Philadelphia. Der Demokraten-Parteitag soll die Alternative zur Trump-Apokalypse werden. Wichtigste Aufgabe: Clinton muss die Sanders-Fans gewinnen.

Die Hotels in der Innenstadt sind zu Wucherpreisen von bis zu 4000 Dollar für vier Nächte ausgebucht. Die Wells Fargo Arena gleicht einem Hochsicherheitstrakt. Der Wetterbericht verheißt schwül-heiße Temperaturen von 32 Grad aufwärts: Philadelphia, Amerikas Geburtsstätte, erwartet ab diesem Montag mit Hillary Clinton und den Demokraten das Kontrastprogramm zu den finsteren Parolen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Bis zur Antrittsrede der 68-Jährigen, die Amerikas erste Präsidentin werden will, wird sich „Zukunftsoptimismus“ und „Wir-Gefühl“ wie ein roter Faden durch das Programm ziehen, sagte ein Parteisprecher am Sonntag.

Clintons zweiter Anlauf in Richtung Weißes Haus (2008 unterlag sie Amtsinhaber Obama, der sie heute uneingeschränkt unterstützt) findet mit der offiziellen Nominierung durch die 4765 Delegierten am Dienstag seinen vorläufigen Höhepunkt. Ab Freitag heißt es dann offiziell in Amerika: Clinton gegen Trump.

Tim Kaine überzeugt als Sympathieträger

Anders als bei den Republikanern sind keine großen Turbulenzen zu erwarten. Bernie Sanders, ihr einziger Rivale, hatte seine Niederlage bereits eingestanden und angekündigt: „Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um sicherzustellen, dass sie die nächste Präsidentin der USA wird.“ Gleichwohl sind Eintrübungen programmiert. Von der Enthüllungsplattform Wikileaks am Wochenende veröffentlichte und mutmaßlich von russischen Stellen gehackte E-Mails belegen, dass die Parteispitze im Frühjahr gewillt war, Sanders mit schmutzigen Tricks zu beschädigen. Damals war der in jungen Wählerschichten wegen seiner radikalen Umverteilungspolitik geschätzte Senator aus Vermont Clinton noch eng auf den Fersen. Die Demokraten-Parteichefin Debbie Wasserman Schultz kündigte ihren Rücktritt an. Auch von ihr waren Mails aufgetaucht, in denen sie eine Nominierung Bernie Sanders für aussichtslos hält. Die Parteiführung ist im Vorwahlkampf jedoch zu Neutralität verpflichtet.

Uneingeschränktes Lob kann Clinton auch nicht für ihre symbolisch wichtige Personalentscheidung für den Posten des Vizepräsidenten erwarten. Tim Kaine (58) gilt der Parteilinken als zu stromlinienförmig und brav. Bei seinem ersten Auftritt in Miami am Samstag übertraf der frühere Vizegouverneur und Gouverneur von Virginia jedoch die Erwartungen vieler.

In seiner stilsicher zwischen Englisch und Spanisch wechselnden Rede zeigte der bis in konservative Kreise respektierte Familienvater, dass er glaubwürdig und sympathisch Politik-Konzepte vertreten und gleichzeitig die Rolle des kenntnisreichen Wadenbeißers kontra Trump ausfüllen kann. „Kaine hat eine frische, lebensbejahende Art, die authentisch wirkt“, kommentierten US-Beobachter, „das kann Clinton nur helfen“.

Michelle Obama wird Rede halten

Der seit 25 Jahren im Washingtoner Machtgetriebe steckenden Juristin haftet der Ruf an, künstlich und kalkulierend zu sein. Ihre Beliebtheitswerte sind kaum besser als die von Donald Trump. Zudem macht ihr nach wie vor die E-Mail-Affäre aus ihrer Zeit als Außenministerin zu schaffen. Die Republikaner sehen darin einen Straftatbestand. Auch viele Demokraten glauben, dass Clinton Sonderrechte für sich beansprucht und nur bedingt aufrichtig ist.

Am Montag halten Bernie Sanders und Präsidentengattin Michelle Obama die zentralen Reden. Dienstags wird Ex-Präsident Bill Clinton für seine Frau werben. Tags darauf legen Barack Obama und sein Vize Joe Biden nach. Einem Bericht der „New York Times“ zufolge soll auch der ehemalige New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg am Mittwoch sprechen. Der frühere Demokrat, der in New York für die Republikaner angetreten war, gilt als Stimmenfänger für moderate Republikaner, die Trump nicht wählen wollen.

Clinton muss Sanders-Fans für sich gewinnen

Zum Abschluss am Donnerstag wird Hillary Clinton ihre Vision für Amerika darlegen. Mit besonderem Augenmerk auf über zehn Millionen Wählerinnen und Wähler, die sich in den Vorwahlen für den radikalen Politikwechsel von Bernie Sanders erwärmt haben. Ohne deren Unterstützung, heißt es bei den Demokraten, wird der Wahlausgang am 8. November für Hillary Clinton „eine Zitterpartie“.