Bogotá. Der erste Versuch war beim Volk durchgefallen. Beim zweiten Anlauf war es dann außen vor. Der Kongress stimmte für den Friedensvertrag.

Nach über 50 Jahren Konflikt ist der Weg frei für ein Ende des Guerillakrieges der linken Farc-Rebellen in Kolumbien. Nach dem Senat billigte auch das Parlament am Mittwochabend (Ortszeit) in Bogotá das seit vier Jahren auf neutralem Boden in Kuba ausgehandelte Abkommen, das nun in Kraft treten kann und den blutigen Konflikt beendet.

130 Abgeordnete stimmten dafür, keiner mit Nein, allerdings hatten Gegner bewusst nicht an der Abstimmung teilgenommen. Schon beim Votum im Senat gab es ein eindeutiges Ergebnis: 75:0 Stimmen.

UN-Blauhelme sollen Waffenabgabe überwachen

Für Präsident Juan Manuel Santos, der für seine Bemühungen der Friedensnobelpreis zugesprochen bekommen hat, ist es die Krönung seiner politischen Karriere. Er dankte unmittelbar nach dem Votum dem Kongress für den „historischen Rückhalt und die Hoffnung auf Frieden für die Kolumbianer“.

Im Juni hatte sich die kolumbianische Regierung mit der Guerillaorganisation Farc auf einen Waffenstillstand geeinigt. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos (l) beim Handschlag mit dem Farc-Kommandeur Rodrigo Londoño alias „Timochenko“. Kubas Raúl Castro schaut zu.
Im Juni hatte sich die kolumbianische Regierung mit der Guerillaorganisation Farc auf einen Waffenstillstand geeinigt. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos (l) beim Handschlag mit dem Farc-Kommandeur Rodrigo Londoño alias „Timochenko“. Kubas Raúl Castro schaut zu. © dpa | Alejandro Ernesto

Er hatte im Vorfeld betont, „künftige Generationen fordern, dass wir ihnen ein neues Land übergeben, ein Land in Frieden.“ Wenn nun alles glattgeht, sollen die noch 5800 Kämpfer noch in diesem Jahr mit der Abgabe der Waffen beginnen – Hunderte UN-Blauhelme und das Militär sollen den Prozess überwachen.

Mahnmale aus eingeschmolzenen Waffen werden errichtet

Innerhalb von sechs Monaten soll die Abgabe abgeschlossen sein, die in 28 festgelegten ländlichen Zonen stattfinden soll, wo die „Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia“ („Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“) zuletzt aktiv waren. Rund 12.000 Soldaten sollen die Waffenabgabe sichern.

Mit den eingeschmolzenen Waffen sollen drei Kriegsmahnmale in New York (Sitz der UN), Kuba (Ort der Friedensverhandlungen) und Kolumbien gebaut werden. Die Guerilla kann danach mit der Gründung einer Partei beginnen, um Ziele wie eine gerechtere Landverteilung und Unterstützung der armen Landbevölkerung zu verfolgen. Als Sozialleistung soll jeder bisherige Guerillakämpfer anfangs monatlich eine Unterstützung von rund 215 US-Dollar bekommen.

Volk lehnte Friedensvertrag in Referendum ab

Seit 2012 war in Havanna verhandelt worden. Ende September wurde eine erste Version im Beisein vieler Staats- und Regierungschefs unterzeichnet. Dann aber lehnte das Volk das Abkommen in einem Referendum am 2. Oktober mit knapper Mehrheit ab – eine Zustimmung nur des Kongresses hätte gereicht, aber Santos wollte den größtmöglichen Rückhalt.

Die Gegner um den früheren Präsidenten Álvaro Uribe kritisieren zu milde Strafen und dass auch die Anführer der Guerilla, die sie für Verbrechen verantwortlich machen, sich künftig politisch betätigen können. Der Vertrag wurde überarbeitet. Strafregelungen wurden etwas verschärft, zudem soll das Vermögen der Rebellen, die sich über Drogenhandel finanzieren, zur Entschädigung der Opfer herangezogen werden.

Hoffnung auf Schub für den Tourismus

Vor einer Woche wurde der Vertrag erneut unterzeichnet. Unterschrieben wurde er mit einem aus einer Patronenhülse gefertigten Kugelschreiber. „Unsere Vergangenheit wurde mit Kugeln geschrieben, die Bildung wird unsere Zukunft schreiben“, war darauf zu lesen. Beim zweiten Anlauf war das Volk außen vor. Uribes Partei Centro Democrático boykottierte das Votum.

