Bochum/Berlin. Die Verbrechen von Freiburg und Bochum könnten Ressentiments gegen Flüchtlinge befeuern – allerdings entgegen Kriminalitätsstatistiken.

Maria L., die getötete Studentin aus Freiburg, wäre am Nikolaustag 20 Jahre alt geworden. Sie wurde Mitte Oktober auf dem Heimweg von einer Studentenparty überfallen, vergewaltigt und getötet. In U-Haft sitzt ein tatverdächtiger 17-jähriger Flüchtling aus Afghanistan, der 2015 nach Deutschland gekommen war.

Auch in Bochum gab es in den vergangenen Monaten zwei schwere Sexualdelikte. Zweimal waren junge chinesische Frauen die Opfer. Die Bochumer Polizei präsentierte am Dienstag den mutmaßlichen Täter: einen 31-jährigen Iraker, der ebenfalls nach Deutschland geflüchtet war. Der Mann wurde bereits am Montagnachmittag in seiner Unterkunft festgenommen, am Dienstag erließ der Richter Haftbefehl unter anderem wegen Mordversuchs und Vergewaltigung.

Aufgrund der DNA-Übereinstimmung ist sich die Staatsanwaltschaft sicher, dass es sich um den Gesuchten handelt. Es ist ein Familienvater, der mit seiner Frau und den fünf und acht Jahre alten Kindern im Dezember vergangenen Jahres nach Deutschland gekommen war und mit ihnen in einer Flüchtlingsunterkunft in der Nähe der Tatorte lebte.

Taten sorgen bundesweit für Aufsehen und Entsetzen

Die Polizei hatte bereits nach der ersten Tat im August mit einem Phantombild gefahndet, der entscheidende Hinweis kam allerdings erst vor Kurzem: Der Lebensgefährte des zweiten Opfers war in der vergangenen Woche auf dem Weg zu seiner Wohnung. Der führte ihn genau an der Stelle vorbei, wo wenige Tage zuvor seine 27-jährige Freundin brutal vergewaltigt worden war.

Der Chinese beobachtete einen Mann, der sich dort herumdrückte. Geistesgegenwärtig fotografierte er ihn mit seinem Handy. Daraufhin flüchtet der Mann. Die Bilder halfen der Polizei nun, den Mann in der Unterkunft zu identifizieren. Eine Speichelprobe identifizierte ihn als Hauptverdächtigen.

Für die Polizei sind die Fälle von Freiburg und Bochum alarmierend: In kurzer Zeit stehen zwei Flüchtlinge im Verdacht, schwerste Straftaten an Frauen begangen zu haben. Die Taten sorgen bundesweit für Entsetzen – und sie könnten bei manchen Bürgern in einer grundsätzlichen Ablehnung von Flüchtlingen münden. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, warnt daher eindringlich vor einer Generalisierung der Täter. „Die Straftaten in Freiburg und Bochum lassen keine Verallgemeinerungen zu.

GdP warnt vor Generalisierung

Die Taten sind abscheulich und grausam, aber daraus einen direkten Zusammenhang zu der Flüchtlingswelle herzustellen, missbraucht die Opfer ein zweites Mal“, sagt Malchow unserer Redaktion. Es habe im Jahr 2015 über 7000 Vergewaltigungsfälle gegeben, die niedrigste Zahl seit 2001. Der Anteil von Sexualdelikten bei allen von Zuwanderern begangenen Straftaten liege bei unter einem Prozent, rechnet der GdP-Chef vor.

Natürlich verstehe er die Diskussion, „wenn in so kurzer Zeit zweimal Flüchtlinge als Tatverdächtige schwerster Straftaten entdeckt werden“. Er könne nachvollziehen, dass durch den starken Flüchtlingszuzug im vergangenen Jahr Ängste entstanden seien. „Aber Aufgabe der Polizei ist es, sich den Tatbestand genau anzuschauen und nicht noch Ängste zu schüren. Wichtig ist, die Straftaten aufzuklären. Die Täter müssen wissen, dass sie in Deutschland einem hohen Entdeckungsrisiko ausgesetzt sind“, stellt Malchow klar. Doch in sozialen Netzwerken wird teilweise zwischen Ängsten, Vorverurteilungen und Vorwürfen nicht mehr unterschieden.

Studien: Flüchtlinge sind nicht krimineller als Deutsche

Gerade deswegen warnen Regierungspolitiker vor Stimmungsmache gegen Geflüchtete – und berufen sich dabei auch auf die Statistik: So stellte im Juni etwa das Bundeskriminalamt (BKA) belastbare Zahlen über Straftaten von Zuwanderern aus dem ersten Quartal vor. Mit der klaren Botschaft: Zuwanderer sind nicht krimineller als Deutsche. Laut BKA begingen oder versuchten Zuwanderer von Januar bis März dieses Jahres bundesweit rund 69.000 Straftaten.

Davon entfielen 29,2 Prozent auf Diebstähle, weitere 28,3 Prozent auf Vermögens- und Fälschungsdelikte (zum Beispiel Betrug, Erschleichen von Leistungen oder Urkundenfälschung). Mit je 23,0 Prozent wurden Körperverletzungen und Straftaten gegen die persönliche Freiheit (Nötigung, Bedrohung, erpresserischer Menschenraub) aufgelistet.

Es gebe kaum sexuelle Übergriffe oder Mord- und Totschlagsdelikte, die von Zuwanderern begangen worden seien, hieß es vonseiten der Behörde. Welche Bevölkerungsgruppen stecken hinter den Taten? Gemessen an den beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) registrierten Zuwanderern waren Marokkaner, Algerier, Georgier, Serben und Tunesier überproportional häufig unter den Tatverdächtigen.

Vergleichsdaten gibt es nicht

In absoluten Zahlen wurden jedoch Syrer, Afghanen und Iraker am häufigsten straffällig. Bei Verdächtigen aus Afghanistan, Eritrea, dem Irak und Iran, Nigeria, Pakistan, Syrien und Somalia sei es vor allem um Vermögens- und Fälschungsdelikte, Körperverletzungen sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit gegangen – bei Georgiern und Zuwanderern vom Balkan hingegen eher um Diebstähle, Fälschungs- und Vermögensdelikte.

Eine Vergleichszahl mit Straftaten, die von Deutschen verübt wurden, gab es in der Statistik allerdings nicht.