Berlin. Bundeskanzlerin Merkel spricht im Interview über den CDU-Parteitag in Essen, über eine „Welt im Umbruch“ – und über CSU-Chef Seehofer.

An Essen hat sie gute Erinnerungen. Hier ist Angela Merkel im Jahr 2000 erstmals zur CDU-Chefin gewählt worden. Hierher kommt sie häufiger, zuletzt hat sie den Dom besucht, eine wunderschöne Kirche, die sie daran erinnere, „dass Frauen, die ‚Stiftsdamen‘, jahrhundertelang in Essen das Sagen hatten“, erzählt Merkel, als wir sie zum Interview im Kanzleramt treffen. Sie hat ein Faible für Herrscherinnen. Am Dienstag steht wieder ein Parteitag in Essen an, kein unwichtiger, immerhin tritt die Kanzlerin 2017 wieder an.

Frau Bundeskanzlerin, kann der Ausgang des Referendums in Italien Europa zurückwerfen und den Nationalisten und Populisten Auftrieb geben?

Angela Merkel: Ich bedaure den Rücktritt von Matteo Renzi. Wir haben sehr gut zusammengearbeitet. Die demokratische Entscheidung der Italienerinnen und Italiener ist natürlich zu respektieren. Dessen ungeachtet werden wir unsere Arbeit für Wachstum und Beschäftigung sowie für innere und äußere Sicherheit in Europa fortsetzen.

Frau Bundeskanzlerin, worauf freuen Sie sich beim Parteitag am meisten und was wollen Sie erreichen?

Merkel: Ich freue mich auf die 1000 Delegierten, mit mir eigentlich 1001. Es ist ein Parteitag in einer für Deutschland und die Welt nicht einfachen Zeit, wenn ich an den grauenhaften Krieg in Syrien oder an die globalen Flüchtlingsbewegungen denke. Und doch kann die CDU auch selbstbewusst ins Wahljahr starten.

Sie haben gesagt, es werde „ein Wahlkampf, wie wir ihn noch nicht erlebt haben“. Was erwarten Sie konkret?

Merkel: Wir erleben eine Welt im Umbruch, manche sagen, eine Welt, die aus den Fugen geraten ist. In dieser Lage wird die CDU als Volkspartei der Mitte Anfechtungen von links erleben, von Rot-Rot-Grün, wie auch von ganz rechts, von der AfD. Für uns ist Essen auch der Auftakt für die drei Landtagswahlen, im März im Saarland, im Mai in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

Merkel über Martin Schulz: „Ich schätze ihn“

In einem Antrag zum Parteitag heißt es, „wenn wir erfreulicherweise alle immer älter werden und im Alter überwiegend immer jünger sind, dann müssen wir die gewonnene Lebenszeit in angemessenem Umfang auf zusätzliche Arbeit und zusätzlichen Ruhestand aufteilen.“ Im Klartext ist damit gemeint: Länger arbeiten?

Merkel: Wir halten die „Rente mit 67“, die bis zum Jahr 2030 endgültig eingeführt sein wird, für unverzichtbar. Zugleich denken wir auch über die Zeit nach 2030 weiter nach.

Wie?

Merkel: Das A und O der Rente ist die Frage der Beschäftigung. Wir können heute sagen, dass unsere Annahmen für die Rente positiv überholt wurden. Bislang sind wir von einem Rentenniveau von 46 Prozent im Jahr 2020 und 43 Prozent im Jahr 2030 ausgegangen. Wir sehen jetzt, dass das Rentenniveau wegen der guten Beschäftigungslage höher sein wird und dass wir die Beiträge noch auf Jahre stabiler halten können. Deshalb müssen wir alle Anstrengungen darauf richten, dass so viele Menschen wie möglich Arbeit haben.

Können Sie sich Martin Schulz als Außenminister vorstellen?

Merkel: Die Koalitionsvereinbarung sieht vor, dass die SPD das Auswärtige Amt besetzt und sie mir dazu einen Personalvorschlag macht. Den warte ich ab. Ich habe mit Martin Schulz als Präsidenten des Europäischen Parlaments immer sehr gut zusammengearbeitet. Wir kennen uns gut und ich schätze ihn.

