Berlin. Nach den Bluttaten der letzten Tage geht Merkel in die mediale Offensive. In Berlin stellte sie sich den Fragen der Journalisten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Opfern und Hinterbliebenen der Anschläge von Würzburg, Ansbach und München bedingungslose Aufklärung versprochen. „Diese Anschläge sind erschütternd, bedrückend und auch deprimierend“, sagte Merkel am Donnerstag bei ihrer Sommerpressekonferenz in Berlin, für die sie ihren Urlaub unterbrochen hatte. Die Regierungschefin betonte mit Blick auf die Attentate: „Es werden zivilisatorische Tabus gebrochen.“ Geschehen seien die Gewalttaten an Orten, „an denen jeder von uns sein könnte“.

Man sei es den Opfern und Hinterbliebenen schuldig, alles zu tun, um die barbarischen Taten aufzuklären und Hintermänner aufzuspüren. Mit Blick auf die Attentate in Würzburg und Ansbach, wo Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien die mutmaßlichen Täter waren, sagte Merkel, sie verhöhnten mit ihren Taten das Land, das sie aufgenommen habe. Sie verhöhnten auch die Helfer und die vielen anderen Flüchtlinge.

Die Attentäter wollten „unseren Zusammenhalt und unser Miteinander zersetzen“, sagte Merkel. Ebenso wollten sie Offenheit und die Bereitschaft verhindern, Menschen aufzunehmen, sowie Angst und Hass säen zwischen Kulturen und Religionen. Dem werde man sich entschlossen entgegenstellen, versicherte die Bundeskanzlerin.