Santos will nun auch mit der kleineren ELN-Guerilla ein ähnliches Abkommen schließen, um den Frieden komplett zu machen. Am 10. Dezember wird er aber zunächst in Oslo den Lohn für seine Mühen bekommen: den Friedensnobelpreis. Die Wirtschaft setzt durch einen Friedensschluss mit der Farc und die damit einhergehende Befriedung wichtiger Regionen auf ein Plus beim Wirtschaftswachstum von bis zu drei Prozent sowie auf einen großen Schub für den Tourismussektor.

Die wichtigsten Punkte des neuen Friedensvertrags im Überblick:

SONDERJUSTIZ: Ein Sondertribunal soll die im Konflikt verübten Verbrechen aufklären. Geständige Täter müssen für maximal acht Jahre in Haft – in vielen Fällen soll aber auch Hausarrest möglich sein. Das stößt auf viel Widerstand. Hier gab es eine leichte Verschärfung: Zwar können Ex-Kämpfer Arreststrafen auf Farmen verbüßen, wo sie soziale Arbeit verrichten. Die Bewegungsfreiheit soll aber stark beschränkt werden. UN-Blauhelmsoldaten werden sie bewachen. Aber: Urteile der Sonderjustiz können vor dem Verfassungsgericht angefochten werden – der Punkt wurde neu hineinverhandelt.

OPFERENTSCHÄDIGUNG: Die Farc müssen ihr Vermögen offen legen. Es soll zur Entschädigung der Opfer herangezogen werden – das ist der wichtigste neue Punkt im überarbeiteten Abkommen. Über wie viel Geld die Rebellen verfügen, ist aber völlig unklar. Ebenso, wie man Zugriff darauf bekommen soll. Mit Drogenhandel, illegalem Bergbau und Schutzgelderpressung hat die Guerilla erhebliche Summen verdient.

POLITISCHE TEILHABE: Die Ex-Guerilleros sollen künftig politisch für ihre Ziele eintreten. Für die nächsten zwei Wahlperioden bekommen sie mindestens je fünf Sitze im Senat und in der Abgeordnetenkammer garantiert. Danach müssen sie ihre Mandate im normalen Wahlprozess gewinnen. Der Staat garantiert die freie politische Beteiligung der Ex-Kämpfer. Kritiker des Abkommens monieren, dass auch für schwere Verbrechen verantwortliche Rebellenführer bei Wahlen antreten dürfen.

LANDREFORM: Die extreme Konzentrierung des Landbesitzes war einer der Auslöser des Konflikts. Nun soll Grund und Boden gerechter verteilt werden. Ein Fonds soll in den kommenden zehn Jahren drei Millionen Hektar Land verteilen. Außerdem sieht der Plan unter anderem den Bau von Häusern, Schulungen für Bauern und den Aufbau von Vertriebsstrukturen für landwirtschaftliche Produkte vor. Der Schutz von Privateigentum wird garantiert. Damit wird den Befürchtungen von Großgrundbesitzern entgegen getreten, sie könnten enteignet werden.

ENDGÜLTIGER WAFFENSTILLSTAND: Die Farc stellen alle Operationen ein und geben den bewaffneten Kampf auf. Die Kämpfer sollen sich in 28 Zonen im ganzen Land sammeln und ihre Waffen den Vereinten Nationen übergeben. Die ehemaligen Farc-Mitglieder erhalten für zwei Jahre eine monatliche Basisrente und eine Einmalzahlung von zwei Millionen Pesos (rund 610 Euro). Die staatlichen Sicherheitskräfte beschützen die ehemaligen Rebellen, die Waffen werden eingeschmolzen.

DROGENPOLITIK: Die Farc müssen alle Informationen über den Drogenhandel offen legen. Künftig sollen statt Repression Prävention, Schutz der Menschenrechte und Hilfe für die Bauern im Zentrum der Drogenpolitik stehen. Schritt für Schritt sollen die Koka- und Marihuana-Plantagen durch Anbauflächen für legale landwirtschaftliche Produkte ersetzt werden. Die Bauern werden bei der Umstellung unterstützt – aber Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass der Kokaanbau zu lukrativ ist, um ihn so wirklich eindämmen zu können. (dpa)