Stellen Sie sich darauf ein, dass er der Herausforderer wird?

Merkel: Auch da halte ich mich an die alte Weisheit, mich nicht mit Dingen aufzuhalten, die ich nicht beeinflussen kann. Ich warte ab, was die SPD entscheidet, und nehme es, wie es kommt.

Das ist Bundeskanzlerin Angela Merkel

Angela Merkel heute: Seit November 2005 ist die gebürtige Hamburgerin Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.
Angela Merkel heute: Seit November 2005 ist die gebürtige Hamburgerin Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. © imago/Reiner Zensen | imago stock&people
Merkel wurde am 17. Juli 1954 in Hamburg-Barmbek geboren. Noch im selben Jahr zog es die Familie allerdings in die DDR. Das Bild zeigt Angela Merkel im Alter von etwa zwei Jahren.
Merkel wurde am 17. Juli 1954 in Hamburg-Barmbek geboren. Noch im selben Jahr zog es die Familie allerdings in die DDR. Das Bild zeigt Angela Merkel im Alter von etwa zwei Jahren. © imago stock&people | imago stock&people
Der Heimatort von Angela Merkel: In Templin in Brandenburg wuchs die spätere Kanzlerin auf und beendete dort auch ihre Schullaufbahn.
Der Heimatort von Angela Merkel: In Templin in Brandenburg wuchs die spätere Kanzlerin auf und beendete dort auch ihre Schullaufbahn. © imago stock&people | imago stock&people
Die Eltern von Angela Merkel im Oktober 2009: Horst Kasner (verstorben im Jahr 2011) war evangelischer Theologe, seine Frau Herlind Lehrerin für Latein und Englisch. Merkel hat zwei jüngere Geschwister: Bruder Marcus (geboren 1957) und Schwester Irene (geboren 1964).
Die Eltern von Angela Merkel im Oktober 2009: Horst Kasner (verstorben im Jahr 2011) war evangelischer Theologe, seine Frau Herlind Lehrerin für Latein und Englisch. Merkel hat zwei jüngere Geschwister: Bruder Marcus (geboren 1957) und Schwester Irene (geboren 1964). © imago stock&people | imago stock&people
Die Goethe-Schule in Templin, auf der Angela Merkel Schülerin war.
Die Goethe-Schule in Templin, auf der Angela Merkel Schülerin war. © imago stock&people | imago stock&people
Auch die Templiner Waldschule besuchte die spätere CDU-Politikerin. An der Erweiterten Oberschule in der 16.000-Einwohner-Stadt machte Merkel 1973 das Abitur – Notenschnitt: 1,0.
Auch die Templiner Waldschule besuchte die spätere CDU-Politikerin. An der Erweiterten Oberschule in der 16.000-Einwohner-Stadt machte Merkel 1973 das Abitur – Notenschnitt: 1,0. © imago stock&people | imago stock&people
1973 begann Merkel ihr Studium der Physik an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. 1977 heiratete sie ihren Kommilitonen Ulrich Merkel, die Ehe hielt aber nur bis 1982. Merkel schloss ihr Studium 1978 mit ihrer Diplomarbeit ab. Thema: „Der Einfluß der räumlichen Korrelation auf die Reaktionsgeschwindigkeit bei bimolekularen Elementarreaktionen in dichten Medien“, Note: sehr gut.
1973 begann Merkel ihr Studium der Physik an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. 1977 heiratete sie ihren Kommilitonen Ulrich Merkel, die Ehe hielt aber nur bis 1982. Merkel schloss ihr Studium 1978 mit ihrer Diplomarbeit ab. Thema: „Der Einfluß der räumlichen Korrelation auf die Reaktionsgeschwindigkeit bei bimolekularen Elementarreaktionen in dichten Medien“, Note: sehr gut. © imago | imago
