Brüssel. Der CSU-Politiker Manfred Weber pocht auf Absprachen: Ein Konservativer soll der künftige Präsident des EU-Parlaments werden.

Während Martin Schulz (SPD) seinen Platz in der deutschen Politik sucht, entwickelt sich die Kür seines Nachfolgers als EU-Parlamentspräsident zur wilden Jagd. Die Große Koalition ist aufgelöst, die Christdemokraten setzen ihre bisherigen Partner – Sozialisten und Liberale – unter Druck.

„Pitella verhandelt mit Kommunisten!“, schimpft Manfred Weber über den Kollegen von der Sozialdemokratie. Der Liberale kriegt die nächste Ohrfeige: „Ist die Unterschrift Verhofstadts etwas wert?“ Aus Webers Mund sind das Donner-Worte. Der Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion gehört zwar der CSU an, ist aber ein Mann der leisen Töne. Doch jetzt muss er in die Offensive.

Antonio Tajani soll neuer Präsident werden

Wenn die 751 EU-Volksvertreter am kommenden Dienstag den Nachfolger des Europahäuptlings Schulz wählen, tritt Weber nicht an. Er fühlt sich mit 44 Jahren zu jung, will den Posten nicht als deutschen Erbhof erscheinen lassen und findet, dass die eigentliche Politik nicht auf dem Präsidentenstuhl, sondern von den Fraktionen gemacht werden sollte.

Doch Weber droht eine Schlappe. Die EVP ist mit 217 Abgeordneten stärkste Truppe in der Straßburger Bürgerkammer und erwartet vom Vormann, dass er ihren Kandidaten, den Italiener Antonio Tajani, durchbringt. Doch für die nötige Stimmen-Mehrheit fehlt es an Unterstützung. Vielen ist Tajani als Berlusconi-Gefährte verdächtig.

Es läuft auf ein italienisches Duell hinaus

Um zu retten, was zu retten ist, hat Weber das sagenumwobene „Geheimdokument“ veröffentlicht, mit dem er und Schulz vor zweieinhalb Jahren ihr Bündnis besiegelten. „Sie kommen überein, dass die S+D-Gruppe (Sozialdemokraten) in der ersten Hälfte der Legislaturperiode den Parlamentspräsidenten stellt und die EVP in der zweiten“, steht da. Guy Verhofstadt, Chef der liberalen ALDE-Fraktion, hatte sich der Vereinbarung angeschlossen.

Doch das Papier ist Makulatur. Verhofstadt und sein S+D-Kollege Gianni Pitella wollen selbst ins Rennen gehen – aus Webers Sicht ein Wortbruch und ein schwerer politischer Fehler. Die Partnerschaft habe in der praktischen Politik funktioniert und sei notwendig, „weil sonst radikale Kräfte im Europa-Parlament Einfluss bekommen“.

Dass Webers Aufruf etwas fruchtet, ist unwahrscheinlich. Vier der insgesamt sechs Bewerbungen sind wohl aussichtslos, darunter auch die Verhofstadts. Es läuft auf ein italienisches Finale heraus: Pitella gegen Tajani. Dabei hat Webers Kandidat womöglich die schlechteren Karten: „Klar – Pitella ist schwach“, sagt ein Parlaments-Insider, „aber gegen Tajani gibt es massiveren Widerstand.“