Kabul. Die Taliban regieren in Afghanistan mit eiserner Faust. Selbst für kleine Vergehen drohen drakonische Strafen – bis hin zur Steinigung.

Die radikalislamischen Taliban haben in der ostafghanischen Provinz Gasni nach eigenen Angaben sechs Männer mit je 25 bis 39 Peitschenhieben für Verbrechen bestraft. Fünf der Männer seien Diebe gewesen, einer sei beim Sex außerhalb der Ehe erwischt worden, heißt es in einer in der Nacht zum Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. Lokale Behörden bestätigten den Bericht am Dienstag.

Die Nachrichtenagentur Pajhwok veröffentlichte außerdem eine Sammlung ähnlicher Vorfälle mit sieben weiteren Opfern in Gasni. Taliban haben demnach dort in den vergangenen zwei Wochen unter anderem ein „unerlaubtes“ Liebespaar verprügelt und ein anderes ausgepeitscht.

Taliban wollen Macht demonstrieren

„Die Taliban machen solche Sachen, weil sie den Leuten beweisen wolle, dass sie da sind und Kontrolle über ein Gebiet haben“, sagte ein Provinzratsmitglied, Nasir Ahmad Fakiri, der Deutschen Presse-Agentur.

Der Polizeichef der Provinz, Aminullah Amarkhel, sagte, wenn die Taliban wirklich das (islamische) Scharia-Gesetz durchsetzen wollten, müssten sie es zuerst auf sich anwenden. Es habe schon sechs Fälle gegeben, in denen Talibankämpfer Frauen vergewaltigt hätten. Keiner sei bestraft worden.

Öffentliche Hinrichtungen

Andere Fälle von Taliban-Selbstjustiz werden seit Monaten auch aus anderen Landesteilen berichtet. Menschenrechtsaktivisten warnen vor einer Rückkehr der archaischen Strafen der Islamisten, die Afghanistan ausschließlich unter dem Scharia-Gesetz sehen wollen. Dazu zählen Steinigungen, öffentliche Prügel, Exekution durch den Strang oder die Kugel. Mit solchen Mitteln hatten sie das Land vor Beginn der internationalen Intervention vor 15 Jahren regiert.

Erneut Anschlag auf Abgeordneten in Kabul

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    In einem Bericht zu den zivilen Opfern des Krieges hatten die UN schon 2015 vor allem hinsichtlich der Bestrafung von Frauen für angebliche „unmoralische Verbrechen“ von einem „neuen verstörenden Trend“ gesprochen. Allein in der ersten Hälfte von 2016 dokumentierten die UN mindestens 26 Fälle.

    Eine Frau nach Streit geköpft

    Erst vor wenigen Tagen hatten die Taliban in der nordafghanischen Provinz Sar-i Puleine Frau geköpft. Zuvor habe das Opfer einen Streit mit einigen Kämpfern gehabt, sagte die Leiterin des Frauenministeriums in der Provinz, Nasima Aresu. Daraufhin hätten die Männer der Frau den Kopf mit einem Bajonett abgeschnitten, das an einer ihrer Maschinenpistolen befestigt war.

    Das Dorf der Frau liege in einer von Taliban kontrollierten Gegend. Sie sei auf dem Weg in die Provinzhauptstadt gewesen, als die Kämpfer sie anhielten und Essen verlangten. Die Frau habe sich geweigert, weil sie kaum genug Essen für ihre Kinder gehabt habe, sagte Aresu. Die Taliban wiesen die Anschuldigung in einem Tweet ihres Sprechers „kategorisch“ zurück.

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    Immer mehr Fälle registriert

    Zuvor sollen die Islamisten in der Westprovinz Badghis eine weitere Frau getötet haben. Auch in diesem Fall wies ein Sprecher die Beschuldigung zurück und sagte, Verwandte hätten den Mord begangen.

    „Wir sehen einen Anstieg, und das ist eine große Sorge für uns“, sagte der Leiter der Investigationsstelle bei der afghanischen Menschenrechtskommission, Hussain Moin, am Dienstag. „Wir haben im laufenden afghanischen Jahr (März bis März) ernste Fälle zum Beispiel in Ghor, Badghis, Kundus, Wardak und Gasni registriert.“

    Zwei Männer gehängt

    Die Kommission habe die Regierung oft gebeten, zu ermitteln und die Täter festzunehmen. „Aber weil diese Dinge oft in unsicheren Gegenden passieren, kann die Regierung dort nicht tätig werden.“

    Erst am Sonntag hatten die Taliban auf einem Markt in der Westprovinz Farah zwei Männer gehängt, die als Entführer gesucht worden waren. Es sei in Farah schon die dritte Exekution durch die Taliban im laufenden Jahr gewesen, sagte Gouverneur Mohammad Asif Nang.

    Der Anstieg der Fälle geht einher mit mehr Einfluss oder sogar Kontrolle der Taliban, vor allem in ländlichen und abgelegenen Bezirken des Landes. Nach einem Bericht des Spezialinspekteurs des US-Senats für den Wiederaufbau in Afghanistan (Sigar) aus dem Oktober sind nur noch rund 63 Prozent des Landes in den Händen der Regierung. Demnach sind 33 der 407 Bezirke Afghanistans unter der Kontrolle oder dem Einfluss der Taliban. 116 weitere Bezirke seien umkämpft.

    Innenminister wollen Abschiebungen forcieren

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      Abschiebungen aus Deutschland

      Die Lage in Afghanistan war auch in Deutschland vor Weihnachten wieder in den Fokus gerückt. Damals waren 34 abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan per Flug von Frankfurt nach Kabul in ihre Heimat abgeschoben worden. An dieser Sammelabschiebung hatte es scharfe Kritik aus der Opposition sowie von Kirchenvertretern und Menschenrechtsorganisationen gegeben.

      Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte betont, die Sicherheitslage in Afghanistan bleibe insgesamt nicht einfach. In verschiedenen Gebieten sei es aber hinreichend sicher für die Bevölkerung. Skepsis an dieser Aussage kam seinerzeit selbst von Kollegen in der Bundesregierung. (dpa)