Berlin. Bisher gelten illegale Autorennen als Ordnungswidrigkeit. Heiko Maas will das ändern. Er fordert ein zügiges Vorgehen gegen die Raser.

Der vergangene Sonntagabend im Norden von Berlin: An der Ampel stehen ein BMW und ein Mercedes. Die Fahrer sind 20 und 24 Jahre alt, sie lassen die Motoren aufheulen. Bei Grün drücken sie das Gaspedal durch. Sie überholen sich immer wieder gegenseitig, bis die Polizei sie drei Kilometer später stoppt.

„Beide Autofahrer zeigten sich uneinsichtig“, heißt es im Polizeibericht, einer habe keinen Führerschein gehabt. Beide Männer bekommen Bußgeldbescheide zugeschickt.

Nicht nur für die Polizisten in Berlin ist das Routine. In vielen Städten gibt es inzwischen eine Szene von Leuten, die mitten in der Stadt Rennen veranstalten – ohne Rücksicht auf Verluste. In Siegen konnte sich ein Fußgänger kürzlich nur durch einen Hechtsprung auf den Bürgersteig vor zwei heranrasenden Autos retten.

Bislang gelten illegale Autorennen als Ordnungswidrigkeit

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nennt solches Verhalten „ein Hobby von Verrückten“, das man dringend härter bestrafen müsse. „Wir müssen alles tun, um die Menschen vor solchen Verrückten zu schützen“, sagte Maas dieser Redaktion. Angesichts der Entwicklung auf den Straßen sei es „vernünftig, dass wir rasch gesetzlich reagieren“.

Bisher ist in der Regel nur ein Bußgeld von 400 Euro vorgesehen und ein einmonatiges Fahrverbot. Weil der gesetzliche Rahmen bislang nicht viel mehr hergibt, versuchen Richter, die Raser auf andere Weise zu stoppen: In Berlin läuft derzeit ein Prozess, bei dem zwei Männer wegen Mord angeklagt sind. Sie hatten sich auf dem Kudamm ein Rennen geliefert, bei dem ein unbeteiligter Rentner gestorben war.

Auch in Bremen hat die Staatsanwaltschaft einen Motorradfahrer wegen Mord angeklagt, weil ein Mensch starb, als der Mann durch die Stadt raste. Zuvor war er mehrfach mit Autofahrern um die Wette gefahren. Videos davon stellte er ins Internet, wo er eine Fangemeinde hat.

Der Gesetzentwurf spricht nun von einer Straftat

Um solche Exzesse künftig zu verhindern, legt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nun einen Gesetzentwurf vor, der illegale Rennen – und auch schon den Versuch dazu – nicht mehr nur als Ordnungswidrigkeit einstuft, sondern als Straftat. Das bedeutet, dass es kein Bußgeld gibt, sondern dass sofort eine Freiheitsstrafe verhängt werden kann.

Im Regelfall soll sie zwei Jahre betragen. In schweren Fällen, wenn also das Leben anderer Menschen in Gefahr war oder schwerer Sachschaden entstanden ist, können es bis zu fünf Jahre sein. Führt ein illegales Rennen gar zum Tod eines Menschen, kann der Täter sogar bis zu zehn Jahre in Haft kommen.

Der Führerschein kann für bis zu fünf Jahre entzogen werden

„Die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten haben sich in der Praxis als unzureichend erwiesen“, heißt es in dem Gesetzentwurf, der dieser Redaktion vorliegt. „Sie entfalten kaum mehr Abschreckungswirkung.“ Grund dafür sei, dass bisher nur Bußgelder verhängt werden konnten.

Auch konnte nur ein Fahrverbot für maximal drei Monate erteilt werden – die Täter bekamen ihren Führerschein anschließend automatisch wieder. Künftig sollen die Behörden den Führerschein komplett entziehen können, was bedeutet, dass die Raser ihn neu beantragen müssen. Sechs Monate bis fünf Jahre kann eine solche Sperre dauern. Auch das Auto der Raser soll künftig eingezogen werden können.

Beides, der Entzug von Führerschein und Fahrzeug, wird von Experten als besonders effektive Strafe betrachtet, weil sich die Raser in der Regel über ihre Autos identifizieren.

Idee stammt aus Nordrhein-Westfalen

Konkret will Dobrindt das Straßenverkehrsgesetz (StVG) ändern. Hier sollen ein neuer Paragraf 6a und ein neuer Paragraf 23a eingefügt werden. Inhaltlich ist der Vorschlag des Verkehrsministers weitgehend identisch mit einem Gesetzentwurf, den der Bundesrat im September auf Initiative des nordrhein-westfälischen Justizministers Thomas Kutschaty (SPD) beschlossen hatte. Dieser Entwurf zielte darauf, das Strafgesetzbuch (StGB) zu ändern und dort einen neuen Paragrafen für Autorennen einzuführen.

Dobrindts Juristen halten das aber für weniger praktikabel. Überhaupt hatte der Verkehrsminister zunächst gar keine Notwendigkeit für härtere Strafen gesehen. Illegale Rennen könnten auch jetzt schon mit 2000 Euro Bußgeld oder sogar mit Freiheitsstrafe belegt werden, hatte er im Herbst gesagt.

Um die Rennen zu verhindern, müsse man nur stärker kontrollieren. Inzwischen hat der CSU-Politiker seine Meinung geändert und sagt: „Um die abschreckende Wirkung zu erhöhen, verschärfen wir die Strafen.“ Illegale Rennen seien eine Gefahr für die Allgemeinheit.

Union fürchtet weniger Verurteilungen

Erwartet wird nun, dass der Gesetzentwurf der Länder nicht weiterverfolgt wird und stattdessen Dobrindts zum Teil wortgleicher Entwurf vom Bundestag beschlossen wird.

Die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, begrüßt die Pläne des Verkehrsministers grundsätzlich. Ihre Befürchtung ist aber: „Ein solches Rennen ist im konkreten Fall schwer nachzuweisen, und es würde kaum mehr Verurteilungen geben.“

Mit Blick auf den Fall in Bremen, bei dem der Motorradfahrer überwiegend allein durch die Stadt raste und andere Menschen gefährdete, fordert Winkelmeier-Becker auch eine Ergänzung des Entwurfs, um „bloßes Rasen durch Innenstädte“ hart zu bestrafen.

„Absurd wird es, wenn diese Täter sich dabei selbst auch noch filmen, diese Filme ins Netz stellen und damit sogar Einnahmen haben. Solche Raserei muss ebenfalls erfasst werden.“