Angela Merkel im März 1990 mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Merkel war damals Mitglied des „DA“, des Demokratischen Aufbruchs, der mit der Ost-CDU koalierte.
Angela Merkel im März 1990 mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Merkel war damals Mitglied des „DA“, des Demokratischen Aufbruchs, der mit der Ost-CDU koalierte. © imago/Frank Sorge | imago stock&people
Angela Merkel im Mai 1990 als Stellvertretende Regierungssprecherin der Regierung Lothar de Maiziére. Im August trat der „DA“ gemeinsam mit der Ost-CDU der westdeutschen CDU bei.
Angela Merkel im Mai 1990 als Stellvertretende Regierungssprecherin der Regierung Lothar de Maiziére. Im August trat der „DA“ gemeinsam mit der Ost-CDU der westdeutschen CDU bei. © imago stock&people | imago stock&people
Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 holte Merkel in ihrem Wahlkreis einen klaren Sieg mit 48,5 Prozent der Erststimmen. Überraschend wurde die frisch gebackene Bundestagsabgeordnete wenig später von Bundeskanzler Helmut Kohl für einen Ministerposten nominiert.
Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 holte Merkel in ihrem Wahlkreis einen klaren Sieg mit 48,5 Prozent der Erststimmen. Überraschend wurde die frisch gebackene Bundestagsabgeordnete wenig später von Bundeskanzler Helmut Kohl für einen Ministerposten nominiert. © imago stock&people | imago stock&people
Am 18. Januar 1991 wurde Merkel als Ministerin für Frauen und Jugend vereidigt. Im Dezember des Jahres wurde sie auf dem CDU-Bundesparteitag in Dresden zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt.
Am 18. Januar 1991 wurde Merkel als Ministerin für Frauen und Jugend vereidigt. Im Dezember des Jahres wurde sie auf dem CDU-Bundesparteitag in Dresden zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt. © imago stock&people | imago stock&people
Alte Bekannte: Angela Merkel und Horst Seehofer im März 1995. Merkel war von Helmut Kohl nach der Bundestagswahl 1994 zur Umweltministerin ernannt worden, Seehofer war zu dieser Zeit Bundesgesundheitsminister.
Alte Bekannte: Angela Merkel und Horst Seehofer im März 1995. Merkel war von Helmut Kohl nach der Bundestagswahl 1994 zur Umweltministerin ernannt worden, Seehofer war zu dieser Zeit Bundesgesundheitsminister. © imago/Rainer Unkel | imago stock&people
1998 heiratete Angela Merkel den Quantenmechaniker Joachim Sauer, den sie 1984 kennengelernt hatte. Sauer brachte zwei Söhne aus seiner ersten Ehe mit in die Partnerschaft. Die beiden sind bis heute verheiratet. Das Bild stammt aus dem Juni 2015.
1998 heiratete Angela Merkel den Quantenmechaniker Joachim Sauer, den sie 1984 kennengelernt hatte. Sauer brachte zwei Söhne aus seiner ersten Ehe mit in die Partnerschaft. Die beiden sind bis heute verheiratet. Das Bild stammt aus dem Juni 2015. © imago/Future Image | imago stock&people
Die Schlappe der CDU bei der Bundestagswahl 1998 bedeutete für Merkel indirekt einen Aufstieg. Wolfgang Schäuble beerbte Helmut Kohl als Parteivorsitzender – und ernannte Merkel zur Generalsekretärin.
Die Schlappe der CDU bei der Bundestagswahl 1998 bedeutete für Merkel indirekt einen Aufstieg. Wolfgang Schäuble beerbte Helmut Kohl als Parteivorsitzender – und ernannte Merkel zur Generalsekretärin. © imago stock&people | imago stock&people
