Berlin. Syrien, Trump und Russland: Wie steht Steinmeier zu den großen Themen? Eine Auswahl von beispielhaften Zitaten des Außenministers.
Nach langem Gezerre hat sich die große Koalition auf einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten geeinigt: Der SPD-Politiker und Außenminister Frank-Walter Steinmeier geht für die Nachfolge von Joachim Gauck im Februar ins Rennen. Der Schröder-Vertraute schob die „Agenda 2010“ mit an und bewegt sich seit fast 20 Jahren im Politikbetrieb. Wie steht er zu den großen Themen? Eine Auswahl von Zitaten.
Über die Rolle Deutschlands: „Der Zustand dieser Welt ist in der Tat nicht gut. Oder mit anderen Worten – die Welt ist aus den Fugen“ (Uno-Hauptsitz in New York, September 2014)
Wenige Reden des Konsenskandidaten von SPD und Union sind in Erinnerung geblieben, das Zitat von der „Welt aus den Fugen“ gehört dazu. Als Außenminister griff der 60-Jährige in gleich mehreren Vorträgen zu dieser Formulierung, unter anderem bereits vor den Vereinten Nationen im Jahr 2014 in New York.
Steinmeier knüpft diese Warnung an ein stärkeres internationales Engagement Deutschlands. Angesichts der Vielzahl von Krisen müssten sich Staaten ihrer Verantwortung stellen. Deutschland sei bereit, diese Verantwortung in und mit der UNO zu übernehmen, sagte er bei der UN-Generaldebatte.
Deutsche Bundespräsidenten seit 1949
Über Donald Trump: „Oder ob das die Hassprediger sind, wie Donald Trump im Augenblick in den USA.“ (Außenpolitik-Fragestunde in Rostock, August 2016)
Der ehemalige Vizekanzler Steinmeier scheute sich auch während des US-Wahlkampfes nicht vor deutlichen Worten. Er mahnte wiederholt vor Populismus und dessen Folgen. „Was sie alle eint, diese unterschiedlichen Parteien und Personen: Sie spielen mit den Ängsten der Menschen, sie machen mit Angst Politik.“
Das sei ein „Brandsatz für die Gesellschaft“, dessen Feuer später womöglich Flüchtlingsheime in Brand setze. Auch nach der Wahl von Donald Trump blieb der Außenminister, sonst stets um eine gute transatlantische Beziehung bemüht, bei seiner Haltung: Unumwunden sagte er in der ARD, dass das „Wahlergebnis anders ist, als es sich die meisten Deutschen gewünscht hätten.“
Über den Bürgerkrieg in Syrien: „Wenn der Waffenstillstand überhaupt noch eine Chance haben soll, führt der Weg nur über ein zeitlich begrenztes, aber vollständiges Verbot aller militärischen Flugbewegungen über Syrien.“ (Uno-Hauptsitz in New York, September 2016)
Mit der Forderung nach einer Flugverbotszone für Syrien ging der Außenminister auf Konfrontation mit Russland und der Assad-Regierung, die darin einen Eingriff in das Völkerrecht sehen.
Steinmeier begründete den Vorschlag damit, dass die Vereinten Nationen so die Möglichkeit hätten, ihre Hilfslieferungen für die notleidenden Menschen in Syrien wieder aufzunehmen. „Gleichzeitig schafft es Raum für präzise Verabredungen in der Syrien-Unterstützergruppe zum koordinierten Vorgehen gegen IS und Al-Kaida und für einen Rückweg in Verhandlungen über eine Übergangsregierung für Syrien.“
Über den Nahost-Prozess: „Hoffentlich gibt es bis zum Jahresende noch Ergebnisse.“ (Nach dem Treffen mit dem palästinensischen Regierungschef Rami Hamdallah, Oktober 2016)
Überraschend optimistisch zeigt sich Steinmeier mit Blick auf eine Zwei-Staaten-Lösung in Nahost. Er hoffe noch vor Ende des Jahres auf neue Impulse für den ins Stocken geratenen Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern.
Während er Deutschlands Rolle in anderen Konflikten mehr Verantwortung zubilligt, spricht er sich gegen eine originär deutsche Initiative in Israel aus: „Es wäre auch ganz falsch, in einen Wettbewerb von Initiativen untereinander und miteinander – zumal unter den europäischen Partnern – einzutreten.“ Frankreich hatte im Juni Vertreter von 29 Staaten und internationale Organisationen zu einer Nahost-Konferenz nach Paris eingeladen und will den Friedensprozess vorantreiben.
Über die Russland-Strategie der Nato: „Was wir jetzt nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anheizen“ („Bild am Sonntag“, Juni 2016)
Diese Warnung löste im Militärbündnis heftige Irritationen aus. Im Gespräch mit unserer Redaktion verteidigte der Außenminister seine Überzeugung: „Es muss uns ein gemeinsames Ziel sein, nach zweieinhalb schwierigen Jahren wieder mehr Sicherheit zu erreichen, für alle in Europa“, sagte er. Und fügte hinzu: „Einen Rückfall in eine neue, alte Konfrontation dürfen wir nicht zulassen.“ Gleichzeitig warnte der SPD-Politiker wiederholt vor einer schleichenden Akzeptanz der Annexion der Krim.
Über die Debattenkultur: Es herrscht „eine immer aggressivere Abneigung gegen Fakten“ (Beitrag für die „FAZ“, November 2016)
Der mögliche nächste Bundespräsident befürchtet, dass eine sich ausbreitende Debattenkultur eine „tödliche Gefahr für unser politisches Gemeinwesen“ darstellt. Es sei „überlebenswichtig für unsere demokratische Gesellschaft“, dass Debatten auf der Grundlage von Fakten geführt würden.
„Nur so erhalten wir unsere Fähigkeit zum produktiven, wahrheitssuchenden Dialog», schreibt der SPD-Politiker. Mit Blick auf den US-Wahlkampf, die Brexit-Kampagne, die Lage in Russland und auch die Debatte in Deutschland, klagt Steinmeier, die „Ruchlosigkeit“ lasse einen „fast sprachlos zurück, mit der im grellen Licht der Öffentlichkeit Fakten verbogen und abgestritten werden, (...) ja schlicht gelogen wird.“
Womöglich könnte das eines der großen Themen werden, an denen sich ein Bundespräsident Steinmeier abarbeitet. (mit dpa)