für wünschenswert. Der Tüv Thüringen als Sponsor solcher Anlagen bezifferte die Kosten auf 1400 Euro pro Jahr und Anlage.

Räumstationen privaten Initiativen überlassen

Lkw-Fahrer in der Zwickmühle: Mit Eis und Schnee losfahren dürften sie nicht, aufs Dach steigen erlaubt die Berufsgenossenschaft nicht. Wer es dennoch tut und verunglückt, muss die Folgen selbst tragen. Stehenzubleiben ist in der rauen Branche auch keine Option.
Lkw-Fahrer in der Zwickmühle: Mit Eis und Schnee losfahren dürften sie nicht, aufs Dach steigen erlaubt die Berufsgenossenschaft nicht. Wer es dennoch tut und verunglückt, muss die Folgen selbst tragen. Stehenzubleiben ist in der rauen Branche auch keine Option. © Polizei Sachsen | Polizei Sachsen

Das Bundesverkehrsministerium hatte erklärt,Lösungen müssten aus der Praxis entwickelt werden. Der Bund stellt Flächen für Räumgerüste kostenlos zur Verfügung, mit Ausnahme einer Räumstation des Landes Bayern werden aber alle von Verbänden oder privat finanziert. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ulrich Lange, sieht bei dem Thema den Bund auch nicht am Zug: „Hier sehe ich in erster Linie die Unternehmen in der Pflicht, den Betrieb so zu gestalten und technische Mittel vorzuhalten, dass der Fahrer vor Fahrtantritt die Möglichkeit hat dieser Pflicht nachzukommen, also das Eis zu entfernen.“

Grünen-Verkehrspolitiker Kühn sieht auch bei den Unternehmen Nachholbedarf: „Selbstverständlich müssen auch die Spediteure ihren Teil zur Sicherheit beitragen und Förderprogramme auch dazu nutzen, um die Eisbildung auf den Planen durch eine geänderte Konstruktion zu unterbinden.“

SPD-Politikerin gegen Gesetzesregelung

Der Bund bezuschusst über das sogenannte De-minimis-Programm bereits den Einbau etwa von Dachairbags, die verhindern, dass sich auf der Planen abgestellten Lkw Wasser sammeln kann. Von einer oft von Fahrer geforderten Pflicht solcher Systeme hält die SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann nichts. Bund und Länder müssten diese Fördermöglichkeit noch stärker bekannt machen, damit die Mittel stärker abgerufen werden. Der Marktführer baute im vergangenen Jahr rund 2000 Systeme ein, jedes Jahr verlassen aber ein Vielfaches an Aufliegern die Werke der Hersteller in Deutschland.

Darum sind Eisplatten für Autofahrer so gefährlich

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    Bevor der Staat jedoch hier regulierend eingreife, sollten nach Ansicht der verkehrspolitischen Sprecherin der SPD im Bundestag alle Mittel ausgeschöpft werden, das Bewusstsein der Speditionen und der Fahrenden für die Gefahren von Eisplatten zu schärfen. „Das ist viel wichtiger als eine kaum in jedem Fall überprüfbare Regelung.“

    Lühmann kündigt an, in Brüssel auch Gespräche zu führen. „Wir brauchen ein umfassendes, grenzüberschreitendes Konzept.“ In anderen Ländern würden weder die deutschen Zuschussregelungen noch die Ausrüstungsvorschriften gelten. (law)

    >> Gefährliche Eisplatten: Warum Lkw-Fahrer nichts dagegen tun