So will Hillary Clinton bei den US-Wahlen Trump besiegen
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Von Dirk Hautkapp
Philadelphia. Jetzt hat Hillary Clinton als Präsidentschaftskandidatin gesprochen: Nicht mitreißend, aber routiniert – und mit deutlichen Ansagen.
Großherzige Landesmutter gegen unbeherrschten Solo-Tänzer. Hillary Clinton gegen Donald Trump. Sie will das Land behutsam fortentwickeln. Mit Optimismus und ohne Furcht. Er verspricht, die Nation radikal umzukrempeln. Weil sonst der Untergang drohe. Nach dem Demokraten-Parteitag in Philadelphia haben die Amerikaner bei der Präsidentschaftswahl am 8. November eine klare Auswahl. Die Demokratin hat in der wichtigsten Rede ihres Lebens vor über 25 Millionen Fernseh-Zuschauern den Kontrast an allen Fronten herausgearbeitet.
Was war gut?
Hillary Clinton versuchte erst gar nicht, die rhetorischen Giganten zu toppen, die in den vier Tagen vor ihr ans Pult traten – Barack und Michelle Obama, Ehemann Bill, Vize-Präsident Joe Biden und andere. Was sie in 60 Minuten ablieferte, war gründlich strukturiert, selbstbewusst, erfahrungsgesättigt, aber kein Erweckungserlebnis. Botschaft: „Wir sehen die Probleme unseres Landes klar und deutlich. Aber wir haben keine Angst.“
Was war der Fluchtpunkt ihrer Rede?
Vor dem Parteitag der Republikaner in Cleveland suchten die Demokraten krampfhaft nach einer Klammer für Clinton. Jetzt haben sei eine: Donald Trump verhindern. Clinton wird sich bis November als Gewährsträgerin für vernünftige, schrittweise Lösungen präsentieren. Und damit als Kontrastprogramm zum populistischen Bau-Unternehmer, der Amerika einer Rosskur unterziehen will. Dabei scheinen zwei Leitgedanken durch: Trump sagt im Alle-mir-nach!-Befehlston, nur er allein könne das „kaputte System“ sanieren und Amerika wieder groß machen. Clinton setzt Wir-Gefühl dagegen und ein Amerika voraus, dem es so schlecht gar nicht geht. „Stronger together“ (Gemeinsam stärker), das Motto auf Hunderten Winkelementen am Schlusstag von Philadelphia, könnte auch von Alt-SPD-Chef Franz Müntefering stammen.
Ihr zweiter Strang: Trump habe mit seinen Dutzenden Beleidigungen und Provokationen überall verbrannte Erde hinterlassen und sich als emotional unstabil und unvorbereitet erwiesen. „Ein Mann, den man mit einem Tweet ködern kann“, sagt Clinton, „ist keiner, dem man unsere Nuklearwaffen anvertrauen darf.“ Ein Wortspiel wird künftig häufig bei ihr anklingen. „Love trumps hate“ – Liebe übertrumpft Hass.
Auf welche Wähler zielt Clinton?
Auf alle. In ihrem Amerika sind Schwarze, Weiße, Latinos, Asiaten, Schwule und Heterosexuelle, Atheisten und Strenggläubige gleichermaßen wichtig. Aber sie wendet sich auch ausdrücklich an die Klientel, die Trump so erfolgreich umwirbt: weiße, vorwiegend ältere Globalisierungsverlierer ohne das Bildungs-Rüstzeug für das 21. Jahrhundert. Sie redet deren Frustration über stagnierende Löhne, steigende Lebenshaltungskosten und die Erosion des amerikanischen Traums nicht klein. „Ihr seid zurecht wütend. Wir Demokraten haben zu wenig bewiesen, dass wir wissen, was ihr durchmacht.“ Wie sie die Abgehängten, die Stahl- und Kohlearbeiter, für sich gewinnen will? Mit dem größten staatlichen Konjunkturprogramm seit dem 2. Weltkrieg. Das Aufmöbeln von Amerikas maroder Infrastruktur – Straßen, Brücken, Häfen, Tunnel, Flugplätze – soll Zehntausende in Arbeit bringen.
Hillary Clinton will Präsidentin werden
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Was hat Clinton im Programm?
Clinton will das Steuersystem vereinfachen. Reiche sollen mehr zahlen, Arbeitnehmer entlastet und Schlupflöcher gestopft werden. Firmen, die Gewinne im Ausland parken, müssen Aufschläge hinnehmen. Wall Street, Clintons illustrer Partner in der Vergangenheit, soll stärker an die Kandare genommen werden, bevor Risiken durch Spekulationen wie 2008 wieder bei der Allgemeinheit landen. Banker müssen nach gravierenden Fehlern mit Gefängnis rechnen.
In der Handelspolitik will Clinton, ähnlich wie ihr Konkurrent Sanders, vergleichbar mit Trump, Arbeitsplätze in Amerika besser schützen. Die Schlagzeilen schreibenden Abkommen TPP (mit Asien) und TTIP (mit Europa) hat Clinton nicht endgültig beerdigt, aber auf Eis gelegt.
Breit gefächert sind ihre Pläne im sozialen Bereich: Bis an die Ohren verschuldete Studienabgänger soll es nicht mehr geben, die Grundausbildung an staatlichen Universitäten will Clinton kostenlos stellen. Weitere Stichworte: Höherer Mindestlohn. Gleiche Bezahlung für Männer und Frauen. Bezahlter Mutterschutz. Absicherung im Krankheitsfall. Ausweitung des staatlichen Gesundheitssystems.
Was ist ihr nicht gelungen?
„Ich verstehe, dass manche Leute einfach nicht wissen, was sie von mir halten sollen“, sagte Clinton selbstironisch. Und nahm die Zuschauer mit auf eine mit Hollywood-tauglichen Videos angefütterte Bilderbuchtour durch ihr pralles Leben als First Lady, Senatorin und Außenministerin. Es menschelte. In Erinnerung bleibt ein Dreisatz, den sie von ihrer Mutter Dorothy gelernt hat: „Niemand kommt alleine durchs Leben.“ – „Gegen Rüpel muss man sich zur Wehr setzen.“ – „Nach Rückschlägen steht man auf und macht weiter.“
Allein, ihr gewaltiges Image-Problem – 70 Prozent der Amerikaner trauen ihr nicht über den Weg – war danach nicht kleiner. Weder zur E-Mail-Affäre, noch zum tödlichen Anschlag auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi während ihrer Zeit als Außenministerin – zwei Hauptangriffsziele, die von den Republikanern immer wieder angeflogen werden – fiel ihr ein Wort der Demut ein. Auch darum wurde ihre Rede von enttäuschten Anhängern ihres internen Widersachers Bernie Sanders oft mit Zwischenrufen gestört. Die mangelnde Bereitschaft, sich öffentlich Asche aufs Haupt zu streuen, bleibt ihre Schwäche.
Worauf muss man sich mit Clinton einstellen?
Bei allem Umwerben moderater Republikaner, die noch nicht vom Trumpschen Wutbürger-Virus angesteckt sind, haben die Demokraten in Philadelphia das Fundament für einen glasklaren Lagerwahlkampf gegen die Republikaner gelegt. Sie wollen der grassierenden sozialen Ungleichheit im Land mit staatlichen Korrekturen begegnen und die gesellschaftliche Erneuerungspolitik Obamas (Homo-Ehe, Krankenversicherung für alle etc.) fortführen. Trump setzt auf die Entfesselung der Marktkräfte, will Regulierungen aufheben und acht Jahre Obama aus Amerikas Geschichtsbuch tilgen. Was will Amerika?
Das waren die US-Präsidenten seit 1945
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Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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