Moskau. Der russische Präsident Wladimir Putin hat seine Jahrespressekonferenz gegen. Auf ihr überraschte er mit einigen Aussagen zu Syrien.

Rekorde gehören zum Ritual. Wladimir Putins zwölfte Jahrespressekonferenz im Moskauer Handelszentrum besuchen in diesem Jahr exakt 1437 Journalisten, das sind mehr als je zuvor. Zum Ritual gehören auch die bunten Schilder und Luftballons, mit denen die Reporter um die Aufmerksamkeit des Präsidenten buhlen. Andere schwenken Poster von Putin: Der Präsident im Supermannkostüm oder im Dreigespann mit Marine Le Pen sowie mit Donald Trump.

Dreieinhalb Stunden und 67 Fragen lang dauert das Spektakel in diesem Jahr. Und wie üblich beschwört Putin in seinen ersten Antworten Wirtschaftserfolge, auch wenn sie bescheiden sind: Das Bruttoinlandsprodukt sei vergangenes Jahr um 3,7 Prozent gefallen, dieses Jahr würden es nur -0,5 bis -0,6 Prozent sein. „Im November ist es sogar wieder gewachsen.“ Ebenfalls Routine ist es, dass Putin zu einer möglichen Kandidatur bei den nächsten Präsidentschaftswahlen erklärt, die Zeit sei noch nicht reif dafür.

Putin betont militärische Stärke Russlands

Und der Präsident zeigt sich schlagfertig. Als das Wall-Street-Journal fragt, ob es kommendes Jahr vorgezogene Präsidentschaftswahlen geben könnte, antwortet Putin: „In welchem Land?“ Gelächter im Saal. Das Wallstreet Journal setzt nach: „In Russland.“ Putin, lakonisch: „Das ist möglich. Aber nicht zweckmäßig.“

Mehrfach betont Putin die militärische Stärke Russlands. Man sei stärker als jeder Aggressor. Das habe historische und geografische Gründe, erkläre sich aber auch durch die erfolgreiche Modernisierung der russischen Streitkräfte. Russlands neue Atom-U-Boote und Nuklearraketen neutralisierten auch alle Bemühungen der USA zum Aufbau eines Antiraketenschildes.

Zur Nachkriegsordnung für Syrien werde man sich mit den USA abstimmen, sagt Putin. Zwar sei die neue Dreierkooperation Moskaus mit Ankara und Teheran im syrischen Krieg hilfreich. „Aber es wäre nicht richtig, solche Fragen ohne USA zu entscheiden.“ Es habe aber noch keine Kontakte mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump zu Syrien gegeben.

„Außer uns hier hat niemand an Trumps Sieg geglaubt“

Die Rückeroberung Aleppos, die vom Westen wegen der vielen zivilen Opfer kritisiert wurde, stellt Putin ganz anders dar: „Das war die größte, ich will das betonen, damit es alle hören, das war die größte humanitäre internationale Rettungsaktion der Neuzeit.“ 100.000 Menschen seien aus der jahrelang umkämpften Stadt gebracht worden.

Syrien brauche jetzt überall im Land Waffenstillstände, auf denen man eine politische Lösung aufbauen könne, betont Putin. Er lobt auch Trump: Dieser habe die Stimmung in der US-Bevölkerung genau erfühlt und gegen alle Erwartungen darauf seinen Wahlsieg gebaut. „Niemand hat an seinen Sieg geglaubt außer uns hier.“

Kritische Fragen zu Hurra-Patrioten

Auf scharfe Attacken gegen den Westen verzichtet Putin in diesem Jahr. Am galligsten wettert er noch über Grigori Rodtschenkow, den Exchef des russischen Antidopinglabors, der in den USA über das staatlich organisierte Doping ausgepackt hatte. „Dieser Bürger, an seinen Namen erinner ich mich nicht, hat doch früher in Kanada gearbeitet. Von dort hat er allen möglichen Dreck eingeschleppt, hat die Leute gezwungen, das einzunehmen.“ Kein Wort darüber, dass Rodtschenkow insgesamt nur ein Jahr in Kanada lebte, 15 Jahre vor den russischen Dopingskandalen. Wie auch andere russische Offizielle gibt Putin aber zu, man habe Dopingprobleme. Von einem staatlichen Dopingsystem könne keine Rede sei.

Mehrere Journalisten russischer Staatsmedien stellen kritische Fragen über Hurra-Patrioten, die sich immer rüpelhafter aufführen, über drakonische Gefängnisstrafen für bloggende Hausfrauen und über von der Justiz verfolgte Kollegen. Ein Beispiel ist der Wirtschaftsjournalist Alexander Sokolow, der als mutmaßlicher Extremist seit Ende 2015 einsitzt. Putin kann sich nicht an den Fall Sokolow erinnern.

Putin gibt sich gemäßigt

Ansonsten versichert Putin, der Staat müsse Auswüchse vermeiden, die Topmanager der Staatskonzerne sollten bescheidener werden, was Immobilien oder Prämien angehe. Putin gibt sich dieses Jahr gemäßigt, ja fast sanft. „In den vergangenen Jahren hat das Regime mit allen Mitteln in Russland die Stimmung einer belagerten Festung verbreitet“, kommentiert der liberale Politologe Korgonjuk Putins Auftritt. „Jetzt versucht Putin, die Emotionen etwas herunter zu regeln.“

Zum Ritual dieser Pressekonferenz gehört auch Roman Tsimbaluk von der ukrainischen Nachrichtenagentur UNIAN. Er stellt Putin seit 2014 bissige Fragen zur russischen Ukraine-Politik und gilt inzwischen als Putins Lieblingsfeind. Dieses Mal hakt er zu einer Antwort nach, die Putin 2015 gegeben hatte: „Sie sagten, Sie hätten nie abgestritten, Leute ins Donbas zu schicken, die sich dort mit militärischen Fragen beschäftigen. Erklären Sie, wo darüber in den Minsker Vereinbarungen die Rede ist!“

Zu dieser Frage schweigt Putin beredt. Aber der penetrante ukrainische Journalist wird sie im nächsten Dezember vielleicht noch einmal stellen. Man darf annehmen, dass die Ukraine-Krise bis dahin aktuell bleiben wird.