Berlin. Zwei Stunden dauerte es, bis die Parteichefs im Kanzleramt Einigkeit bei Streitfragen erzielten. Ein Thema spielte dabei keine Rolle.

Die Parteichefs der großen Koalition haben sich auf einen Fahrplan zur Lösung der in der Regierung strittigen Sachthemen geeinigt. Es habe Übereinstimmung gegeben, die strittigen Punkte etwa bei der Erbschaftsteuer, der Entgeltgleichheit von Männern und Frauen sowie der Angleichung von Ost-West-Renten in den kommenden Wochen zu lösen, hieß es nach den zweistündigen Verhandlungen der Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) aus Teilnehmerkreisen. Der Flüchtlingsstreit wurde aber ausgeklammert. Die Gesprächsatmosphäre wurde als konstruktiv beschrieben.

Die Vorsitzenden der Koalitionsparteien wollen sich demnach Anfang Oktober zu einem weiteren Spitzengespräch treffen, bei dem dann mögliche Entscheidungen getroffen werden könnten. Bis dahin sollen die Fachpolitiker weiter nach Lösungen suchen. Gemeinsam wollen die Koalitionäre auch versuchen, die Hürden bei der Einstufung von weiteren Maghreb-Ländern als sichere Drittstaaten beiseite zu räumen. Bei den meisten Themen ist jedoch auch die Zustimmung der Ländermehrheit notwendig.

Sondertreffen zwischen Merkel und Seehofer

In dem Gespräch zwischen Merkel, Seehofer und Gabriel habe der Flüchtlingsstreit keine Rolle gespielt, hieß es aus anderen Teilnehmerkreisen. Vor dem Dreier-Treffen hatten Merkel und Seehofer etwa zwei Stunden über die allgemeine politische Lage und ihre erbitterte Auseinandersetzung über den Flüchtlingskurs der Kanzlerin gesprochen.

Dabei hätten beide Seiten zu erkennen gegeben, dass es den Wunsch gebe, die verfahrene Situation zwischen den Unionsspitzen aufzulösen, hieß es. Eine Annäherung beim Streit über die von Seehofer geforderte konkrete jährliche Obergrenze für Flüchtlinge gab es erwartungsgemäß nicht. Merkel lehnt eine solche Festlegung ab.

SPD stichelt gegen Union

Vor dem Spitzentreffen waren die unionsinternen Streitereien und die Attacken aus der SPD auf die Union weitergegangen. Seehofer sagte am Samstag nach einer CSU-Klausur im oberpfälzischen Schwarzenfeld, er wolle zwar Gemeinsamkeit mit der CDU. „Aber nicht um den Preis, dass wir politische Inhalte der CSU opfern.“ Zur CSU-Forderung nach einer gesetzlich festgelegten Obergrenze sagte er: „Sie wissen, dass das für uns ein ganz wichtiger Punkt ist, auch für die eigene Glaubwürdigkeit.“ Rufe nach rhetorischer Mäßigung – auch von Merkel – wies er zurück: „Seit wann ist eine klare Formulierung in der Politik mäßigungsbedürftig?“

Der CSU-Chef sagte der „Bild am Sonntag“: „Die Union kommt aus dem Verlierermodus nur heraus, wenn wir eine klare Antwort geben, wie wir die Zuwanderung begrenzen wollen.“ Zugleich zeigte er sich optimistisch: „Wir werden uns mit gutem Willen auch bei diesen kontroversen Fragen in nächster Zeit verständigen.“

Tauber: „Wir gehen in die gleiche Richtung“

CDU-Generalsekretär Peter Tauber mahnte: „Wir sollten den Eindruck vermeiden, dass wir völlig gegensätzliche Vorstellungen haben.“ In der „Welt am Sonntag“ ergänzte er: „Die CSU geht in einigen Punkten vielleicht weiter als wir – aber wir gehen in die gleiche Richtung.“ CDU-Vize Thomas Strobl warnte: „Nichts schadet CDU und CSU so sehr wie ein Streit unter den Unionsschwestern.“ In der Flüchtlingskrise sei es „fahrlässig so zu tun“, als zeigten die beschlossenen Maßnahmen keine Wirkung, kritisierte Strobl im Gespräch mit unserer Redaktion „Scheindebatten über Randthemen sind kübelweise Wasser auf die AfD-Mühle.“

Gabriel schrieb laut „Bild am Sonntag“ an Merkel und Seehofer: „Wir müssen den Beweis antreten, dass die Koalition den Willen und die Kraft aufbringt, den Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft zu festigen.“

Oppermann fordert Konzentration auf Sacharbeit

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte der „Welt“: „Ich rate der Union dringend, zur Sacharbeit zurückzukehren – statt permanent folgenlose Symboldebatten zu führen.“ Er forderte die Union auf, gemeinsam mit der SPD ein Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen. „Der Bundestag sollte jedes Jahr die Quote für die Einwanderung festlegen, so dass es ein politisch legitimierter und kontrollierter Prozess ist“, sagte Oppermann. (bekö/dpa)