Berlin . In Mecklenburg-Vorpommern will die SPD mit CDU und Linke über eine Koalition sprechen. Parteichef Gabriel kann erstmal durchatmen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel ist erkennbar guter Laune. Der unerwartet deutliche Wahlsieg der SPD in Mecklenburg-Vorpommern nimmt viel Druck vom Parteivorsitzenden, erleichtert macht Gabriel im Willy-Brandt-Haus schon Scherze über die Koalitionsverhandlungen in Schwerin. Als er Wahlsieger Erwin Sellering einen Blumenstrauß überreicht, erklärt der Parteichef: „Jetzt kommt ja nur noch die Kleinigkeit, dass du einfach mal gucken musst: Mit wem setzt man am besten sozialdemokratische Politik durch. Ich bin sicher, das gelingt dir im Handumdrehen.“

Das sieht Sellering wohl ähnlich, nur hat er es gar nicht eilig. Der Ministerpräsident kann in aller Ruhe entscheiden, ob er weiter mit der CDU oder künftig mit der Linkspartei in Schwerin regiert. Eine Festlegung vermeidet Sellering, auch um Wähler nicht zu verprellen: „Es wäre niemandem im Land vermittelbar zu sagen, einer dieser Partner scheidet von vornherein aus“, sagt der 66-Jährige.

Ein rot-rotes Bündnis hätte nur eine knappe Mehrheit

Sowohl mit der CDU als auch mit der Linken habe die SPD schon gut zusammengearbeitet. Doch Sellerings Zurückhaltung ist vor allem taktischer Natur, er will die Preise in den Verhandlungen drücken: Tatsächlich läuft es in Schwerin auf eine Fortsetzung der seit 2006 bestehenden großen Koalition hinaus. Für Rot-Schwarz spricht schon die stabilere Mehrheit von 42 der 71 Landtagsmandate. Ein Bündnis von SPD und Linkspartei hätte dagegen nur 37 Sitze, der Vorsprung von drei Mandaten wäre knapp. Als Rot-Rot bei der Wahl vor zehn Jahren plötzlich nur noch eine Ein-Stimmen-Mehrheit erzielte, war dies für die SPD der Grund, das eigentlich erfolgreiche Bündnis zu beenden.

Die nachfolgende Regierungsmannschaft von SPD und CDU hat sich gut eingespielt. Gegen eine Wiederauflage der großen Koalition mit der CDU spreche nichts, erklärt Sellering nun. Das gute Verhältnis der Koalitionspartner hat auch den Landtagswahlkampf weitgehend unbeschadet überstanden. Sellering und Innenminister Lorenz Caffier (CDU) pflegen ein enges Vertrauensverhältnis, zusammen haben sie die Flüchtlingskrise geräuschlos gemanagt. Die CDU ist ohnehin für eine Fortsetzung der Koalition – sie will auf jeden Fall vermeiden, die Oppositionsbänke mit der AfD zu teilen.

Es gab Spekulationen über einen Putsch

Doch Sellering lässt die Christdemokraten schmoren: Er werde „selbstverständlich“ auch mit der Linken „ernsthafte Verhandlungen“ führen, sagt er. Doch abgesehen von der knappen Mehrheit ist die Linke wohl auch ein unsicherer Partner: Der Absturz auf nur noch 13 Prozent ist für die Linkspartei in ihrer Hochburg Mecklenburg-Vorpommern ein schwerer Schlag, die Abwanderung der Protestwähler zur AfD erschüttert ihr Selbstverständnis. Schon fordert Linke-Spitzenkandidat Helmut Holter einen „klaren Politikwechsel“ im Land und beklagt die Arroganz der Sellering-Regierung – solche Töne dürften die Gespräche mit den Sozialdemokraten nicht erleichtern. Die Führung der Bundes-SPD lässt Sellering – wie üblich – freie Hand. Zwar wäre der SPD-Spitze Rot-Rot nicht unlieb, um zu signalisieren, dass die SPD Alternativen zur großen Koalition hat. Aber SPD-Chef Gabriel machte schnell klar, dass er mit beiden Varianten gut leben kann.

Für Gabriel bedeutet das Wahlergebnis ja so oder so Rückenwind. Als vor Wochen noch ein deutlich schlechteres Abschneiden der SPD erwartet wurde, kursierten in der SPD düstere Spekulationen, der Vorsitzende werde womöglich doch noch gestürzt. Jetzt ist die Anspannung weg. Gabriel kann wieder Zuversicht verbreiten. Seit 2005 habe die SPD keinen Ministerpräsidenten mehr verloren, rechnen sie im Willy-Brandt-Haus vor. Mit einem „klaren Kurs“ habe die SPD Erfolg, sagt der SPD-Chef. Und so werde seine Partei auch bei der Bundestagswahl „gut abschneiden“. Zweiflern entgegnen die SPD-Strategen, auch im Nordosten haben die Sozialdemokraten erst in den letzten Wahlkampf­wochen deutlich zugelegt.

Die Stimmung hellt sich auf bei den Genossen

Die Stimmung hellt sich auf bei den Genossen, da räumt Gabriel auch gleich eine der letzten Hürden für seine Kanzlerkandidatur weitgehend ab: Die Parteiführung folgt am Montag beinahe geschlossen seiner Linie, dem umstrittenen Ceta-Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada zuzustimmen.

Die 35 Mitglieder des Parteivorstands stimmen bei nur einer Neinstimme des Berliner Ex-Landeschefs Jan Stöß und drei Enthaltungen für einen entsprechenden Leitantrag, über den nun ein kleiner Parteitag am 19. September entscheiden muss. In den Beratungen der Parlamente sollen zwar noch Änderungen durchgesetzt werden – aber erstmal könnte Gabriel im EU-Handelsministerrat im Oktober dem Vertrag zustimmen. Besser kann es für ihn an diesem Montag kaum laufen.