Berlin. Eigentlich hat auch die Kanzlerin Sommerpause. Wegen „aktueller Themen“ tritt sie trotzdem schon an diesem Donnerstag vor die Medien.

Unter dem Eindruck der Gewalttaten von Flüchtlingen in den vergangenen Tagen in Deutschland beantwortet Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag Mittag 90 Minuten lang Fragen der Hauptstadtjournalisten. Es ist Merkels traditionelle und größte Pressekonferenz im Jahr, die eigentlich erst für Ende August geplant war. Die Kanzlerin tritt sozusagen auf neutralem Terrain in der Bundespressekonferenz und nicht im Kanzleramt auf. Dazu wird sich Merkel vermutlich äußern:

Am 31. August 2015 sagte Merkel zur Bewältigung der Flüchtlingskrise: „Wir schaffen das“ – Wie sieht ihre Bilanz aus?

Die Kanzlerin könnte ihre Antwort in zwei Teile gliedern: Die Aufnahme von Flüchtlingen läuft inzwischen in geordneten Bahnen, die Menschen werden bei Ankunft registriert und sie werden versorgt. Es wurde mehr Personal eingestellt, Asylanträge werden schneller bearbeitet, abgelehnte Bewerber konsequenter abgeschoben. Das ist geschafft. Aber kulturelle und soziale Integration braucht Jahre und Fluchtursachenbekämpfung Jahrzehnte. Das ist noch nicht geschafft.

