Evan McMullin – Der weiße Ritter, der Trump verhindern soll
•
Lesezeit: 6 Minuten
Von Dirk Hautkapp
Washington. US-Präsidentschaftswahlen: Last-Minute-Gegenkandidat Evan McMullin (40) ist die letzte Hoffnung der tief gespaltenen Republikaner.
Als Donald Trump kurz vor dem Parteitag in Cleveland in gewohnt martialischer Sprache das vorzeitige Ende der innerparteilichen Revolte gegen ihn verkündete („sie wurde zerquetscht“), muss sich Evan McMullin den entscheidenden Ruck gegeben haben. Der 40-jährige Glatzkopf, Republikaner, aber politisch ein unbeschriebenes Blatt, will eine Blitzkampagne auf die Beine stellen und am 8. November bei den Präsidentschaftswahlen gegen Trump antreten. Sein Motiv: Gefahrenabwehr. „Donald Trump sagt furchtbare Dinge, die weite Teile der Bevölkerung verprellen. Er ist nicht nur völlig ungeeignet, er ist gefährlich für dieses Land. Trump ist ein Hochstapler, der so tut, als sei er ein Konservativer.“
Für die „Niemals Trump“-Bewegung innerhalb der republikanischen Partei ist der ehemalige verdeckte Ermittler des Geheimdienstes CIA, der zuletzt im Kongress programmatische Hinterbänkler-Arbeit geleistet und noch nie ein öffentliches Amt bekleidete, die letzte Hoffnung. Siegchancen räumt dem zwischenzeitlich als Investment-Banker tätigen Single niemand ein. Aber er könnte nach ersten Berechnungen dem New Yorker Bau-Milliardär dringend benötigte Stimmen abjagen und, so das Magazin Politico, „die Tour vermasseln“. Profiteurin des Sabotage-Akts wäre am Ende die Demokratin Hillary Clinton.
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und
wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste
übermittelt werden. Mehr dazu in unserer
Datenschutzerklärung
McMullin will an Trumps Niederlage in Utah anknüpfen
McMullins Ankündigung ist die logische Folge einer Intervention etablierter Republikaner, die im Frühjahr erstmals massiv und öffentlich vor der Kandidatur Trumps warnten. Im Zentrum der Attacke stand der 2012 Barack Obama unterlegene Präsidentschaftskandidat Mitt Romney. Er nannte Trump ein „Risiko für die nationale Sicherheit“ und eine „schlimme Gefahr“ für Wirtschaft und Finanzmärkte.
Der millionenschwere Finanz-Geschäftsmann kommt wie McMullin aus Utah. Die beiden kennen sich. Im Mormonen-Bundesstaat, traditionell eine Hochburg der Republikaner, ist Trump in der konservativen Wählerschaft unten durch. Bei den Vorwahlen im Frühjahr sammelt der klerikale Texas-Senator Ted Cruz zwischen Salt Lake City und Provo, der Heimatstadt McMullins, 69 Prozent der Stimmen ein. Trump kam auf 14 Prozent. Eine vernichtende Niederlage, an die McMullin anknüpfen will.
Ist McMullins Einsatz nur ein Ablenkungsmanöver?
Um am 8. November in Utah – neben Trump, Clinton und den anderen unabhängigen Kandidaten Gary Johnson (Libertäre) und Jill Stein (Grüne) – auf dem Stimmzettel zu erscheinen, muss der Absolvent der Elite-Universität Wharton bis 15. August 1000 Unterstützer-Unterschriften vorweisen. Machbar. Im Gegensatz zu den knapp 25 Bundesstaaten, in denen der Anti-Terror-Experte kurz vor Toreschluss überhaupt noch in den Kreis der Bewerber aufrücken könnte; im restlichen Teil des Landes sind die Listen längst geschlossen. In Ohio und Virginia müsste McMullin binnen Tagen 5000 Unterschriften vorweisen. In Kalifornien wären bis Freitag 150.000 Signaturen notwendig; nahezu unmöglich.
In Utah, so streuen republikanische Kreise, darf sich McMullin des „organisatorischen und finanziellen Rückhalts“ von Leuten wie Mitt Romney sicher sein. Aber selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass er die Stimmenmehrheit in seinem Heimatstaat gewinnen sollte, halten sich die Auswirkungen in Grenzen. Utah stellt im Wahlmänner-Gremium („electoral college“), das am Ende den Präsidenten auf Basis der Stimmen vom 8. November wählt, sechs Personen. Das Gremium besteht aus 538 Entsandten. 270 Stimmen sind nötig zum Sieg. „Wenn Evan McMullin nicht auch in Wechselwähler-Staaten wie Ohio, Florida und Pennsylvania eine Rolle spielt, ist sein Einsatz nur ein Ablenkungsmanöver“, schreiben Kommentatoren im Magazin Slate.
Donald Trump will ins Weiße Haus
1/33
Personalie McMullin steht für die spektakuläre Zerrissenheit der Republikaner
Die Personalie McMullin dokumentiert, wie spektakulär zerrissen die Republikaner allen Beschwichtigungsformeln Trumps („Ich bin der größte Versöhner“) zum Trotz drei Monate vor der Wahl sind. Nahezu täglich setzen sich Promis, gestern etwa die einflussreiche Senatorin Susan Collins aus Maine, von Trump ab: „Ich kann ihn nicht wählen. Seine konstant schrecklichen Kommentare und seine Unfähigkeit, Irrtümer einzugestehen und sich zu entschuldigen, machen in unwürdig Präsident zu werden.“ Andere kündigen an, dass sie „schweren Herzens“ Hillary Clinton wählen werden. Warum? „Trump ist geistesgestört“, sagt der frühere Senator von New Hampshire, Gordon Humphrey.
Als intellektuelle Unterfütterung können die Abtrünnigen auf einen in Stil und Inhalt beispiellosen Brandbrief bauen, den 50 ehemalige Top-Entscheider mit republikanischem Parteibuch und Regierungserfahrung unter Nixon bis Bush formuliert haben. Darin heißt es, dass es Trump an „Charakter, Werten und an Erfahrung“ mangelt, um Präsident zu sein. Seit Monaten falle der Polit-Neuling nur durch „erratische“ Äußerungen negativ auf und sei „nicht willens oder nicht fähig, richtig von falsch zu unterscheiden“.
„Trump schwächt die moralische Autorität der USA“
Unterzeichner wie der ehemalige CIA-Chef Michael Hayden, der frühere Weltbank-Präsident Robert Zoellick, die ehemaligen Heimatschutzminister Tom Ridge und Michael Chertoff und der frühere Geheimdienstdirektor John Negroponte stellen schonungslos fest: „Trump schwächt die moralische Autorität der USA als Führerin der freien Welt. Es hat den Anschein, als ob es ihm an Basiswissen über die US-Verfassung, US-Gesetze und US-Institutionen sowie über religiöse Toleranz, Freiheit der Presse und eine unabhängige Justiz fehlt.“ Ihr Fazit: Donald Trump würde „der gefährlichste Präsident der amerikanischen Geschichte“.
Der Gescholtene tat die Kritik wie üblich mit einer ätzenden Breitseite ab: Die „gescheiterte Washingtoner Elite“, ließ er über Twitter wissen, die Amerika an den Abgrund geführt habe, blase zum letzten Gefecht. „Wir danken ihnen dafür, dass sie sich zu Wort melden. Jetzt weiß jeder im Land, wer die Schuld daran hat, dass die Welt so gefährlich geworden ist.“
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik - meinungsstark, exklusiv, relevant.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.