Merkels Pressekonferenz – die Zitate

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in ihrer Jahrespressekonferenz am Donnerstag rund 100 Minuten lang den Fragen der Journalisten gestellt. Zuerst aber gab die Regierungschefin ein Statement ab. Die besten Zitate:
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in ihrer Jahrespressekonferenz am Donnerstag rund 100 Minuten lang den Fragen der Journalisten gestellt. Zuerst aber gab die Regierungschefin ein Statement ab. Die besten Zitate: © dpa | Wolfgang Kumm
Zum Thema Flüchtlingskrise: „Ich bin heute wie damals davon überzeugt, dass wir es schaffen, unserer historischen Aufgabe – und dies ist eine historische Bewährungsaufgabe in Zeiten der Globalisierung – gerecht zu werden. Wir schaffen das. Und wir haben im Übrigen in den letzten elf Monaten sehr, sehr viel bereits geschafft.“
Zum Thema Flüchtlingskrise: „Ich bin heute wie damals davon überzeugt, dass wir es schaffen, unserer historischen Aufgabe – und dies ist eine historische Bewährungsaufgabe in Zeiten der Globalisierung – gerecht zu werden. Wir schaffen das. Und wir haben im Übrigen in den letzten elf Monaten sehr, sehr viel bereits geschafft.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zu den Anschlägen in Würzburg und Ansbach: „Dass zwei Männer, die als Flüchtlinge zu uns gekommen waren, für die Taten von Würzburg und Ansbach verantwortlich sind, verhöhnt das Land, das sie aufgenommen hat. (...) Es verhöhnt die Helfer, die Ehrenamtlichen, die sich so sehr um die Flüchtlinge gekümmert haben. Und es verhöhnt die vielen anderen Flüchtlinge, die wirklich Hilfe vor Gewalt und Krieg bei uns suchen, die friedlich leben wollen, in einer für sie auch fremden Welt, nachdem sie woanders alles verloren haben.“
Zu den Anschlägen in Würzburg und Ansbach: „Dass zwei Männer, die als Flüchtlinge zu uns gekommen waren, für die Taten von Würzburg und Ansbach verantwortlich sind, verhöhnt das Land, das sie aufgenommen hat. (...) Es verhöhnt die Helfer, die Ehrenamtlichen, die sich so sehr um die Flüchtlinge gekümmert haben. Und es verhöhnt die vielen anderen Flüchtlinge, die wirklich Hilfe vor Gewalt und Krieg bei uns suchen, die friedlich leben wollen, in einer für sie auch fremden Welt, nachdem sie woanders alles verloren haben.“ © dpa | Wolfgang Kumm
Zur Stimmung in Deutschland: „Schlimm ist die allgemeine Verunsicherung. Die Sorge, wenn ich jemanden sehe: Was steckt dahinter, kann ich das erkennen? Deshalb muss der Staat seiner Aufgabe gerecht werden, das weitestgehende Vertrauen wieder herzustellen. Und daran arbeiten wir.“
Zur Stimmung in Deutschland: „Schlimm ist die allgemeine Verunsicherung. Die Sorge, wenn ich jemanden sehe: Was steckt dahinter, kann ich das erkennen? Deshalb muss der Staat seiner Aufgabe gerecht werden, das weitestgehende Vertrauen wieder herzustellen. Und daran arbeiten wir.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
„Meine tiefe Überzeugung ist: Wir dürfen und wir brauchen uns auch die Art, wie wir leben, (...) nicht kaputt machen lassen.“ Und: „Ich bin der Auffassung, dass Angst nicht der Ratgeber für politisches Handeln sein sollte.“
„Meine tiefe Überzeugung ist: Wir dürfen und wir brauchen uns auch die Art, wie wir leben, (...) nicht kaputt machen lassen.“ Und: „Ich bin der Auffassung, dass Angst nicht der Ratgeber für politisches Handeln sein sollte.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zum Terror in Deutschland und Frankreich: „Es werden zivilisatorische Tabus gebrochen. Die Taten geschehen an Orten, wo jeder von uns sein könnte.“
Zum Terror in Deutschland und Frankreich: „Es werden zivilisatorische Tabus gebrochen. Die Taten geschehen an Orten, wo jeder von uns sein könnte.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat: „Ich glaube, dass wir uns in einem Kampf, meinetwegen auch in einem Krieg mit dem IS befinden. Wir befinden uns in keinem Krieg gegen den Islam – wir bekämpfen den Terrorismus.“
Zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat: „Ich glaube, dass wir uns in einem Kampf, meinetwegen auch in einem Krieg mit dem IS befinden. Wir befinden uns in keinem Krieg gegen den Islam – wir bekämpfen den Terrorismus.“ © dpa | Kay Nietfeld
Zur Frage, ob die derzeitige Situation die bisher schwierigste für die Kanzlerin ist: „Es ist eine schwierige (Zeit), aber wir hatten auch andere schwierige. Jede schwierige Situation hat ihre Spezifik. Das ganze letzte Jahr war nicht gerade einfach. (...) Jetzt haben wir etwas, was sehr an den Kern der Gesellschaft geht. (…) Insofern ist es eine Kernauseinandersetzung, bei der ich aber auch viele Verbündete habe.“