Merkels Pressekonferenz – die Zitate

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in ihrer Jahrespressekonferenz am Donnerstag rund 100 Minuten lang den Fragen der Journalisten gestellt. Zuerst aber gab die Regierungschefin ein Statement ab. Die besten Zitate:
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in ihrer Jahrespressekonferenz am Donnerstag rund 100 Minuten lang den Fragen der Journalisten gestellt. Zuerst aber gab die Regierungschefin ein Statement ab. Die besten Zitate: © dpa | Wolfgang Kumm
Zum Thema Flüchtlingskrise: „Ich bin heute wie damals davon überzeugt, dass wir es schaffen, unserer historischen Aufgabe – und dies ist eine historische Bewährungsaufgabe in Zeiten der Globalisierung – gerecht zu werden. Wir schaffen das. Und wir haben im Übrigen in den letzten elf Monaten sehr, sehr viel bereits geschafft.“
Zum Thema Flüchtlingskrise: „Ich bin heute wie damals davon überzeugt, dass wir es schaffen, unserer historischen Aufgabe – und dies ist eine historische Bewährungsaufgabe in Zeiten der Globalisierung – gerecht zu werden. Wir schaffen das. Und wir haben im Übrigen in den letzten elf Monaten sehr, sehr viel bereits geschafft.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zu den Anschlägen in Würzburg und Ansbach: „Dass zwei Männer, die als Flüchtlinge zu uns gekommen waren, für die Taten von Würzburg und Ansbach verantwortlich sind, verhöhnt das Land, das sie aufgenommen hat. (...) Es verhöhnt die Helfer, die Ehrenamtlichen, die sich so sehr um die Flüchtlinge gekümmert haben. Und es verhöhnt die vielen anderen Flüchtlinge, die wirklich Hilfe vor Gewalt und Krieg bei uns suchen, die friedlich leben wollen, in einer für sie auch fremden Welt, nachdem sie woanders alles verloren haben.“
Zu den Anschlägen in Würzburg und Ansbach: „Dass zwei Männer, die als Flüchtlinge zu uns gekommen waren, für die Taten von Würzburg und Ansbach verantwortlich sind, verhöhnt das Land, das sie aufgenommen hat. (...) Es verhöhnt die Helfer, die Ehrenamtlichen, die sich so sehr um die Flüchtlinge gekümmert haben. Und es verhöhnt die vielen anderen Flüchtlinge, die wirklich Hilfe vor Gewalt und Krieg bei uns suchen, die friedlich leben wollen, in einer für sie auch fremden Welt, nachdem sie woanders alles verloren haben.“ © dpa | Wolfgang Kumm
Zur Stimmung in Deutschland: „Schlimm ist die allgemeine Verunsicherung. Die Sorge, wenn ich jemanden sehe: Was steckt dahinter, kann ich das erkennen? Deshalb muss der Staat seiner Aufgabe gerecht werden, das weitestgehende Vertrauen wieder herzustellen. Und daran arbeiten wir.“
Zur Stimmung in Deutschland: „Schlimm ist die allgemeine Verunsicherung. Die Sorge, wenn ich jemanden sehe: Was steckt dahinter, kann ich das erkennen? Deshalb muss der Staat seiner Aufgabe gerecht werden, das weitestgehende Vertrauen wieder herzustellen. Und daran arbeiten wir.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
„Meine tiefe Überzeugung ist: Wir dürfen und wir brauchen uns auch die Art, wie wir leben, (...) nicht kaputt machen lassen.“ Und: „Ich bin der Auffassung, dass Angst nicht der Ratgeber für politisches Handeln sein sollte.“
„Meine tiefe Überzeugung ist: Wir dürfen und wir brauchen uns auch die Art, wie wir leben, (...) nicht kaputt machen lassen.“ Und: „Ich bin der Auffassung, dass Angst nicht der Ratgeber für politisches Handeln sein sollte.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zum Terror in Deutschland und Frankreich: „Es werden zivilisatorische Tabus gebrochen. Die Taten geschehen an Orten, wo jeder von uns sein könnte.“
Zum Terror in Deutschland und Frankreich: „Es werden zivilisatorische Tabus gebrochen. Die Taten geschehen an Orten, wo jeder von uns sein könnte.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat: „Ich glaube, dass wir uns in einem Kampf, meinetwegen auch in einem Krieg mit dem IS befinden. Wir befinden uns in keinem Krieg gegen den Islam – wir bekämpfen den Terrorismus.“
Zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat: „Ich glaube, dass wir uns in einem Kampf, meinetwegen auch in einem Krieg mit dem IS befinden. Wir befinden uns in keinem Krieg gegen den Islam – wir bekämpfen den Terrorismus.“ © dpa | Kay Nietfeld
Zur Frage, ob die derzeitige Situation die bisher schwierigste für die Kanzlerin ist: „Es ist eine schwierige (Zeit), aber wir hatten auch andere schwierige. Jede schwierige Situation hat ihre Spezifik. Das ganze letzte Jahr war nicht gerade einfach. (...) Jetzt haben wir etwas, was sehr an den Kern der Gesellschaft geht. (…) Insofern ist es eine Kernauseinandersetzung, bei der ich aber auch viele Verbündete habe.“
Zur Frage, ob die derzeitige Situation die bisher schwierigste für die Kanzlerin ist: „Es ist eine schwierige (Zeit), aber wir hatten auch andere schwierige. Jede schwierige Situation hat ihre Spezifik. Das ganze letzte Jahr war nicht gerade einfach. (...) Jetzt haben wir etwas, was sehr an den Kern der Gesellschaft geht. (…) Insofern ist es eine Kernauseinandersetzung, bei der ich aber auch viele Verbündete habe.“ © dpa | Wolfgang Kumm
Auf die Frage nach persönlichen Schuldgefühlen wegen der erhöhten Terrorgefahr in Deutschland: „Ich habe das Gefühl, verantwortlich und richtig zu handeln, und keine anderen Gefühle.“
Auf die Frage nach persönlichen Schuldgefühlen wegen der erhöhten Terrorgefahr in Deutschland: „Ich habe das Gefühl, verantwortlich und richtig zu handeln, und keine anderen Gefühle.“ © dpa | Wolfgang Kumm
Auf die Frage nach fremdenfeindlichen Tendenzen in Deutschland: „Wir müssen sehr darauf achten, dass Dinge nicht gesellschaftsfähig werden, die nicht gesellschaftsfähig sein dürfen.“
Auf die Frage nach fremdenfeindlichen Tendenzen in Deutschland: „Wir müssen sehr darauf achten, dass Dinge nicht gesellschaftsfähig werden, die nicht gesellschaftsfähig sein dürfen.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zum Erstarken der AfD: „Natürlich haben die Entscheidungen, die wir getroffen haben, auch im Blick auf die Frage unser humanitären Verantwortung, Gegenreaktionen hervorgerufen, und Menschen, die das nicht mittragen. Deshalb werden wir durch Taten alles daran setzen, Menschen, die heute sich vielleicht nicht ausreichend verstanden fühlen, wieder zurückzugewinnen in die Wählerschaft der Parteien, die zum Beispiel heute im Deutschen Bundestag vertreten sind.“
Zum Erstarken der AfD: „Natürlich haben die Entscheidungen, die wir getroffen haben, auch im Blick auf die Frage unser humanitären Verantwortung, Gegenreaktionen hervorgerufen, und Menschen, die das nicht mittragen. Deshalb werden wir durch Taten alles daran setzen, Menschen, die heute sich vielleicht nicht ausreichend verstanden fühlen, wieder zurückzugewinnen in die Wählerschaft der Parteien, die zum Beispiel heute im Deutschen Bundestag vertreten sind.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zur Frage nach den Entwicklungen in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch: „Die Sorge besteht darin, dass sehr hart vorgegangen wird, und dieses Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht immer im Zentrum steht.“
Zur Frage nach den Entwicklungen in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch: „Die Sorge besteht darin, dass sehr hart vorgegangen wird, und dieses Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht immer im Zentrum steht.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP: „Ich halte dieses Abkommen für absolut richtig und wichtig und im absoluten europäischen Interesse“
Zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP: „Ich halte dieses Abkommen für absolut richtig und wichtig und im absoluten europäischen Interesse“ © dpa | Kay Nietfeld
Zum Irak-Krieg: „Ich unterstütze nie einen Krieg. Ich habe auch den Irak-Krieg nicht unterstützt.“
Zum Irak-Krieg: „Ich unterstütze nie einen Krieg. Ich habe auch den Irak-Krieg nicht unterstützt.“ © dpa | Wolfgang Kumm
Zur Frage einer erneuten Kanzlerkandidatur 2017: „Was die Frage der Kanzlerkandidatur anbelangt, kann ich Ihnen das sagen, was ich sehr häufig schon gesagt hab’: Dass ich das zum geeigneten Zeitpunkt sagen werde – heute ist dieser Zeitpunkt nicht.“
Zur Frage einer erneuten Kanzlerkandidatur 2017: „Was die Frage der Kanzlerkandidatur anbelangt, kann ich Ihnen das sagen, was ich sehr häufig schon gesagt hab’: Dass ich das zum geeigneten Zeitpunkt sagen werde – heute ist dieser Zeitpunkt nicht.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zu Aussagen des Präsidentschaftskandidaten der US-Republikaner, Donald Trump: „Ich mische mich in den inneramerikanischen Wahlkampf nicht ein. Ich verfolge das mit Interesse. Und dann werden wir den Ausgang der Wahlen abwarten.“
Zu Aussagen des Präsidentschaftskandidaten der US-Republikaner, Donald Trump: „Ich mische mich in den inneramerikanischen Wahlkampf nicht ein. Ich verfolge das mit Interesse. Und dann werden wir den Ausgang der Wahlen abwarten.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Zur Frage nach der Belastung für die Kanzlerin: „Abends gehe ich schon manchmal ganz gern ins Bett und schlafe. Erschöpfung würde ich nicht sagen. Aber ich bin nicht unterausgelastet.“
Zur Frage nach der Belastung für die Kanzlerin: „Abends gehe ich schon manchmal ganz gern ins Bett und schlafe. Erschöpfung würde ich nicht sagen. Aber ich bin nicht unterausgelastet.“ © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
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Muss Merkel ihre Flüchtlingspolitik nach den Anschlägen ändern?

