Berlin. Die Zahlen sind weiter tiefrot. Aber viele Schuldenuhren in Deutschland sind angehalten oder laufen sogar rückwärts. Wie geht das?

Wie stellt man eine Schuldenuhr so um, dass sie rückwärts läuft? Die Frage stellt sich in immer mehr Bundesländern. Die öffentlichen Haushalte sehen angesichts der Wirtschaftslage und Niedrigzinsen so gut aus wie seit vielen Jahren nicht. Und bei den Uhren, die sonst so unerbittlich rote Zahlen anzeigen, sind nicht gekannte Funktionen gefragt: In einigen Bundesländern stehen sie zum ersten Mal still oder laufen rückwärts.

„Wir haben schon geprüft, ob unsere Uhr rückwärts läuft“, sagt Gerhard Lippert vom Bund der Steuerzahler in Niedersachsen. Dahinter steckt noch Hoffnung, die Uhr im Landtag von Hannover tickt aber immerhin erstmals nicht mehr vorwärts, sondern ist zum Stillstand gekommen: keine neuen Schulden vorgesehen.

Programm errechnet Wert für die Uhr

Die Uhr würde auch rückwärts laufen, und die Umstellung ist auch ganz einfach. Das kann Torben Schnoor vom Bund der Steuerzahler Schleswig-Holstein bestätigen, nachdem er am Dienstag mit Laptop im Landtag war: Dort zeigt die Uhr jetzt bei der Neuverschuldung pro Sekunde „- 1,50“ an. Das gab’s noch nie seit sie 2007 installiert wurde. Schnoor musste aber nicht nach dem Vorzeichen suchen: „Für die Schuldenuhr gibt es ein Programm, in den wir aus dem Haushalt den entsprechenden Wert zum Jahresbeginn und den vorgesehenen Wert zum Jahresende eintragen, den Rest macht die Software.“

Weil die Berechnung so läuft, gingen die zwei Schuldenuhren beim Steuerzahlerbund in Düsseldorf im Rückblick im vergangenen Jahr richtig falsch. Zuletzt hatten sie 62,80 Euro Schuldenanstieg pro Sekunde für das Land angezeigt – weil fast zwei Milliarden Euro Kreditaufnahme vorgesehen waren. Doch am Donnerstag verkündete Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), dass das Land im vergangenen Jahr 217 Millionen Euro gemacht hat. Mehreinnahmen durch die gute Wirtschaftslage und niedrige Zinsen machen sich überall bemerkbar.

Für Schäuble gibt es keine Uhr

„Wir stellen die Uhr jetzt zurück“, sagt Heiner Cloesges vom NRW-Steuerzahlerbund. Die Gesamtverschuldung und die Verschuldung pro Kopf, die die Uhren auch anzeigen, liegen niedriger als aktuell angezeigt. Sie läuft dann aber wieder vorwärts: In diesem Jahr plant Nordrhein-Westfalen bisher mit knapp 1,8 Milliarden Euro neuen Schulden, 56,49 Euro in der Sekunde. Nach der positiven Entwicklung 2016 hofft das Land auch da auf bessere Werte. Wenn der Landtag andere Werte in Nachtragshaushalten beschließt, wird die Schuldenuhr umgestellt. Das kann mehrfach im Jahr der Fall sein.

Mit einer rückwärts gehenden Anzeige könnte sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schmücken – wenn es denn eine Schuldenuhr für den Bund gäbe. Doch der Steuerzahler-Bundesverband zeigt nur eine Zahl an, die die Schuldenentwicklung von Bund, Ländern und Kommunen zusammenfasst: Alle zusammen machen pro Sekunde rund 68 Euro neue Schulden. Aber auch der Wert ist ein Novum in der Geschichte dieser Schuldenuhr: Sie hatte noch nie eine zweistellige Zahl anzeigen können, im vergangenen Jahr lag sie bei 129 Euro.

In Bayern Schuldenuhr 2030 arbeitslos

Rückwärts laufen die Uhren dagegen auch in Berlin, Sachsen-Anhalt und Bayern. In Berlin gab es das 2007 und 2008 schon einmal. Und auch für die bayerische Schuldenuhr ist das nichts Neues mehr: Sie läuft seit Jahresanfang 2007/2008 ununterbrochen rückwärts – damals noch eine Sensation. Wenn die Finanzplanung aufgeht, stellt sich 2030 eine ganz andere Frage: Bayern will dann alle Verbindlichkeiten bezahlt haben. Was macht man mit einer Schuldenuhr, wenn es keine Schulden mehr gibt?

In Nordrhein-Westfalen müsste sie dagegen noch bis zum Jahr 2359 halten, wenn das Land ab sofort keine neuen Schulden mehr aufnehmen und ein Prozent seiner Steuereinnahmen für Sondertilgungen einsetzen würde.