Zur Frage, ob die derzeitige Situation die bisher schwierigste für die Kanzlerin ist: „Es ist eine schwierige (Zeit), aber wir hatten auch andere schwierige. Jede schwierige Situation hat ihre Spezifik. Das ganze letzte Jahr war nicht gerade einfach. (...) Jetzt haben wir etwas, was sehr an den Kern der Gesellschaft geht. (…) Insofern ist es eine Kernauseinandersetzung, bei der ich aber auch viele Verbündete habe.“ © dpa | Wolfgang Kumm
Auf die Frage nach persönlichen Schuldgefühlen wegen der erhöhten Terrorgefahr in Deutschland: „Ich habe das Gefühl, verantwortlich und richtig zu handeln, und keine anderen Gefühle.“
Auf die Frage nach persönlichen Schuldgefühlen wegen der erhöhten Terrorgefahr in Deutschland: „Ich habe das Gefühl, verantwortlich und richtig zu handeln, und keine anderen Gefühle.“ © dpa | Wolfgang Kumm
Auf die Frage nach fremdenfeindlichen Tendenzen in Deutschland: „Wir müssen sehr darauf achten, dass Dinge nicht gesellschaftsfähig werden, die nicht gesellschaftsfähig sein dürfen.“
Auf die Frage nach fremdenfeindlichen Tendenzen in Deutschland: „Wir müssen sehr darauf achten, dass Dinge nicht gesellschaftsfähig werden, die nicht gesellschaftsfähig sein dürfen.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zum Erstarken der AfD: „Natürlich haben die Entscheidungen, die wir getroffen haben, auch im Blick auf die Frage unser humanitären Verantwortung, Gegenreaktionen hervorgerufen, und Menschen, die das nicht mittragen. Deshalb werden wir durch Taten alles daran setzen, Menschen, die heute sich vielleicht nicht ausreichend verstanden fühlen, wieder zurückzugewinnen in die Wählerschaft der Parteien, die zum Beispiel heute im Deutschen Bundestag vertreten sind.“
Zum Erstarken der AfD: „Natürlich haben die Entscheidungen, die wir getroffen haben, auch im Blick auf die Frage unser humanitären Verantwortung, Gegenreaktionen hervorgerufen, und Menschen, die das nicht mittragen. Deshalb werden wir durch Taten alles daran setzen, Menschen, die heute sich vielleicht nicht ausreichend verstanden fühlen, wieder zurückzugewinnen in die Wählerschaft der Parteien, die zum Beispiel heute im Deutschen Bundestag vertreten sind.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zur Frage nach den Entwicklungen in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch: „Die Sorge besteht darin, dass sehr hart vorgegangen wird, und dieses Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht immer im Zentrum steht.“
Zur Frage nach den Entwicklungen in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch: „Die Sorge besteht darin, dass sehr hart vorgegangen wird, und dieses Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht immer im Zentrum steht.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP: „Ich halte dieses Abkommen für absolut richtig und wichtig und im absoluten europäischen Interesse“
Zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP: „Ich halte dieses Abkommen für absolut richtig und wichtig und im absoluten europäischen Interesse“ © dpa | Kay Nietfeld
Zum Irak-Krieg: „Ich unterstütze nie einen Krieg. Ich habe auch den Irak-Krieg nicht unterstützt.“
Zum Irak-Krieg: „Ich unterstütze nie einen Krieg. Ich habe auch den Irak-Krieg nicht unterstützt.“ © dpa | Wolfgang Kumm
Zur Frage einer erneuten Kanzlerkandidatur 2017: „Was die Frage der Kanzlerkandidatur anbelangt, kann ich Ihnen das sagen, was ich sehr häufig schon gesagt hab’: Dass ich das zum geeigneten Zeitpunkt sagen werde – heute ist dieser Zeitpunkt nicht.“
Zur Frage einer erneuten Kanzlerkandidatur 2017: „Was die Frage der Kanzlerkandidatur anbelangt, kann ich Ihnen das sagen, was ich sehr häufig schon gesagt hab’: Dass ich das zum geeigneten Zeitpunkt sagen werde – heute ist dieser Zeitpunkt nicht.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zu Aussagen des Präsidentschaftskandidaten der US-Republikaner, Donald Trump: „Ich mische mich in den inneramerikanischen Wahlkampf nicht ein. Ich verfolge das mit Interesse. Und dann werden wir den Ausgang der Wahlen abwarten.“
Zu Aussagen des Präsidentschaftskandidaten der US-Republikaner, Donald Trump: „Ich mische mich in den inneramerikanischen Wahlkampf nicht ein. Ich verfolge das mit Interesse. Und dann werden wir den Ausgang der Wahlen abwarten.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zur Frage nach der Belastung für die Kanzlerin: „Abends gehe ich schon manchmal ganz gern ins Bett und schlafe. Erschöpfung würde ich nicht sagen. Aber ich bin nicht unterausgelastet.“
Zur Frage nach der Belastung für die Kanzlerin: „Abends gehe ich schon manchmal ganz gern ins Bett und schlafe. Erschöpfung würde ich nicht sagen. Aber ich bin nicht unterausgelastet.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
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Merkel sieht islamistischen Terror in Deutschland angekommen