Sie wird wohl keine Kehrtwende verkünden, weil das als Scheitern gewertet werden würde. Ginge sie etwa auf Seehofers Dauerforderung nach einer Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen im Jahr ein, würde sie schwer an Glaubwürdigkeit einbüßen. Denn sie hat von Anfang an erklärt, dass das Grundgesetz keine Obergrenze kennt und sie sich aus rechtlichen und humanitären Gründen daran hält. Außerdem haben SPD und Union nach den chaotischen Wochen im vorigen Jahr die größte Verschärfung des deutschen Asylrechts seit 20 Jahren beschlossen. Weitere Schritte wie die Ausweitung der Videoüberwachung und schnellere Abschiebungen straffälliger Flüchtlinge sind aber denkbar.

Wird sich Merkel von dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wegen dessen „Säuberungen“ nach dem Putschversuch abwenden?

In den vergangenen Tagen hat sie diese Linie gezogen: Sollte in der Türkei die Todesstrafe wieder eingeführt werden, muss die Europäische Union die Verhandlungen mit Ankara über einen Beitritt des Landes abbrechen. Der Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei könne aber bestehen bleiben. Es deute nichts darauf hin, dass sich die Türkei nicht an die getroffenen Vereinbarungen für die Flüchtlinge halte. An dieser Haltung dürfte sich nicht viel geändert haben.

Was ist mit Brexit?

Merkel traf in der vorigen Woche erstmals die neue britische Premierministerin Theresa May. Die Kanzlerin betonte, London sei am Zug, zu sagen, wie Großbritannien das Votum seiner Bürger für einen Austritt aus der Europäischen Union umsetzen möchte. Großbritannien will voraussichtlich Anfang 2017 mit den Verhandlungen beginnen. Merkel wird im Gegensatz zu anderen EU-Regierungschefs May auch jetzt nicht unter Zeitdruck setzen.

Tritt Merkel 2017 noch einmal an?

Bisher hat sie noch nicht gesagt, ob sie eine vierte Kanzlerschaft anstrebt. Sollte sie auf eine Kandidatur verzichten wollen, kann sie das in der Pressekonferenz am Donnerstag nur schwer verkünden. Fortan würde sie als Kanzlerin betrachtet, die bald die Geschicke des Landes nicht mehr bestimmt und damit an Macht und Einfluss verliert. Einen Verzicht müsste sie wohl so spät wie möglich bekannt geben – ein Weitermachen dagegen nicht. (dpa)