Berlin. Justizminister Heiko Maas will bis Jahresende ein Gesetz gegen Kinderehen vorlegen. Aber die große Koalition ist sich uneinig darüber.

Ob in Afghanistan, Indien, Jemen oder Syrien: Weltweit leben nach Angaben der Vereinten Nationen rund 700 Millionen Frauen in einer Ehe, die bereits in Kindestagen geschlossen wurde. In der Regel bestimmen die Eltern den Partner, nicht selten gegen den ausdrücklichen Wunsch der Mädchen. Und die Zahl steigt. Täglich werden rund 47.700 Kinder unter 18 Jahren verheiratet, schätzt die Deutsche Stiftung für Weltbevölkerung (DSW).

Auch in Deutschland nimmt durch die Ankunft von Flüchtlingen die Zahl verheirateter Kinder zu. Laut Ausländerzentralregister leben in Deutschland derzeit 1475 verheiratete Jugendliche. 361 von ihnen sind jünger als 14 Jahre, weitere 120 sind zwischen 14 oder 15 Jahre alt. Die meisten kommen aus Syrien, es sind aber auch Fälle aus Afghanistan, dem Irak und Bulgarien bekannt.

Jugendliche dürfen ab 16 heiraten – mit einer Bedingung

Während in mehreren Ländern die Hochzeit mit Minderjährigen erlaubt ist, gelten in Deutschland striktere Regeln. So dürfen Jugendliche hierzulande frühestens mit 16 heiraten – aber auch nur, wenn der Partner volljährig ist.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will verheiratete Jugendliche, die nach Deutschland geflüchtet sind, nun aus Zwangsehen befreien. Sein Ministerium plant dazu ein entsprechendes Gesetz, das zum Jahresende vorliegen soll. „Wenn Menschen zu uns kommen, die unter 16 Jahren geheiratet haben, soll ihre Ehe ausnahmslos unzulässig sein“, sagte Maas am Sonnabend.

Duldung nur „in absoluten Ausnahmefällen“

Zwangsehen dürfe man nicht dulden, erst recht nicht, wenn minderjährige Mädchen betroffen seien. Darüberhinaus sollten Ehen, die zwischen 16 und 18 Jahren geschlossen wurden, „nur noch in absoluten Ausnahmefällen genehmigt werden können, wenn das unter besonderer Berücksichtigung eines konkreten Einzelfalls geboten ist“, sagte Maas.

Im Vordergrund solle bei jeder Entscheidung immer das Wohl der betroffenen Frau stehen und „auch die Frage, wie wir in der Ehe bereits geborene Kinder am besten schützen können“.

Ehe-Aufhebung bei Gefährdung des Kindeswohls

Maas widersprach damit einem Bericht der „Bild“-Zeitung, wonach er Kinderehen unter Umständen doch dulden wolle. Die Zeitung hatte sich auf einen angeblichen Gesetzentwurf aus dem Justizministerium bezogen, aus dem auch das Magazin „Spiegel“ zitiert. Danach sollen die Ehen dann aufgehoben werden, wenn das Kindeswohl des minderjährigen Ehepartners gefährdet sei.

Eine Sprecherin des Justizministeriums betonte, es handele sich um eine veraltete Version eines Entwurfs. Der endgültige Gesetzentwurf werde bis Jahresende zur Abstimmung an die anderen Bundesministerien gehen.

Unterschiedliche Auffassungen über Gesetz

Maas hatte für die Erarbeitung des Gesetzes vor mehreren Wochen eine Arbeitsgruppe einberufen, die sich aus Vertretern des Justiz-, Familien- und Innenministeriums sowie des Kanzleramts zusammensetzt. Dabei sind außerdem die Länder Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein. Offenbar aber gibt es innerhalb der großen Koalition noch sehr unterschiedliche Auffassungen über die Eckpunkte des Gesetzes.

Während Christdemokraten das heiratsfähige Alter auf 18 Jahre festschreiben wollen, können sich Sozialdemokraten auch Ausnahmen ab 16 Jahren vorstellen. Man solle konsequent dafür sorgen, dass auch in Ausnahmefällen keine Ehen mit Minderjährigen geschlossen werden könnten, sagte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, der CDU-Politiker Günter Krings, dem „Spiegel“.

Save the Children befürchtet Anstieg von Kinderehen

Die Menschenrechtsorganisation Save the Children fürchtet unterdessen, dass die Zahl der Mädchen, die weltweit vor dem 18. Lebensjahr verheiratet werden, bis zum Jahr 2050 auf 1,2 Milliarden steigen könnte.

Die frühe Verheiratung bringe zahlreiche Benachteiligungen mit, wie das vorzeitige Verlassen der Schule, Missbrauch und frühe Schwangerschaften, mahnte jüngst die Geschäftsführerin in Deutschland, Susanna Krüger, und forderte die Politik zum Handeln auf: „Kinderehen sind der Anfang eines Teufelskreises aus Benachteiligungen, der Mädchen die grundlegenden Rechte auf Bildung, Entwicklung und Kindsein verwehrt.“