Berlin. Türkeis Präsident Erdogan bringt den Westen erneut in die Bredouille: Er bekämpft die Kurden, bislang die wichtigsten Verbündeten gegen den IS.

Heimlich, still und leise hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan einen Strategiewechsel vollzogen. Staatsfeind Nummer eins ist nicht mehr der syrische Machthaber Baschar al-Assad. Der Alptraum, gegen den sich die türkische Regierung jetzt mit allen Mitteln wehrt, ist die Schaffung eines flächendeckenden kurdischen Autonomiegebietes im Nachbarstaat.

„Wir können keinen kurdischen Korridor an unserer Südgrenze zulassen“, sagte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim. Deshalb tut Ankara alles, um den Vormarsch der Kurdenmilizen in Syrien zu stoppen. Am Montag bombardierte das türkische Militär Stellungen der kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) in Nordsyrien, ein Ableger der in der Türkei verbotenen PKK. Ankara befürchtet einen Dominoeffekt: Gelingt den Kurden die Errichtung eines selbstverwalteten Gebietes in Syrien, würde dies die Unabhängigkeitsträume der Minderheit im eigenen Land befeuern.

Erdogan konterkariert die Anti-Terror-Marschroute des Westens

Pikant daran ist, dass Erdogan damit die Anti-Terror-Marschroute des Westens konterkariert. Die Kurden sind bislang die verlässlichsten Partner der von den USA angeführten Koalition gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Erst kürzlich haben vor allem kurdische Verbände die vom IS beherrschte nordsyrische Stadt Manbidsch befreit. Die Kurden wollen die Dschihadisten im Westen weiter zurückdrängen.

Zwar hat sich Erdogan nicht völlig aus dem Feldzug gegen die Islamisten ausgeklinkt. Nachdem die Extremisten seit vergangenem Sommer auch in der Türkei Anschläge verübt hatten, hat Ankara die Zügel angezogen. So beschossen türkische Militärs am Montag auch Stellungen des IS in Nordsyrien.

Jahrelang war das anders. Seit dem Beginn des syrischen Bürgerkrieges 2011 hatte Erdogan alles daran gesetzt, Assad zu stürzen. Dabei hatte er nicht davor zurückgeschreckt, islamistische Rebellen in Syrien mit Geld und Waffen auszustatten. IS-Aktivisten, die Assad erbittert bekämpfen, gewährte er zeitweise zumindest logistische Unterstützung. Sie bekamen in der Türkei Unterschlupf und medizinische Versorgung.

Dieser Schwenk zieht neue Allianzen nach sich. Erdogan drängt nun nicht mehr auf einen direkten Abgang Assads. Das bedeutet gleichzeitig eine Annäherung an Russland und den Iran, die Schutzmächte von Damaskus. Eine politische Lösung des Syrien-Konflikts wird damit noch komplizierter – und der Spielraum des Westens noch enger.