1999 wurde die CDU-Spendenaffäre bekannt – und Merkel übte ohne Absprache mit Schäuble offen Kritik an Helmut Kohl. Sie erntete für diesen Schritt viel Kritik, wurde „Nestbeschmutzerin“ genannt, bekam aber auch viel Zuspruch. Als auch Schäuble durch die Affäre immer mehr belastet wurde und zurücktreten musste, war Merkel eine der wenigen unbelasteten Nachfolge-Optionen.
1999 wurde die CDU-Spendenaffäre bekannt – und Merkel übte ohne Absprache mit Schäuble offen Kritik an Helmut Kohl. Sie erntete für diesen Schritt viel Kritik, wurde „Nestbeschmutzerin“ genannt, bekam aber auch viel Zuspruch. Als auch Schäuble durch die Affäre immer mehr belastet wurde und zurücktreten musste, war Merkel eine der wenigen unbelasteten Nachfolge-Optionen. © imago stock&people | imago stock&people
Angela Merkel im März 2000 an der East Side Gallery in Berlin. Einen Monat später wurde sie auf dem CDU-Bundesparteitag in Essen zur Bundesvorsitzenden der Christdemokraten gewählt.
Angela Merkel im März 2000 an der East Side Gallery in Berlin. Einen Monat später wurde sie auf dem CDU-Bundesparteitag in Essen zur Bundesvorsitzenden der Christdemokraten gewählt. © imago stock&people | imago stock&people
Edmund Stoiber und Angela Merkel im Januar 2002: Bei der Bundestagswahl im September des Jahres erhielten SPD und Grüne zusammen 306 von 603 Sitzen – Unions-Kanzlerkandidat Stoiber hatte keine Chance, SPD-Chef Gerhard Schröder blieb Kanzler. Merkel buhlte mit Friedrich Merz um den Fraktionsvorsitz der Union – schließlich soll Stoibers Unterstützung Merkel den Zuschlag gesichert haben.
Edmund Stoiber und Angela Merkel im Januar 2002: Bei der Bundestagswahl im September des Jahres erhielten SPD und Grüne zusammen 306 von 603 Sitzen – Unions-Kanzlerkandidat Stoiber hatte keine Chance, SPD-Chef Gerhard Schröder blieb Kanzler. Merkel buhlte mit Friedrich Merz um den Fraktionsvorsitz der Union – schließlich soll Stoibers Unterstützung Merkel den Zuschlag gesichert haben. © imago stock&people | imago stock&people
Christian Wulff (l.), Merkel-Mentor und damaliger niedersächsischer CDU-Spitzenkandidat, Angela Merkel und Edmund Stoiber im Januar 2003: In diesem Jahr gab es CDU-Wahlerfolge bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen. Das stärkte die Position und den Einfluss der Oppositionsführerin Merkel im Bundestag.
Christian Wulff (l.), Merkel-Mentor und damaliger niedersächsischer CDU-Spitzenkandidat, Angela Merkel und Edmund Stoiber im Januar 2003: In diesem Jahr gab es CDU-Wahlerfolge bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen. Das stärkte die Position und den Einfluss der Oppositionsführerin Merkel im Bundestag. © imago stock&people | imago stock&people
2004 endete unter anderem die Amtszeit von Johannes Rau als Bundespräsident. Wolfgang Schäuble brachte sich für die Nachfolge in Stellung, wurde unter anderem von Friedrich Merz unterstützt. Am Ende wurde Horst Köhler (Mitte) gewählt, der als Kandidat Merkels galt.
2004 endete unter anderem die Amtszeit von Johannes Rau als Bundespräsident. Wolfgang Schäuble brachte sich für die Nachfolge in Stellung, wurde unter anderem von Friedrich Merz unterstützt. Am Ende wurde Horst Köhler (Mitte) gewählt, der als Kandidat Merkels galt. © imago stock&people | imago stock&people
