Berlin. Waffen, Panzerfahrzeuge, Schutzwesten: Die Polizei investiert Millionen in die Terrorabwehr. Das zeigt eine Umfrage unserer Redaktion.

Nach der Axt-Attacke bei Würzburg und dem Anschlag in Nizza mit mindestens 84 Toten und mehr als 200 Verletzten läuft in Deutschland erneut die Debatte, wie der Staat vergleichbare Anschläge verhindern kann. Eine der Antworten lautet häufig: Mit einer starken, gut ausgerüsteten Polizei. Und tatsächlich fahren die Behörden in Deutschland derzeit kräftig den Sicherheitsapparat hoch. Die Polizeibehörden ordern für ihre Spezialkommandos auch Material, das eigentlich zur Ausrüstung von Soldaten gehört: Sturmgewehre, spezielle Visiervorrichtungen, gepanzerte Fahrzeuge.

Auch Streifen- und Bereitschaftspolizisten bekommen neue Ausrüstungen. Mehrere Bundesländer statten ihre Polizisten komplett mit neuen, modernen Standardwaffen aus und kaufen Schutzwesten hinzu. Und zwar für Millionenbeträge. Das zeigt eine Umfrage unserer Redaktion bei den zuständigen Innenministerien der Länder.

Millionenausgaben für die Terrorabwehr

Allein das Land Niedersachsen investiert derzeit 2,4 Millionen Euro in neue Visiere von Maschinenpistolen, Schutzwesten und die Ausstattung aller Streifenwagen mit sogenannten ballistischen Plattenträgern, die zum Beispiel vor Beschuss durch Maschinengewehre schützen. Die Behörde müsse sich auf „terroristische Gefahren und gefährliche Szenarien einstellen“, heißt es seitens des Innenministeriums. Zudem schafft Niedersachsen eine neue Standardpistole an, die SFP 9 von Heckler & Koch. „Insgesamt 18.500 Waffen werden über die nächsten zehn Jahre hinweg gekauft – für rund acht Millionen Euro“, so eine Sprecherin gegenüber unserer Redaktion.

Das SEK mit einem Räumfahrzeug in Leipzig.
Das SEK mit einem Räumfahrzeug in Leipzig. © imago/Eibner | imago stock&people

In anderen Stadtstaaten und Bundesländern sieht es ähnlich aus. Auch Hamburg und Bremen gehen auf Einkaufstour: Sie haben beim Hersteller Heckler & Koch gemeinsam 163 Sturmgewehre bestellt. Während Maschinenpistolen zur Standardausstattung vieler Polizeibehörden gehören und auf nahe und mittlere Entfernung zum Einsatz kommen, setzen Sturmgewehre typischerweise Soldaten ein, um mit einer größeren Durchschlagskraft auch präzise auf weitere Distanz zu schießen.

Bremen wird noch in diesem Jahr 33 Sturmgewehre erhalten“, bestätigte eine Sprecherin. Der Kaufpreis: Etwa 150.000 Euro. Sie sind für die Spezialeinsatzkräfte bestimmt. „Bis Ende des Jahres wird darüber hinaus ein speziell gepanzertes Fahrzeug, das beschusssicher ist, für Bremen angeschafft“, sagte die Sprecherin. Hamburg rüstet indes mit 130 Sturmgewehren auf für rund 590.000 Euro. Eine weitere Bestellung bei Heckler & Koch: 150 Maschinenpistolen zu einem Kaufpreis von 300.000 Euro.

Das Innenministerium in Brandenburg bestätigt: Erst im Juni dieses Jahres wurde der Kauf von zusätzlichen Maschinenpistolen in Auftrag gegeben. „Als Sondermaßnahme beschafft die Polizei des Landes Brandenburg aktuell 175 Maschinenpistolen MP7 des Herstellers Heckler & Koch“, heißt es im Ministerium. Die Waffen sollen bei „terroristischen Lagen durch Erstinterventionskräfte eingesetzt werden“. Konkret bedeutet das: Auch Streifen- und Bereitschaftspolizisten sollen einen Terroranschlag, wenn sie als erstes vor Ort sind, mit diesen Waffen vereiteln können. Die Kosten belaufen sich laut Ministerium auf 400.000 Euro.

Die Polizei in Nordrhein-Westfalen investiert mehrere Millionen Euro in einen verbesserten Schutz ihrer Beamten. Laut Innenministerium sollen noch dieses Jahr 10.000 Schutzwesten angeschafft werden, die speziell vor Kriegswaffen schützen sollen. Ausschreibungen für neue Waffen allerdings laufen derzeit nicht.

