Berlin. „Spiegel Online“ hatte berichtet, dass sich die Bundesregierung von der Armenien-Resolution distanziere. Nun streitet die Koalition.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in einem Fernsehinterview unterstrichen, dass die Armenien-Resolution des Bundestages eine zu respektierende politische Äußerung des Parlaments darstellt. Jedes Parlament habe das Recht, solche Resolutionen zu verabschieden, sagte Merkel dem Fernsehsender RTL in dem am Freitagvormittag im Bundeskanzleramt in Berlin aufgezeichneten Interview. Sie wolle ausdrücklich dementieren, dass sich die Regierung von der Resolution distanziert, um das angespannte Verhältnis zur Türkei zu verbessern.

Ein Verfassungsorgan wie die Bundesregierung werde sich nicht dazu äußern, was der Bundestag beschlossen hat. „Ich bin immerhin selbst Mitglied des Deutschen Bundestages“, sagte die Kanzlerin. Indes habe man in den Gesprächen mit der Türkei darauf hingewiesen, dass die Resolution rechtlich nicht bindend sei. Auf die Frage, ob das ein Kniefall vor der Türkei sei, entgegnete Merkel laut RTL: „Nein, absolut nicht.“

Zuvor hatte bereits Regierungssprecher Steffen Seibert einen Bericht von „Spiegel Online“ dementiert, wonach sich die Bundesregierung von der Armenien-Resolution distanziere. „Davon kann überhaupt keine Rede sein“, sagte Seibert am Freitagvormittag in der Bundespressekonferenz. Die Distanzierung sei in Medien „fälschlich behauptet“ worden. „Der Deutsche Bundestag hat das Recht und die Möglichkeit, sich zu jedem Thema zu äußern wann immer er das für richtig hält“, sagte Seibert weiter. Die Bundesregierung unterstütze und verteidige dieses souveräne Recht der deutschen Volksvertretung.

Tauber: „Die Resolution war und ist richtig“

Auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatte in einem Facebook-Post geschrieben: „Es gibt keine Distanzierung von der Resolution des Deutschen Bundestages zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich.“ Die Resolution „war und ist richtig.“ Als CDU-Generalsekretär, als Bundestagsabgeordneter und auch als Historiker stehe er voll und ganz dahinter. „Die aktuell kursierende Meldung von Spiegel Online ist falsch.“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Facebook, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Das Nachrichtenmagazin hatte in seiner Online-Ausgabe berichtet, Auswärtiges Amt und Kanzleramt hätten sich darauf geeinigt, dass Regierungssprecher Steffen Seibert vor die Presse treten und sich im Namen der Regierung von der Resolution distanzieren solle.

In der Resolution werden die Verbrechen an den Armeniern im Ersten Weltkrieg als Völkermord eingestuft. Die deswegen verärgerte Türkei verweigert deutschen Abgeordneten seit Verabschiedung der Resolution Anfang Juni den Besuch bei den in Incirlik stationierten Bundeswehrsoldaten.

Streit in der Koalition wegen Armenien-Resolution

Die Debatte über die Armenien-Resolution sorgte am Freitag auch für Ärger in der großen Koalition. Mehrere Unions-Politiker warfen sowohl Familienministerin Manuela Schwesig als auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD) Fehler vor. „Frau Schwesig irrlichtert in Themen herum, für die sie nicht zuständig ist und deren Hintergründe sie nicht kennt“, kritisierte die stellvertretende Unions-Fraktionschefin Nadine Schön (CDU). Schwesig hatte im Interview mit dem Sender N24 gewarnt, dass niemand in der Bundesregierung in der Frage der Armenien-Resolution „wackeln“ dürfe, die von einem Völkermord an den Armeniern 1915 spricht.

Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) wiederum kritisierte Steinmeier, dem er „wackelige Äußerungen“ vorwarf. „Der Hinweis, dass die Resolution gesetzlich nicht bindend ist, ist überflüssig“, sagte er der „Münchner Merkur“ laut Vorabbericht. „Die politische Bindungswirkung ist identisch.“ Der Kritik schloss sich CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer an. Steinmeier müsse die Resolution zu 100 Prozent respektieren, sagte er der „Rheinischen Post“. Zwar hatten sowohl Regierungssprecher Steffen Seibert als auch Steinmeiers Sprecher Manfred Schäfer betont, dass sowohl Kanzlerin Angela Merkel und Steinmeier voll hinter der Resolution stünden. Dennoch warf Scheuer der SPD einen „Kotau vor dem Bosporus“ vor.

Die SPD steht nach den Worten von Fraktionschef Thomas Oppermann uneingeschränkt zur Armenien-Resolution des Bundestags. „Die Armenien-Resolution ist richtig. Sie gilt ohne Wenn und Aber“, sagte Oppermann am Freitag nach einer Klausur seiner Fraktion in Berlin. Die Resolution habe keine Rechtsfolgen, aber politische Bindungswirkung. Die SPD erwarte, dass sich alle Regierungsmitglieder an die Feststellungen des Bundestags gebunden fühlten. „Da gibt es aus unserer Sicht überhaupt nichts zu relativieren.“

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir begrüßte den Rückhalt der Bundesregierung für die umstrittene Armenien-Resolution des Bundestags. „Der Beschluss dieses Verfassungsorgans könnte nur durch den Bundestag selbst außer Kraft gesetzt werden“, teilte Özdemir am Freitag mit. Es sei gut, dass die Bundesregierung das auch so sehe. „Alles andere wäre ein Affront gewesen.“ (schrö/epd/rtr/dpa)