Die SPD-Wahlschlappe in NRW im Mai 2005 veranlasste die Sozialdemokraten, eine vorgezogene Neuwahl des Bundestages anzustreben. Am 30. Mai entschieden sich CDU und CSU für Angela Merkel als Kandidatin.
Die SPD-Wahlschlappe in NRW im Mai 2005 veranlasste die Sozialdemokraten, eine vorgezogene Neuwahl des Bundestages anzustreben. Am 30. Mai entschieden sich CDU und CSU für Angela Merkel als Kandidatin. © imago/Hermann J. Knippertz | imago stock&people
Die „Bild“-Zeitung vom 11. Oktober 2005: Die Wahl im September hatte kein allzu eindeutiges Resultat geliefert, schließlich einigten sich Union und SPD am 10. Oktober auf eine Große Koalition – mit Kanzlerin Merkel.
Die „Bild“-Zeitung vom 11. Oktober 2005: Die Wahl im September hatte kein allzu eindeutiges Resultat geliefert, schließlich einigten sich Union und SPD am 10. Oktober auf eine Große Koalition – mit Kanzlerin Merkel. © imago stock&people | imago stock&people
Angela Merkel gibt am 22. November 2005 gegenüber dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert den Amtseid im Bundestag ab.
Angela Merkel gibt am 22. November 2005 gegenüber dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert den Amtseid im Bundestag ab. © imago/Fabian Matzerath | imago stock&people
Auch Amtsvorgänger Gerhard Schröder gehörte zu den Gratulanten.
Auch Amtsvorgänger Gerhard Schröder gehörte zu den Gratulanten. © imago stock&people | imago stock&people
Die Kanzlerin fiebert mit, als „die Welt zu Gast bei Freunden“ ist: Angela Merkel beim Achtelfinale der Fußball-WM 2006 zwischen Gastgeber Deutschland und Schweden in München.
Die Kanzlerin fiebert mit, als „die Welt zu Gast bei Freunden“ ist: Angela Merkel beim Achtelfinale der Fußball-WM 2006 zwischen Gastgeber Deutschland und Schweden in München. © imago stock&people | imago stock&people
Angela Merkel bekommt in Juni 2007 Blumen von José Manuel Barroso, dem damaligen Präsidenten der Europäische Kommission. 2007 trat Merkel erstmals die EU-Ratspräsidentschaft an.
Angela Merkel bekommt in Juni 2007 Blumen von José Manuel Barroso, dem damaligen Präsidenten der Europäische Kommission. 2007 trat Merkel erstmals die EU-Ratspräsidentschaft an. © imago stock&people | imago stock&people
Die deutsch-französischen Beziehungen wurden unter Merkel, hier im Jahr 2007, wieder intensiver. Vor allem ihr Verhältnis zum damaligen Staatspräsident Nicolas Sarkozy war sehr eng. „Merkozy“ hielt als fester Begriff Einzug in die europäischen Medien.
Die deutsch-französischen Beziehungen wurden unter Merkel, hier im Jahr 2007, wieder intensiver. Vor allem ihr Verhältnis zum damaligen Staatspräsident Nicolas Sarkozy war sehr eng. „Merkozy“ hielt als fester Begriff Einzug in die europäischen Medien. © imago stock&people | imago stock&people
2008 hielt Merkel dann auch Einzug ins Wachsfigurenkabinett von Madame Tussauds in London. Später kamen noch weitere Figuren hinzu für Ausstellungen in Berlin und Amsterdam.
2008 hielt Merkel dann auch Einzug ins Wachsfigurenkabinett von Madame Tussauds in London. Später kamen noch weitere Figuren hinzu für Ausstellungen in Berlin und Amsterdam. © imago/Paulo Amorim | imago stock&people
Bei der Bundestagswahl im September 2009 erhielten Union und FDP die notwendige Mehrheit der Stimmen für eine schwarz-gelbe Koalition. Merkel trat ihre zweite Amtszeit als Kanzlerin an – einer ihrer Stellvertreter in dieser Legislaturperiode war Guido Westerwelle.
