Washington. Im US-Bundesstaat Texas tritt im August ein umstrittenes Waffengesetz in Kraft. Studenten dürfen dann mit scharfer Waffe zur Uni gehen.

In Texas dürfen Studierende künftig mit verdeckten und geladenen Waffen zu Vorlesungen gehen. Grundlage ist ein neues Gesetz, das am 1. August in Kraft tritt: Das von Republikanern dominierte texanische Parlament hat die Zulassung von Schusswaffen in Universitäten beschlossen. Das betrifft die staatliche Universität von Texas mit 50.000 Studenten in 14 Städten.

Professoren sind entsetzt. Das neue Waffengesetz werde die Atmosphäre an der Uni verändern, klagte Dozent Matt Valentine, der sich im Anti-Schusswaffenverband „Gun Free University of Texas“ engagiert. Im akademischen Alltag werde oft heftig diskutiert – und wie solle man das tun, wenn man Angst habe, der Sitznachbar sei bewaffnet? Wenn der Lehrbetrieb Ende August wieder losgehe, herrsche wohl „Unsicherheit, Frustration und Verwirrung“, befürchtet Literaturprofessorin Mia Carter.

Uni-Kanzler ist nicht begeistert

Auch Universitätskanzler William McRaven, ein ehemaliger Admiral, ist offenbar nicht begeistert: Handfeuerwaffen führten zu „versehentlichen Schüssen und selbstzugefügten Verwundungen“, warnte er. In den Jahren 2011 bis 2014 war er Oberkommandierender der Eliteeinheit „Special Operations Forces“, kennt sich also gut aus mit Waffen. Doch ihm sind die Hände gebunden.

Das Gesetz sei verfassungskonform, sagte der texanische Justizminister Ken Paxton der Zeitung „Austin American-Statesman“. „Gesetzestreue Bürger werden nicht plötzlich zur Gefahr für die Gesellschaft, wenn sie den Campus betreten.“

Der Studentenverband „Students for Concealed Carry“ (Studenten für verdecktes Tragen) begrüßt die Reform. Das Recht auf Waffenbesitz und Selbstschutz gelte auch für Studenten. Der Verband ist 2007 nach der Massenschießerei an der Universität Virginia Tech in Virginia mit 32 Toten gegründet worden.

Debatte um Waffengesetze ist festgefahren

Der Riss zwischen Befürwortern und Gegnern von Schusswaffen geht quer durch die USA. Der Kongress ist trotz des Drängens von Präsident Barack Obama ohne neue Waffenkontrollgesetze in die Sommerpause gegangen.

Die Schusswaffendebatte in den USA ist festgefahren. Bluttaten wie der Angriff auf eine Diskothek in Orlando in Florida im Juni und die Attentate auf Polizisten in Dallas und Baton Rouge im Juli empören. Doch wenn es um neue Regeln geht, setzen sich die Waffenenthusiasten meist durch.

Nach Massenmorden boomt das Geschäft in Waffenläden. Wissenschaftler der Harvard Business School veröffentlichten kürzlich eine Untersuchung zu Massenschießereien: In republikanisch regierten Bundesstaaten würden als Reaktion meist Gesetze verabschiedet, die die Schusswaffenkontrolle lockerten. In demokratisch regierten hätten die Massaker „keinen bedeutenden Effekt“ auf die Gesetzgebung.

Mehr als eine Million Texaner besitzen Waffen-Lizenz

In den USA garantiert die Verfassung jedem das Recht auf Waffenbesitz. Texas interpretiert das besonders großzügig. Mehr als eine Million Texaner haben nach Angaben des Ministeriums für öffentliche Sicherheit eine Lizenz, im öffentlichen Leben verdeckte Waffen zu tragen.

Dieses Recht ist freilich nicht absolut. Bei aller Waffenliebe wird es manchen Texanern mulmig, wenn Zeitgenossen bewaffnet im Kino oder im Kaffeehaus auftauchen. Lokale dürfen daher Schusswaffen in ihren Einrichtungen verbieten. Auch in Regierungsgebäuden sind sie nicht erlaubt.

Und bis vor dem 1. August galt das auch in Universitäten. Man wisse nicht, wie viele Studenten künftig tatsächlich mit Waffen an die Uni kommen werden, sagt Dozent Matt Valentine. Geschätzt werde etwa ein Prozent. Mia Carter und zwei weitere Professorinnen wollen das Gesetz mit einer Zivilklage stoppen. Sie mache sich Sorgen wegen psychisch angeschlagener Studenten, erklärt Carter. Sie sei schon einmal bedroht worden und befürchte, Schusswaffen würden das Problem verschärfen.

Gesetz tritt am Jahrestag von Schießerei in Kraft

Besonders verärgert die Waffengegner das Datum des Inkrafttretens. Denn genau 50 Jahre zuvor, am 1. August 1966, erlebte das texanische Austin die erste Massenschießerei in einer schulischen Einrichtung in den USA.

Filmaufnahmen zeigen den etwa 100 Meter hohen Uhrenturm auf dem Universitätsgelände. Man hört Schüsse, sieht kleine Rauchwolken auf dem Besucherdeck. Im Rundfunk wurden Bürger aufgefordert, zu Hause zu bleiben: Jemand schieße vom Turm.

Das Morden währte eineinhalb Stunden. Am Ende waren 14 Menschen tot, 31 verwundet. Bei den Ermittlungen fand die Polizei Abschiedsnotizen des Scharfschützen Charles Whitman, Veteran und Student. Er leide an „vielen ungewöhnlichen und irrationalen Gedanken“, hatte Whitman geschrieben. (epd)