Auch das Land Berlinwill neue Waffensysteme beschaffen, heißt es bei der Polizei. „Ein Ergebnis liegt aufgrund der in diesem Zusammenhang noch laufenden Ausschreibungsverfahren bis dato noch nicht vor“, so ein Sprecher.

Pariser Attentäter schossen mit Sturmgewehr AK47

Schon seit Monaten ist der Druck auf die Behörden gestiegen. Sie reagieren mit den Zukäufen auf die geänderte Sicherheitslage seit den Terroranschlägen in Paris und Brüssel. Nach den Attentaten warnten Gewerkschafter, dass die deutsche Polizei einem Angriff mit Sturmgewehren wie in Frankreich nicht gewachsen sei. Darauf stellen sich die Behörden nun ein. „Da die vorhandene Ausstattung jedoch nicht ausreichend vor Kriegswaffen schützt, wie sie bei den Anschlägen von Paris verwendet wurden, wird diese jetzt optimiert“, sagte zum Beispiel ein Sprecher des Innenministeriums in Baden-Württemberg.

Das Innenministerium in Thüringen verweist auf eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die derzeit neue Strategien zum Umgang mit der Terrorgefahr erarbeitet. „In Abhängigkeit von den Arbeitsgruppenergebnissen wird auch die Thüringer Polizei die derzeitige Bewaffnung noch einmal auf den Prüfstand stellen“, sagte ein Sprecher.

Beim „Tag der offenen Tür“ der Berliner Polizei zeigt das Spezialeinsatzkommando (SEK) eine Übung.
Beim „Tag der offenen Tür“ der Berliner Polizei zeigt das Spezialeinsatzkommando (SEK) eine Übung. © imago/Stefan Zeitz | imago stock&people

Viele Bundesländer bestätigen, dass bereits Lieferverträge abgeschlossen seien, halten sich aber aus taktischen Erwägungen zu den genauen Einsatzbereichen bedeckt. Nicht alle Länder antworteten auf unsere Anfrage. Andere gaben offen Auskunft: Die Landesregierung in Rheinland-Pfalz zum Beispiel hat ein Sicherheitspaket in Höhe von 1,6 Millionen Euro geschnürt – für den Kauf von Schutzausrüstung und Mitteldistanzwaffen für das Spezialeinsatzkommando (SEK) und das Mobile Einsatzkommando (MEK), die gegen bewaffnete Täter mit Fahrzeugen vorgehen. „In der letzten Woche wurde der Fuhrpark des Spezialeinsatzkommandos mit einem modernen und der aktuellen Bedrohungslage angepassten sondergeschützten Fahrzeug erweitert“, sagte eine Ministeriums-Sprecherin.

Neue Dienstwaffen für Streifenpolizisten

Dass auch ein einzelner Streifenpolizist viele Leben retten kann, zeigte sich bei den Pariser Anschlägen. Im Konzerthaus Bataclan erschoss ein Beamter mit seiner Dienstpistole einen der Terroristen – noch bevor die Spezialkräfte eintrafen. Neben neuen Dienstpistolen rüsten viele Länder ihre Polizisten mit ballistischen Helmen aus. „Die beschafften Helme sind geeignet, auch gegen Waffen, die beispielsweise bei terroristischen Ereignissen eingesetzt werden, einen entsprechenden Schutz zu bieten“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums in Sachsen. Das Land tausche zudem die alte Dienstwaffe gegen eine neue Standard-Dienstpistole (Heckler & Koch, Typ SFP 9 – TR) aus.

Auch die Polizisten in Bayern erhalten neue Dienstwaffen – nachdem sie fast 40 Jahre lang die Pistole P 7 von Heckler & Koch einsetzte. Welches Modell genau darauf folgt, ist noch unklar. Allerdings lassen sich schon die Kosten abschätzen: Rund 30 Millionen Euro wird die Anschaffung der neuen Standardpistolen voraussichtlich kosten.

Das Innenministerium in Baden-Württemberg plant für die Landespolizei indes den Kauf von 3000 neuen Maschinenpistolen und Schutzkleidung. „Künftig werden den Einsatzkräften der Polizei flächendeckend moderne und leistungsfähige Maschinenpistolen sowie deutlich optimierte ballistische Schutzausstattungen zur Verfügung stehen“, sagt ein Sprecher. Insgesamt steckt das Land den Angaben zufolge 13 Millionen Euro in die Aufrüstung der Streifenpolizisten. Die Terrorgefahr sichert also nicht nur eine moderne Ausstattung der Sicherheitskräfte – sondern auch das Geschäft der großen Waffenhersteller.