Bei der Bundestagswahl im September 2009 erhielten Union und FDP die notwendige Mehrheit der Stimmen für eine schwarz-gelbe Koalition. Merkel trat ihre zweite Amtszeit als Kanzlerin an – einer ihrer Stellvertreter in dieser Legislaturperiode war Guido Westerwelle. © imago stock&people | imago stock&people
Im Juni 2011 erhielt Merkel aus den Händen von US-Präsident Barack Obama die Presidential Medal of Freedom, die höchste zivile Auszeichnung, die die USA zu vergeben haben – und nur eine von etlichen Ehrungen, die Merkel zuteil wurden.
Im Juni 2011 erhielt Merkel aus den Händen von US-Präsident Barack Obama die Presidential Medal of Freedom, die höchste zivile Auszeichnung, die die USA zu vergeben haben – und nur eine von etlichen Ehrungen, die Merkel zuteil wurden. © imago stock&people | imago stock&people
Eine ihrer tiefgreifendsten Entscheidungen traf die Kanzlerin im Jahr 2011: Nach der Atomkatastrophe von Fukushima verkündete sie den schnellen Atomausstieg der Bundesregierung. Im Wahlkampf 2009 war sie noch dafür eingetreten, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern. Es gab viel Kritik, auch parteiintern, der Großteil der Bevölkerung trug die Entscheidung allerdings mit.
Eine ihrer tiefgreifendsten Entscheidungen traf die Kanzlerin im Jahr 2011: Nach der Atomkatastrophe von Fukushima verkündete sie den schnellen Atomausstieg der Bundesregierung. Im Wahlkampf 2009 war sie noch dafür eingetreten, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern. Es gab viel Kritik, auch parteiintern, der Großteil der Bevölkerung trug die Entscheidung allerdings mit. © imago stock&people | imago stock&people
Der Start von Merkels dritter Amtszeit: Nachdem die FDP bei der Bundestagswahl am 22. September 2013 den Einzug in den Bundestags verpasst hatte, einigten sich die Parteispitzen Sigmar Gabriel (SPD), Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) auf eine Große Koalition.
Der Start von Merkels dritter Amtszeit: Nachdem die FDP bei der Bundestagswahl am 22. September 2013 den Einzug in den Bundestags verpasst hatte, einigten sich die Parteispitzen Sigmar Gabriel (SPD), Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) auf eine Große Koalition. © imago stock&people | imago stock&people
Für ihre Reaktionen auf die Griechenlandkrise, die Flüchtlingskrise und die Bedrohung durch den „Islamischen Staat“ ehrte das Time Magazine Angela Merkel als „Person of the Year 2015“. Vor der so betitelten „Kanzlerin der freien Welt“ hatten nur drei Deutsche diese Auszeichnung erhalten.
Für ihre Reaktionen auf die Griechenlandkrise, die Flüchtlingskrise und die Bedrohung durch den „Islamischen Staat“ ehrte das Time Magazine Angela Merkel als „Person of the Year 2015“. Vor der so betitelten „Kanzlerin der freien Welt“ hatten nur drei Deutsche diese Auszeichnung erhalten. © Time Magazine | Time Magazine
Angela Merkel heute: In der Flüchtlingskrise blieb sie ihrem liberalen Kurs treu, trotz großer Kritik von Unionspolitikern und einigen EU-Ländern.
Angela Merkel heute: In der Flüchtlingskrise blieb sie ihrem liberalen Kurs treu, trotz großer Kritik von Unionspolitikern und einigen EU-Ländern. © imago/Sven Simon | imago stock&people
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Im Wahlkampf „respektvoll miteinander streiten“