Merkel stimmte der Einschätzung zu, dass der islamistische Terrorismus nach den jüngsten Anschlägen auch in Deutschland angekommen ist. Diese These hätte man auch schon früher aufstellen könnte, sagte die CDU-Vorsitzende am Donnerstag in Berlin. Sie verwies auf den Mord an zwei US-Soldaten im Jahr 2011 durch einen extremistischen Kosovo-Albaner und auf die Attacke einer IS-Anhängerin auf einen Bundespolizisten Anfang des Jahres.

„Wir haben das jetzt noch mal mit einer großen Wucht gesehen“, sagte Merkel mit Blick auf die islamistischen Anschläge in Würzburg und Ansbach. „Es ist noch mal in das öffentliche Bewusstsein massiv gerückt worden.“

Merkel plädierte dafür, nichts zu beschönigen. „Man muss das sozusagen in seiner vollen Dramatik auch darstellen.“ Nur so könne man die richtigen Konsequenzen ziehen.

Merkel: Kein zusätzlicher militärischer Beitrag im Anti-IS-Kampf

Deutschland wird auch nach den Anschlägen in Bayern seinen militärischen Beitrag für den Kampf gegen die Extremistenmiliz IS nicht aufstocken. „Neue Verpflichtungen sehe ich im Augenblick nicht“, sagte Merkel. Sie verwies darauf, dass Deutschland etwa Frankreich beim Einsatz in Mali unterstütze. Beim Anti-IS-Kampf in Syrien helfe Deutschland mit Tornado-Aufklärungsflugzeugen, zudem sei beim letzten Nato-Gipfel über Awacs-Aufklärungs-Flugzeuge mit deutscher Beteiligung gesprochen worden. Französische Politiker hatten zuletzt immer wieder einen stärkeren deutschen militärischen Beitrag gefordert, zumal sich nun auch Deutschland im Fadenkreuz des IS befinde.

„Ich glaube, dass wir uns in einem Kampf, meinetwegen auch in einem Krieg mit dem IS befinden“, sagte Merkel. Wichtig sei, dass der Westen aber keinen Kampf gegen den Islam führe, sondern gegen Terroristen, darunter auch islamistische Terroristen. Mit Blick auf Berichte über zivile Opfer bei Luftangriffen der Anti-IS-Allianz in Syrien sagte sie, es müsse alles getan werden, um diese zu vermeiden. Allerdings verwies Merkel auch auf die hohe Zahl getöteter Zivilisten durch den IS.

Merkel mahnt Erdogan zu „Verhältnismäßigkeit“

Die Bundeskanzlerin mahnte den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach dem gescheiterten Putschversuch zu mehr Zurückhaltung im Umgang mit Kritikern. In einem Rechtsstaat müsse der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „unter allen Umständen“ gewahrt werden, sagte sie in der Bundespressekonferenz. Einige Prominente Politiker wie Wolfgang Kubicki (FDP) und Katja Kipping (Die Linke) kritisierten Merkel gegenüber unserer Redaktion dafür, dass sie die Politik Erdogans nur „unverhältnismäßig“ nannte. (Zitate im Wortlaut lesen Sie in der Chronik weiter unten.)

Auf ihrer Jahres-Pressekonferenz zeigte sich die Kanzlerin mehrfach besorgt über die jüngsten Entwicklungen. „Die Sorge besteht darin, dass sehr hart vorgegangen wird, und dieses Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht immer im Zentrum steht.“ Gerade angesichts von mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland mit türkischen Wurzeln habe die Bundesregierung daran jedoch „allergrößtes Interesse“. Zugleich kündigte Merkel an, dass sie sich nach den Sommerferien mit Erdogan zum Gespräch treffen werde. Dies werde spätestens beim Gipfel der 20 großen Industrie- und Schwellenländer (G20) Anfang September in China stattfinden.

Das Eröffnen neuer Kapitel in den Beitrittsverhandlungen zwischen EU und Türkei schloss sie aus. Aus verschiedenen politischen Lagern gibt es bereits Forderungen, die Aufnahmeverhandlungen komplett auszusetzen. Merkel bezeichnete die Türkei jedoch als „wichtigen Partner“. Zugleich lobte sie das Land abermals für die Aufnahme von drei Millionen Flüchtlingen. Deutschland und die Europäische Union sind in der Flüchtlingskrise auf eine enge Zusammenarbeit mit Ankara angewiesen. (dpa/rtr/epd)

Kanzlerin Merkel in der Bundespressekonferenz - die Chronik: