Perl. Die Union will ein mögliches Fehlverhalten der Behörden in einem Ausschuss untersuchen lassen. Anis Amri war als Gefährder bekannt.

Knapp einen Monat nach dem islamistischen Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt spricht sich die Union im Bundestag für einen Untersuchungsausschusses im Fall des Attentäters Anis Amri aus. Dies sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder am Samstag nach Ende einer CDU-Klausur im saarländischen Perl.

Ablehnend äußerte sich Kauder hingegen zum Vorschlag aus Reihen der SPD, zur Aufklärung möglicher Behördenpannen einen Sonderermittler im Bundesinnenministerium und den betroffenen Landesministerien einzusetzen.

Union will sich nun mit der SPD beraten

Kauder sagte, es werde darüber diskutiert, ob es im Fall Amri Koordinationsprobleme zwischen Bund und Ländern gegeben habe. „Wenn man der Meinung ist, da muss noch mehr gemacht werden, bin ich für einen Untersuchungsausschuss offen.“ Darüber müsse nun mit der SPD gesprochen werden.

Bei einer Aufklärung per Sonderermittler werde erst einmal monatelang gar nichts passieren. Zudem sei ein solcher Ermittler kein parlamentarisches Instrument. „Der arbeitet vor sich hin. Und der Bundestag selber hat da gar keine Informationen.“

Spekulationen über mögliches Fehlverhalten der Behörden

Der 24-jährige Tunesier Anis Amri hatte am 19. Dezember einen Lastwagen in einen Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gesteuert, zwölf Menschen getötet und mehr als 50 verletzt. Der Islamist war wenige Tage später bei einer Polizeikontrolle in Mailand erschossen worden.

Zur Begründung für einen Untersuchungsausschuss hieß es ergänzend aus der Unionsfraktion, es gebe viele Spekulationen über mögliches Fehlverhalten der Behörden. Nun müsse klargestellt werden, ob es tatsächlich Versäumnisse gab.

Ermittler waren Amri monatelang auf der Spur

Amri war nicht nur Bundesbehörden wie dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst als möglicher Gefährder bekannt, der jederzeit einen Anschlag in Deutschland verüben könnte. Auch die Ausländerbehörden hatten sich lange Zeit mit dem unter zahlreichen falschen Namen auftretenden Tunesier beschäftigt. Eine geplante Ausweisung in sein Heimatland scheiterte allerdings an fehlenden Personalunterlagen aus Tunesien.

Ermittler waren dem Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vor seinem Anschlag über Monate hinweg deutschlandweit auf der Spur, wussten um seine Besuche in Salafisten-Moscheen und kannten den abgelehnten Asylbewerber unter mindestens 14 verschiedenen Namen. Zudem gab es Warnungen eines marokkanischen Geheimdienstes, Amri plane einen Anschlag.

Kraft hatte Sonderermittler vorgeschlagen

FDP-Bundesvize Katja Suding bezeichnete die Einsetzung eines Bundestags-Untersuchungsausschusses am Samstag als überfällig. „Damit greift die Union eine Forderung der FDP auf“, sagte die Hamburger FDP-Fraktionschefin der Deutschen Presse-Agentur am Samstag. Sie forderte „eine lückenlose Aufklärung, was besser und anders laufen muss“.

Die Linken haben bereits einen Untersuchungsausschuss des Bundestages gefordert. Mitte Januar befassen sich die Geheimdienst-Kontrolleure des Parlaments erstmals offiziell mit dem Fall.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte Mitte der Woche einen Sonderermittler auf Bundesebene ins Gespräch gebracht. Für einen Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags reiche die Zeit bis zum Ende der Wahlperiode im Mai dagegen nicht mehr aus, sagte sie.

NRW-Regierung: Amri war kein V-Mann

Amri hatte sich lange in NRW aufgehalten, bevor er nach Berlin kam. Er war zwar als islamistischer Gefährder eingestuft worden, die zuständige Ausländerbehörde in Kleve versuchte aber vergeblich, ihn abzuschieben.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung wies am Samstag Medienberichte zurück, wonach Amri ein V-Mann des Landesverfassungsschutzes gewesen sein könnte. „Er war kein V-Mann“, sagte ein Sprecher. Die CDU-Landtagsfraktion hatte zuvor eine entsprechende Anfrage an die Landesregierung gestellt. (dpa)