Der künftige US-Präsident Donald Trump sprach von den vergessenen Männern und Frauen, um die er sich kümmern werde. Auch Sie wollen „Modernisierungsverlierer“ zurückgewinnen. Ist es der gleiche Ansatz? Welche Lehren haben Sie aus der US-Wahl gezogen?

Merkel: Ich möchte nicht, dass der Wahlkampf in Deutschland in dem Ton geführt wird, der zum Teil im US-Wahlkampf geherrscht hat. Wir wollen respektvoll miteinander streiten; so werde ich es jedenfalls halten. Mein Ansatz ist es, Politik für alle Menschen zu machen. Der Zusammenhalt ist mir besonders wichtig, er ist Deutschlands große Stärke. Man sollte von den amerikanischen Verhältnissen nicht zu einfach auf Deutschland rückschließen. Schon die Sozialsysteme unterscheiden sich sehr voneinander.

„Wir müssen jedem ein Angebot machen. Das ist der Anspruch der CDU als Volkspartei“, sagt die Bundeskanzlerin.
„Wir müssen jedem ein Angebot machen. Das ist der Anspruch der CDU als Volkspartei“, sagt die Bundeskanzlerin. © Laurence Chaperon | Laurence Chaperon

Für uns sehe ich insbesondere die Herausforderung darin, die Lebensbedingungen in Stadt und Land vergleichbar zu gestalten. Wir sehen, dass wir die ländlichen Räume gegenüber den Städten stärken müssen. Es muss auch auf dem Land attraktive Arbeitsplätze, die notwendige Versorgung mit allem und Anbindung an das Verkehrsnetz, aber auch das digitale Netz geben, damit auch diese Regionen lebenswert und wettbewerbsfähig sind. Wir helfen daher den finanzschwachen Kommunen und legen Programme für den ländlichen Raum auf.

Haben Sie sich mal gefragt, ob Sie sich selbst ändern müssen? Eine andere Ansprache finden, emotionaler auftreten? Der Erfolg der AfD zeigt, dass Populisten nicht nur in den USA auf dem Vormarsch sind.

Merkel: Wir müssen jedem ein Angebot machen. Das ist der Anspruch der CDU als Volkspartei. Für mich ist jeder Bürger ein Teil des Volkes. Die Digitalisierung hat die Kommunikationsformen massiv verändert. Die sozialen Medien sind für viele eine wichtige oder sogar die wichtigste Informationsquelle. Wir Politiker müssen uns immer aufs Neue fragen, wie wir die Menschen erreichen. Ich persönlich mache mich mit meinen Fähigkeiten, so wie ich bin, an die Arbeit.

Menschen, die sich jedoch nie ändern, sind festgefahren. Ich denke da an Bertolt Brechts berühmte Geschichte von Herrn K., dem einer sagte, er habe sich gar nicht verändert. Und Brecht schreibt dazu: „Oh, sagte Herr K. und erbleichte.“ Das Leben heißt also immer auch Veränderung. Mein Grundansatz aber, wie ich an die Politik und die Menschen herangehe, der wird immer unverändert bleiben.

„Deutschland ist ein Land, das die Religionsfreiheit achtet“

Nach einer Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung glauben 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, Deutschland werde durch den Islam unterwandert. Wie wollen Sie auf diese Sorgen eingehen?

Merkel: Deutschland ist ein Land, das die Religionsfreiheit achtet. Das äußert sich in der staatlichen Neutralität und dem Respekt gegenüber allen Religionen. Wo wir islamistische, salafistische Tendenzen sehen, gehen wir dagegen vor. Ansonsten ist unser Zusammenleben durch das Grundgesetz mit seinen zentralen Werten geregelt, wie die Meinungs- und Religionsfreiheit, die Gleichberechtigung der Frau und anderes mehr.

Sind die stärkere Polarisierung in der Gesellschaft und das Erstarken der AfD die Folge Ihrer Flüchtlingspolitik?

Merkel: Natürlich hat die Ankunft so vieler Flüchtlinge die Gesellschaft polarisiert. Erst ging es um ihre Aufnahme, dann um die Frage, ob sie bleiben dürfen und sich integrieren werden. Ich sehe es als meine Aufgabe, möglichst viele Menschen, die sich nicht verstanden fühlen, zurückzugewinnen. Das kann dann gelingen, wenn wir die entstandenen Probleme gut lösen.

Machen Sie sich selbst Vorwürfe?

Merkel: Nein, denn in der historischen Situation war es richtig, Menschen, die vor Krieg und Verfolgung flohen, Zuflucht zu geben. Wir und alle Welt haben uns jedoch vorher zu spät um die Situation in den Flüchtlingslagern im Libanon und in Jordanien gekümmert. Richtig dagegen war es, gleich im Spätsommer des vergangenen Jahres zu beginnen, ordnend und steuernd einzugreifen und an der EU-Türkei-Vereinbarung zu arbeiten, die wir dann ja auch bald umsetzen konnten. Sie hat die illegale Migration über die Ägäis deutlich reduziert, sie entzieht den kriminellen Schleppern die Geschäftsgrundlage und beendete damit auch den unerträglichen Zustand, dass beinahe täglich zwischen der Türkei und Griechenland Menschen ertranken.

