Dresden/Berlin. Die Polizei hat nach dem Anschlag auf eine Moschee in Dresden einen 30-Jährigen festgenommen. Er war Redner bei Pegida-Kundgebungen.

Auf der Pegida-Kundgebung in der Dresdner Altstadt redet sich der schmächtige junge Mann in Rage. Erst schimpft Nino K. über „kriminelle Ausländer“ und „feige Afrikaner“, dann wirft er Angela Merkel „Hochverrat“ vor. Unter dem Jubel Tausender Pegida-Anhänger grölt der Dresdner an die Adresse der Kanzlerin: „Wenn Sie wollen, dass es in Deutschland und Europa zu Bürgerkriegen kommt, dann machen Sie so weiter. Von uns sollen Sie keine Gnade erhalten.“

14 Monate nach dem Auftritt im Sommer 2015 beließ es der 30-Jährige offenbar nicht mehr bei gnadenloser Pöbelei: Der gefeierte Pegida-Redner steht unter dem dringenden Tatverdacht, in Dresden Ende September Sprengstoffanschläge auf eine Moschee und das Kongresszentrum verübt zu haben. Am Freitag gab die Polizei bekannt, dass Nino K. tags zuvor nach längerer Observation auf einer Baustelle in Hessen festgenommen wurde – wegen des Verdachts des „Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen“.

Nino K. war gefilmt worden

Bei zwei Wohnungsdurchsuchungen wurden den Ermittlern zufolge Zutaten zur Herstellung von Brand- und Sprengvorrichtungen gefunden. Zudem stimmen die an den Tatorten gesicherten Spuren mit der DNA des Beschuldigten überein, wie die Generalstaatsanwaltschaft erklärte. Die Sprengstoffanschläge am 26. September hatten so kurz vor den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden bundesweit für Aufsehen und Beunruhigung gesorgt: Erst soll Nino K. einen Sprengsatz vor der türkisch-islamischen Fatih-Moschee gezündet haben, die Druckwelle der Explosion drückte die Eingangstür ein.

Der 46-jährige Imam der Moschee hielt sich mit Frau und den beiden Söhnen im Haus auf, nur durch Glück wurde niemand verletzt. Eine knappe halbe Stunde später explodierte eine zweite Bombe vor dem Kongresszentrum, auch dafür soll K. verantwortlich sein. Er steht außerdem im Verdacht, drei Tage später eine Bombenattrappe an der Dresdner Marienbrücke deponiert zu haben. Die Polizei konnte schnell eine Spur verfolgen: Nino K. war, getarnt mit einem Motorradhelm, von einer Überwachungskamera vor der Moschee gefilmt worden.

Islamische Einrichtungen unter Polizeischutz

Die Polizei hatte nach den Taten die Sicherheitsvorkehrungen zu den Einheitsfeiern verstärkt und stellte islamische Einrichtungen unter Polizeischutz – doch Touristen stornierten reihenweise ihre Hotelbuchungen. „Wir gehen davon aus, dass er allein gehandelt“ hat, sagt Oberstaatsanwalt Wolfgang Klein. Hinweise auf Helfer oder eine Zugehörigkeit zu einer Gruppe gebe es nicht. Der gebürtige Dresdner wird von Nachbarn als freundlich und unauffällig beschrieben.

Auf Facebook zeigte er eine andere Seite: Er folgte in sozialen Netzwerken rechtsextremen Propagandisten, nationalistischen Bewegungen und Verschwörungstheoretikern – aber auch AfD-Politikern. Brisant ist vor allem seine Rolle bei der islam- und fremdenfeindlichen Pegida. Auf der Kundgebung im Sommer 2015 brüstete sich Nino K. stolz mit einem „Spiegel“-Bericht, in dem es hieß, er gehöre „zum harten Kern von Pegida“. Sieben Minuten lang sprach er vor Tausenden Pegida-Anhängern, die ihm für seine Pöbeleien mit starkem Beifall dankten.

Lutz Bachmann geht auf Distanz

Dass sich bei den Pegida-Kundgebungen auch Rechtsradikale und Neonazis tummeln, ist nicht neu. Pegida-Gründer Lutz Bachmann ist schon wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Doch dass ein Pegida-Redner im Verdacht steht, Sprengstoffanschläge verübt zu haben, wirft ein neues Licht auf die Bewegung, zu deren Kundgebungen immer noch stets mehrere Tausend Menschen kommen. Pegida-Chef Bachmann ging am Freitag prompt auf Distanz zu Nino K.: „Wenn er es war, dann bitte einsperren und Schlüssel wegwerfen“, schrieb er bei Facebook.

Doch relativierte Bachmann die Taten auch gleich und meinte, es sei niemand gefährdet worden: „Egal ob da nur etwas Ruß an die Wand geschmiert wurde oder ein Böller gezündet.“ Auf der jüngsten Kundgebung hatte Bachmann erklärt, Pegida sei bisher zu weich, damit müsse jetzt Schluss sein. Schon deshalb ist die Erleichterung, mit der die sächsische Landespolitik auf die Festnahme reagierte, wohl verfrüht. Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) wertete die Ergreifung des Verdächtigen als „weiteren Erfolg der sächsischen Sicherheitsbehörden gegen den Rechtsextremismus“.

Doch Sachsen bleibt auch 2016 das Bundesland mit der höchsten Zahl an fremdenfeindlichen Übergriffen. Der Imam der Moschee lobte am Freitag zwar die Festnahme, verbat sich aber Fotoaufnahmen: Seit er sich nach dem Anschlag öffentlich zeigte, habe er viele Anfeindungen erlebt.