Paris. Terror und Wirtschaftskrise lassen Bürger keinen Ausweg aus dem Dilemma finden. Es herrscht politische Alternativlosigkeit im Land.

Pessimismus, dein Vorname lautet Franzose. Bereits seit Jahrzehnten weisen Umfragen unseren Nachbarn eine Spitzenstellung unter jenen Völkern zu, deren Blick auf die Zukunft am düstersten ist. Wer den Charakter der Gallier kennt, quittierte diese Erkenntnis der Meinungsforscher gerne mit einem Achselzucken. Mosern ist bei den Franzosen schon immer ein mit Hingabe praktizierter Volkssport gewesen, der sie keineswegs daran hindert, das Leben zu genießen.

Doch damit ist es vorbei. Jüngste Erhebungen, in denen sich mehr als sieben von zehn Franzosen als „ziemlich pessimistisch“ oder „sehr pessimistisch“ bezeichnen, dürften tatsächlich das reale Stimmungsbild widerspiegeln.

Lösungen könnten nur Reformen bringen

Aus naheliegenden Gründen: Seit 18 Monaten wird Frankreich von einer beispiellosen Serie islamistischer Attentate heimgesucht, die bereits 240 Menschen das Leben kostete. Seit November 2015 gilt der Ausnahmezustand – der emotionale sowieso. Gleichzeitig will sich auch kein Ende der wirtschaftlichen Krise abzeichnen, die das Land seit acht Jahren zermürbt. Nicht von ungefähr fühlen sich die Franzosen in die Zange genommen von der terroristischen Bedrohung und den Auswirkungen der wirtschaftlichen Probleme.

Schwer angeschlagen taumelt Europas zweitgrößte Volkswirtschaft mit ihrem Minimal-Wachstum, ihren zehn Prozent Arbeitslosigkeit und einer Staatsschuld daher, welche sich der 100-Prozent-Marke nähert. Lösungen könnten nur tief greifende Reformen bringen, die aber entweder auf enormen Widerstand stoßen oder von den Regierenden gar nicht erst angepackt werden.

Terrorzelle bestehend aus drei Frauen ausgehoben

Es vergeht zudem kein Monat, ohne dass die Ereignisse unseren Nachbarn ihre triste Situation erneut vor Augen führen. Vor wenigen Wochen erst wurde eine aus drei jungen Frauen bestehende Terrorzelle ausgehoben, die Anschläge auf mehrere Bahnhöfe im Großraum Paris geplant hatte. Kurz darauf inszenierten die Gewerkschaften einen weiteren ihrer sogenannten Aktionstage. Wieder einmal wurde das Land für 24 Stunden lahmgelegt, weil Ewiggestrige unbeirrbar gegen eine im Juli beschlossene und seit Jahren überfällige Reform des Arbeitsrechts anrennen.

Da alte Köpfe kaum für neue Rezepte stehen, lassen selbst die im Frühjahr 2017 anstehenden Präsidentschaftswahlen nur wenig Hoffnung auf eine Wende zum Besseren aufkommen. Der konservative Ex-Präsident Nicolas Sarkozy ist bereits in das Rennen um den Élysée-Palast eingestiegen, obwohl 78 Prozent der Franzosen von diesem Comeback-Versuch wirklich nichts wissen wollen.

Und bei dem Gedanken, dass auch der unpopuläre sozialistische Amtsinhaber François Hollande für ein zweites Mandat kandidieren könnte, bekommen gleich 87 Prozent der Franzosen heftige Schluckbeschwerden.

Sarkozy werden wenige Chancen eingeräumt

Im Gegensatz zu Sarkozy werden Hollande freilich ebenso wenige Chancen eingeräumt, in den entscheidenden Stichwahlgang der Präsidentschaftswahlen zu gelangen, wie den übrigen linken Bewerbern. Allerdings kann Sarkozy die Spitzenkandidatur des bürgerlichen Lagers noch von einem starken Konkurrenten streitig gemacht werden: Alain Juppé, ehemaliger Premierminister unter Präsident Jacques Chirac und immerhin 71 Jahre alt. Bloß steht diese Personalie ganz und gar nicht für frischen Wind oder eine neue, unverbrauchte Politikergeneration.

Beides verspricht allein Marine Le Pen, die Chefin des rechtsextremen Front National. In den Umfragen sichert das der Anti-System-Kandidatin die Favoritenrolle für den ersten Wahlgang. Doch so verzweifelt, der blonden Juristin mit ihrem Radikalprogramm (raus aus der EU, raus aus dem Euro, totale Abriegelung gegen Einwanderer und Flüchtlinge) am Ende eine absolute Mehrheit einzuräumen, scheinen die Franzosen noch nicht zu sein. Hingegen verstärkt die Alternativlosigkeit des politischen Angebots den deprimierenden Eindruck, dass sich Frankreich in einem Teufelskreis dreht.