Berlin. Nach den Bluttaten der letzten Tage geht Merkel in die mediale Offensive. In Berlin stellte sie sich den Fragen der Journalisten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Opfern und Hinterbliebenen der Anschläge von Würzburg, Ansbach und München bedingungslose Aufklärung versprochen. „Diese Anschläge sind erschütternd, bedrückend und auch deprimierend“, sagte Merkel am Donnerstag bei ihrer Sommerpressekonferenz in Berlin, für die sie ihren Urlaub unterbrochen hatte. Die Regierungschefin betonte mit Blick auf die Attentate: „Es werden zivilisatorische Tabus gebrochen.“ Geschehen seien die Gewalttaten an Orten, „an denen jeder von uns sein könnte“.
Man sei es den Opfern und Hinterbliebenen schuldig, alles zu tun, um die barbarischen Taten aufzuklären und Hintermänner aufzuspüren. Mit Blick auf die Attentate in Würzburg und Ansbach, wo Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien die mutmaßlichen Täter waren, sagte Merkel, sie verhöhnten mit ihren Taten das Land, das sie aufgenommen habe. Sie verhöhnten auch die Helfer und die vielen anderen Flüchtlinge.
Die Attentäter wollten „unseren Zusammenhalt und unser Miteinander zersetzen“, sagte Merkel. Ebenso wollten sie Offenheit und die Bereitschaft verhindern, Menschen aufzunehmen, sowie Angst und Hass säen zwischen Kulturen und Religionen. Dem werde man sich entschlossen entgegenstellen, versicherte die Bundeskanzlerin.
Merkels Pressekonferenz – die Zitate
Merkel sieht islamistischen Terror in Deutschland angekommen
Merkel stimmte der Einschätzung zu, dass der islamistische Terrorismus nach den jüngsten Anschlägen auch in Deutschland angekommen ist. Diese These hätte man auch schon früher aufstellen könnte, sagte die CDU-Vorsitzende am Donnerstag in Berlin. Sie verwies auf den Mord an zwei US-Soldaten im Jahr 2011 durch einen extremistischen Kosovo-Albaner und auf die Attacke einer IS-Anhängerin auf einen Bundespolizisten Anfang des Jahres.
„Wir haben das jetzt noch mal mit einer großen Wucht gesehen“, sagte Merkel mit Blick auf die islamistischen Anschläge in Würzburg und Ansbach. „Es ist noch mal in das öffentliche Bewusstsein massiv gerückt worden.“
Merkel plädierte dafür, nichts zu beschönigen. „Man muss das sozusagen in seiner vollen Dramatik auch darstellen.“ Nur so könne man die richtigen Konsequenzen ziehen.
Merkel: Kein zusätzlicher militärischer Beitrag im Anti-IS-Kampf
Deutschland wird auch nach den Anschlägen in Bayern seinen militärischen Beitrag für den Kampf gegen die Extremistenmiliz IS nicht aufstocken. „Neue Verpflichtungen sehe ich im Augenblick nicht“, sagte Merkel. Sie verwies darauf, dass Deutschland etwa Frankreich beim Einsatz in Mali unterstütze. Beim Anti-IS-Kampf in Syrien helfe Deutschland mit Tornado-Aufklärungsflugzeugen, zudem sei beim letzten Nato-Gipfel über Awacs-Aufklärungs-Flugzeuge mit deutscher Beteiligung gesprochen worden. Französische Politiker hatten zuletzt immer wieder einen stärkeren deutschen militärischen Beitrag gefordert, zumal sich nun auch Deutschland im Fadenkreuz des IS befinde.
„Ich glaube, dass wir uns in einem Kampf, meinetwegen auch in einem Krieg mit dem IS befinden“, sagte Merkel. Wichtig sei, dass der Westen aber keinen Kampf gegen den Islam führe, sondern gegen Terroristen, darunter auch islamistische Terroristen. Mit Blick auf Berichte über zivile Opfer bei Luftangriffen der Anti-IS-Allianz in Syrien sagte sie, es müsse alles getan werden, um diese zu vermeiden. Allerdings verwies Merkel auch auf die hohe Zahl getöteter Zivilisten durch den IS.
Merkel mahnt Erdogan zu „Verhältnismäßigkeit“
Die Bundeskanzlerin mahnte den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach dem gescheiterten Putschversuch zu mehr Zurückhaltung im Umgang mit Kritikern. In einem Rechtsstaat müsse der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „unter allen Umständen“ gewahrt werden, sagte sie in der Bundespressekonferenz. Einige Prominente Politiker wie Wolfgang Kubicki (FDP) und Katja Kipping (Die Linke) kritisierten Merkel gegenüber unserer Redaktion dafür, dass sie die Politik Erdogans nur „unverhältnismäßig“ nannte. (Zitate im Wortlaut lesen Sie in der Chronik weiter unten.)
Auf ihrer Jahres-Pressekonferenz zeigte sich die Kanzlerin mehrfach besorgt über die jüngsten Entwicklungen. „Die Sorge besteht darin, dass sehr hart vorgegangen wird, und dieses Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht immer im Zentrum steht.“ Gerade angesichts von mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland mit türkischen Wurzeln habe die Bundesregierung daran jedoch „allergrößtes Interesse“. Zugleich kündigte Merkel an, dass sie sich nach den Sommerferien mit Erdogan zum Gespräch treffen werde. Dies werde spätestens beim Gipfel der 20 großen Industrie- und Schwellenländer (G20) Anfang September in China stattfinden.
Das Eröffnen neuer Kapitel in den Beitrittsverhandlungen zwischen EU und Türkei schloss sie aus. Aus verschiedenen politischen Lagern gibt es bereits Forderungen, die Aufnahmeverhandlungen komplett auszusetzen. Merkel bezeichnete die Türkei jedoch als „wichtigen Partner“. Zugleich lobte sie das Land abermals für die Aufnahme von drei Millionen Flüchtlingen. Deutschland und die Europäische Union sind in der Flüchtlingskrise auf eine enge Zusammenarbeit mit Ankara angewiesen. (dpa/rtr/epd)