Mit derselben Türkei, die damit droht, die Flüchtlinge wieder ungehindert nach Westeuropa passieren zu lassen. Halten Sie das für eine leere Drohung?

Merkel: Die EU erfüllt ihre Verpflichtungen aus der EU-Türkei-Vereinbarung. Gleiches erwarten wir auch von der Türkei. Diese Zusammenarbeit ist im beiderseitigen Interesse. Niemand kann wollen, dass wieder jeden Monat Hunderte Menschen in der Ägäis ertrinken und mafiöse Schleuserbanden daran viel Geld verdienen.

Haben Sie sich zu sehr vom türkischen Präsidenten Erdogan abhängig gemacht?

Merkel: Nein. Wir haben eine europäisch-türkische Zusammenarbeit, die für beide Seiten gleichermaßen sinnvoll ist.

Wird die Bundestagswahl zum Plebiszit über ihre Flüchtlingspolitik?

Merkel: Sie wird, wie jede Wahl, eine Entscheidung darüber sein, wem die Bürger zutrauen, die Probleme zu lösen und das Land auf gutem Weg zu halten. Da geht es um die persönlichen Lebenswünsche der Menschen genauso wie um Fragen von Frieden und Sicherheit. Ich habe im Zuge der Regionalkonferenzen der CDU den Eindruck gewonnen, dass sich die Menschen sowohl mit der Flüchtlingspolitik als auch mit vielen anderen Themen beschäftigen.

Wie viele Narben hat der gut einjährige Streit mit der CSU hinterlassen?

Merkel: CDU und CSU haben in einem Punkt, der ohne Zweifel nicht unwichtig ist, eine unterschiedliche Auffassung. Damit sollten wir leben können. CDU und CSU haben aber zugleich in so vielen anderen Punkten, auch beim Thema Zuwanderung, gemeinsame Auffassungen. Viel schwerer als die Unterschiede wiegt das breite Fundament unserer gemeinsamen Überzeugungen. Das trägt, und auf dem werden wir ein gemeinsames Wahlprogramm erarbeiten.

Können Sie sich auf Horst Seehofer verlassen?

Merkel: Was wir besprechen, das wird eingehalten.

Eine vierte Kanzlerkandidatur „ist nicht trivial“

Sie haben kürzlich Ihre erneute Kandidatur angekündigt. Verraten Sie uns, wann Sie sich tatsächlich dazu entschieden haben?

Merkel: Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, weil eine vierte Kandidatur nicht trivial ist. Es geht um eine Entscheidung für vier Jahre.

Was gab letztlich den Ausschlag?

Merkel: Mich haben viele ermutigt, die mir sagten: „Du musst das machen in einer schwierigen Situation, du bist ein Faktor der Stabilität“. All denen habe ich gesagt, dass mich das ehrt, dass ich alleine aber gar nichts schaffen kann, dass ich die Unterstützung sehr vieler Menschen in meiner Partei und darüber hinaus brauche.

Haben Sie mit Ihrem Mann besprochen, was er davon hält?

Merkel: Ich spreche über meine privaten Gespräche im Allgemeinen nicht öffentlich, dabei belasse ich es auch hier.

Ihnen war es immer wichtig, den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der Politik zu finden. Ihre Amtsvorgänger sind meist abgewählt oder von ihrer Partei abgeschüttelt worden. Gibt es in Ihrem Amt überhaupt einen selbstbestimmten Abgang?

Merkel: Das wird sich zeigen. Es geht um die Abwägung zwischen Selbstbestimmung und Verantwortung für andere. Es geht ja nicht in erster Linie und schon gar nicht allein um mich, sondern um die Zukunft unseres Landes wie auch die der Partei, die mir viel gegeben hat. Ich weiß, dass ich unserem Land und meiner Partei davon noch etwas zurückgeben kann und möchte.