Berlin. Union und SPD wollen nun doch einen gemeinsamen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl finden. Die Suche ist allerdings schwierig.

Die Zeit wird knapp: In gut vier Monaten endet die Amtszeit von Bundespräsident Joachim Gauck – und noch immer tun sich die großen Parteien schwer bei der Kandidatensuche für die Nachfolge. Namen werden genannt und wieder verworfen, Bündnisse geschmiedet und wieder aufgelöst. Am Wochenende hieß es nun: Union und SPD wollen sich jetzt doch auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen.

Nicht nur in der Großen Koalition wächst die Sehnsucht nach einem überparteilichen Kandidaten, einem zweiten Joachim Gauck: Auch bei Grünen und Linken rufen viele nach einem, der Brücken baut, statt Gräben zu vertiefen. Nur, wer könnte das sein?

Am besten kein eindeutiges Parteiprofil

Wie der „Spiegel“ berichtet, wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel, SPD-Chef Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer zusammen einen Nachfolger suchen. Das hieße gleichzeitig: Es wird keinen Kandidaten eines breiten linken Bündnisses aus SPD, Linken und Grünen geben, noch einen schwarz-grünen Bewerber. Hintergrund ist neben taktischen Erwägungen auch die große Sorge, dass ein Lagerkandidat die aufgeheizte Stimmung im Land zusätzlich anfeuern würde – und am Ende die AfD als eigentlicher Sieger aus dem Rennen hervorgehen würde.

Das zentrale Problem bei einem Kandidaten der Großen Koalition ist aber nach wie vor ungelöst: Er soll in der Öffentlichkeit möglichst weder als klarer SPD-Parteigänger noch als eindeutiger Unionsmensch gelten. Im besten Fall wäre es sogar ein Mann oder eine Frau, die auch von Grünen, Linken und FDP mitgetragen werden.

Kompromisskandidat Voßkuhle soll abgesagt haben

Der Lieblingskandidat der Bundesbürger scheidet bislang aus: Mehr als jeder Zweite wünscht sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier als Gauck-Nachfolger, doch für CDU-Chefin Merkel kommt der Sozialdemokrat bisher nicht in Frage. Ein Mann aus der ersten Reihe der SPD wäre der Union als Kandidat nicht vermittelbar, heißt es. Ob sich das jetzt ändert?

Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist der Lieblingskandidat der Deutschen für die Gauck-Nachfolge.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist der Lieblingskandidat der Deutschen für die Gauck-Nachfolge. © REUTERS | CARLO ALLEGRI

„Frau Merkel und die Union sollten über ihren Schatten springen und sich mit uns für eine Nominierung Steinmeiers starkmachen“, sagte SPD-Politiker Johannes Kahrs der „Welt“. Zumal ein anderer offenbar endgültig abgesprungen ist: Andreas Voßkuhle, 52 Jahre, Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Der SPD-nahe Jurist galt als Kompromisskandidat für SPD und Union, er hat nach „Spiegel“-Informationen nun allerdings abgesagt.

Der neue Präsident soll kein Newcomer ein

Einig sind sich die meisten, dass der neue Präsident oder die neue Präsidentin kein politischer Newcomer sein darf. Er sollte schon wissen, wie Politik funktioniert, heißt es aus der Unionsspitze. Auch bei der SPD sehen sie das so: Fraktionschef Thomas Oppermann sprach sich gegenüber dieser Redaktion dafür aus, einen Berufspolitiker zum nächsten Bundespräsidenten zu wählen. Es wäre „gut, wenn es sich um eine politisch erfahrene Persönlichkeit handelt“, sagte Oppermann.

„Menschenkenntnis, Berufserfahrung und der Sinn für politische Zusammenhänge – das sind wichtige Fähigkeiten für das Amt des Bundespräsidenten.“ Die Persönlichkeit sei dabei „wichtiger als das Parteibuch“, fügte Oppermann hinzu. Auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber sprach sich für einen parteiübergreifenden Konsens aus. Die Parteien täten gut daran, zu zeigen, dass dieses Amt nicht im Parteienstreit vergeben werde. Konkrete Namen? Fehlanzeige.

Kretschmann nimmt sich selbst aus dem Rennen

Spötter ätzen: Bei der Kandidatenkür gehe es inzwischen zu wie beim Mikado. Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Heißt: Wer seinen Kandidaten zu früh aus dem Hut zaubert, verbrennt ihn. Winfried Kretschmann, der Baden-Württembergische Ministerpräsident und nach Außenminister Steinmeier zweitliebste Politiker der Deutschen, hat sich dagegen selbst aus dem Rennen genommen. Der Grünen-Politiker dementierte jetzt Spekulationen um seine Ambitionen: „Ich strebe dieses Amt nicht an“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Auch ihm werden Chancen als kommender Bundespräsident eingeräumt: Wolfgang Huber, evangelischer Theologe und ehemaliger Ratsvorsitzender der EKD.
Auch ihm werden Chancen als kommender Bundespräsident eingeräumt: Wolfgang Huber, evangelischer Theologe und ehemaliger Ratsvorsitzender der EKD. © dpa | Paul Zinken

Zwei andere mögliche Kandidaten, Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundestagspräsident Norbert Lammert, kann sich zwar jeder dritte Deutsche als Gauck-Nachfolger vorstellen, die beiden CDU-Politiker gelten aber wiederum bei der SPD bisher als nicht wählbar. Als Kandidaten mit Chancen nennt der Spiegel jetzt den früheren EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber und die ehemalige Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt.

Bundespräsident wird am 12. Februar gewählt

Ebenso wie Union und SPD setzen auch Spitzenpolitiker von Grünen und Linken auf eine parteiübergreifende Lösung – anstelle eines rot-rot-grünen oder schwarz-grünen Kandidaten. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte: „Wir wollen keinen Lager-Kandidaten, weder in die eine noch in die andere Richtung.“ Es gehe nicht um Parteipolitik, sondern um den Zusammenhalt im Land.

Auch der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) warnte davor, einen rot-rot-grünen Kandidaten zu nominieren. „Wir brauchen in Zeiten, in denen die AfD von Sieg zu Sieg eilt, einen Kandidaten, der weit über jedes Spektrum hinaus Akzeptanz findet“, sagte Ramelow. Das neue Staatsoberhaupt wird am 12. Februar gewählt – ein halbes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl.