Köln. Hooligans, Autonome und bis zu 30.000 Erdogan-Anhänger wollen Sonntag in Köln demonstrieren. Die Polizei rüstet sich zum Großeinsatz.

In Köln bereitet sich die Polizei auf einen der größten Einsätze seit langem vor: Für den Nachmittag ist eine türkische Demonstration mit bis zu 30.000 Teilnehmern angemeldet, überwiegend Anhänger des umstrittenen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Zeitgleich wollen auch Rechtsextremisten durch die Stadt ziehen. Insgesamt 2700 Polizisten sollen darüber wachen, dass es nicht zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt.

Zu der Kundgebung – deren offizielles Thema der vereitelte Militärputsch in der Türkei ist – wird der türkische Sportminister als Redner erwartet. Einen geplanten Auftritt des türkischen Außenministers habe er verhindern können, sagte Mathies am Samstag.

Bis zuletzt gestritten wurde um eine Live-Schalte zu Präsident Erdogan. Die Anmelder der Kundgebung riefen dazu am Samstag sogar noch das Bundesverfassungsgericht an. Sie wollten erreichen, dass das Verbot einer solchen Übertragung durch die Kölner Polizei gekippt wird.

BVG bestätigt Verbot von Erdogan-Liveschalte nach Köln

Die Polizei Köln hatte versucht, das Aufstellen einer Videoleinwand zu verhindern. Ihr Argument: Teilnehmer der Demonstration könnten durch eine Zuschaltung von Erdogan stark aufgewühlt werden.
Die Polizei Köln hatte versucht, das Aufstellen einer Videoleinwand zu verhindern. Ihr Argument: Teilnehmer der Demonstration könnten durch eine Zuschaltung von Erdogan stark aufgewühlt werden. © dpa | Oliver Berg

Doch vergeblich: Die Karlsruher Richter bestätigten am Abend in letzter Instanz das Verbot. Zum einen entspreche die Vollmacht der Rechtsvertreter nicht den gesetzlichen Erfordernissen, hieß es. Zum anderen sei nicht ersichtlich, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen Grundrechte der Veranstalter verletzt hätten. (Az.: 1 BvQ 29/16)

Polizeipräsident Jürgen Mathies hatte zuvor erklärt, er wolle eine Zuschaltung Erdogans unbedingt verhindern, „um zu vermeiden, dass es zu einer hochemotionalisierten Lage kommt“.

Rechte ziehen zeitgleich durch die Kölner Innenstadt

Zeitgleich zu der um 14 Uhr beginnenden Kundgebung findet ein Demonstrationszug von Rechten durch die Innenstadt statt. Die Polizei hatte diesen Marsch untersagt, doch die Gerichte haben das Verbot aufgehoben. Hinter dem Demonstrationszug steht unter anderem die rechtsextremistische Splitterpartei Pro NRW. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen, doch die Richter sehen dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte.

Außerdem gibt es noch drei andere Gegenkundgebungen. Eine davon richtet sich auch gegen den Aufzug der Rechtsextremisten. Die Polizei erwartet, dass dazu auch Autonome anreisen.

Viel Kritik von deutschen Politikern

„Innenpolitische Spannungen aus der Türkei zu uns nach Deutschland zu tragen und Menschen mit anderen politischen Überzeugungen einzuschüchtern, von welcher Seite auch immer, das geht nicht“, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) der „Süddeutschen Zeitung“. In Deutschland gebe es dafür keinen Platz – „und das werden wir auch nicht zulassen“.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel schrieb auf seiner Facebook-Seite auf deutsch und türkisch, nach seinem Eindruck sei die Türkei tief gespalten. Alle müssten mithelfen, dass sich diese gesellschaftliche Spaltung nicht bei uns fortsetzt. „Meine Bitte: Lassen Sie uns Andersdenkenden mit Respekt begegnen. Auch fundamentale Meinungsverschiedenheiten dürfen nicht dazu führen, dass wir uns spalten lassen. Deutschland soll die Heimat aller Menschen sein, die hier leben.“

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Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kritisierte massive Einschüchterungsversuche gegenüber Erdogan-Kritikern in Deutschland. „Wir erleben, dass hierzulande Jagd gemacht wird auf türkische Oppositionelle“, sagte er unserer Redaktion. „Erdogan-Anhänger, die andere einschüchtern wollen, müssen mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden.“ Demonstrationen wie die am Sonntag in Köln müssten auf dem Boden der Rechtsordnung stattfinden. „Es darf dabei kein Klima der Angst entstehen.“

Bouillon: Erdogan darf Deutschland nicht instrumentalisieren

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der Saarländer Klaus Bouillon (CDU), sagte, das Vorgehen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan sei „ein Anschlag auf unser westliches Demokratieverständnis“. Im Gespräch mit der „Bild“-Zeitung sagte er weiter, es sei „nicht hinnehmbar, dass Erdogan innenpolitische Konflikte nach Deutschland trägt und dadurch versucht, unser Land zum verlängerten Arm seiner Machtpolitik zu instrumentalisieren“. Er fürchte, dass es bei den Demonstrationen und Gegendemonstrationen zu Gewalt mehrerer Parteien kommen könnte.

Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Wir erwarten, dass sich die Teilnehmer in Köln an Recht und Gesetz halten.“ Insgesamt werde man in den nächsten Wochen noch kritischer auf das „Treiben“ der türkischen Regierungspartei AKP in Deutschland schauen müssen. „Die Vorgänge in der Türkei dürfen in der türkischen Gemeinschaft hierzulande keine Fortsetzung finden.“

AKP-Politiker mahnt Versammlungsfreiheit in Deutschland an

Der deutsch-türkische AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu warf Behörden und Politikern vor, „das für jede Demokratie elementare Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit Repressalien zu torpedieren“. „Plötzlich springen Lieferanten ab, Dienstleister stornieren fest gebuchte Verträge. Das wirft kein gutes Licht auf das derzeitige Demokratieverständnis in Deutschland“, kritisierte der Abgeordnete der Regierungspartei. So hätten Busunternehmen oder WC-Verleiher abgesagt. „Andere Anbieter sprechen von Druck von höheren Stellen.“ Yeneroglu fügte hinzu: „Es ist unerklärlich, warum man sich ausgerechnet von einem friedlichen Gedenken an die Niederschlagung eines blutigen Putschversuches in der Türkei hier nun gestört fühlt.“

Die türkische Generalkonsulin in Düsseldorf, Sule Gürel, sicherte unterdessen einen friedlichen Ablauf zu. „Es gibt keinen Grund, Gewalt zu befürchten“, sagte die Diplomatin der „Rheinischen Post“. Die Organisatoren würden alles tun, um eine friedliche Veranstaltung zu garantieren. Sie habe mit der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) telefoniert, um ihr das zu versichern. Die Generalkonsulin verteidigte das restriktive Vorgehen des türkischen Staatspräsidenten Erdogan nach dem gescheiterten Putsch. Die Demonstration in Köln „ist eine Stimme der Demokratie gegen den Putsch“, sagte sie.

Integrationsbeauftragte warnt vor Ankaras Einfluss auf Türken in Deutschland

„Ich sehe mit Sorge, dass die Verbundenheit vieler hier lebender Menschen mit der Türkei mitunter massiv politisch instrumentalisiert wird“, sagt Aydan Özoguz, Integrationsbeauftragte der Bundesregierung.
„Ich sehe mit Sorge, dass die Verbundenheit vieler hier lebender Menschen mit der Türkei mitunter massiv politisch instrumentalisiert wird“, sagt Aydan Özoguz, Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. © dpa | Sophia Kembowski

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), warnte vor Versuchen Ankaras, verstärkt Einfluss auf die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland zu nehmen. „Ich sehe mit Sorge, dass die Verbundenheit vieler hier lebender Menschen mit der Türkei mitunter massiv politisch instrumentalisiert wird“, sagte sie dem Berliner „Tagesspiegel“. Es sei inakzeptabel, „wenn in Deutschland ansässige türkische Verbände Ressentiments oder sogar Hass, Gewalt und Spaltung in Deutschland schüren“.

Der CDU-Politiker Jens Spahn stellte die doppelte Staatsbürgerschaft für Türken infrage. Wessen Herz für Erdogan schlage und wer für ihn und seine AKP auf die Straße gehe, solle das besser in der Türkei tun, sagte er dem „Tagesspiegel“. „Und dem müssen wir eine klare Entscheidung abverlangen.“

Der Grünen-Politiker Volker Beck kritisierte die mögliche Teilnahme von türkischen Regierungsmitgliedern. „Das passt ja nicht zusammen, wenn Erdogans Regierungsmitglieder in Deutschland Heerschau halten und in Ankara verbietet man deutschen Bundestagsabgeordneten den Besuch der dort stationierten Soldaten“, sagte der Sprecher für Migrationspolitik dem Kölner Internetportal „Express.de“. (dpa/epd)