Berlin. Bundeskanzlerin Merkel will die Briten auch nach dem Brexit als Partner behalten. Besondere Bedingungen werde es jedoch nicht geben.

Großbritannien kann aus Sicht von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei Verhandlungen über einen EU-Austritt keine Sonderbehandlung erwarten. „Wir werden sicherstellen, dass die Verhandlungen nicht nach dem Prinzip der Rosinenpickerei geführt werden“, sagte Merkel am Dienstag in einer Regierungserklärung. „Es muss und es wird einen spürbaren Unterschied machen, ob ein Land Mitglied der Familie der Europäischen Union sein möchte oder nicht. Wer aus dieser Familie austreten möchte, der kann nicht erwarten, dass damit alle Pflichten entfallen, die Privilegien aber weiterhin bestehen bleiben.“

Merkel betonte zugleich, dass London nach einem Brexit ein wichtiger Partner etwa in der Nato bleiben werde. Die deutsch-britischen Beziehungen würden in aller Freundschaft weitergeführt. Dies stehe aber in keinem Widerspruch dazu, dass Deutschland und die EU Verhandlungen auf Grundlage eigener Interessen führen wollten. Die Kanzlerin bekräftigte, dass es vor dem von London offiziell erklärten Austrittswunsch keine Vorab-Verhandlungen geben werde.

Merkel forderte Geschlossenheit der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten. „Es gilt jetzt nach vorne zu schauen und alles daran zu setzen, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und anschließend alle notwendigen Entscheidungen zu treffen.“ Jeder Vorschlag, der die EU der 27 als Ganzes aus dieser Krise führen könne, sei willkommen. „Jeder Vorschlag, der dagegen die Fliehkräfte stärkt, die Europa schon so sehr strapazieren, hätte unabsehbare Folgen für uns alle. Er würde Europa weiter spalten“, so Merkel im Bundestag.

Gabriel: Kanzlerin räumt Zweifel an Handeln aus

SPD-Chef Sigmar Gabriel lobte die Kanzlerin für ihre Regierungserklärung. „Angela Merkel hat ja deutlich gemacht, dass es keine Zwischenverhandlungen mit Großbritannien gibt, dass wir jetzt schnell zu Entscheidungen kommen müssen“, sagte er am Dienstag am Rande eines Treffens von sozialdemokratischen Spitzenpolitikern in Brüssel. „Der Eindruck, der eine Weile entstanden ist, man würde sozusagen jetzt doch ein bisschen zurückhaltend sein, den hat sie klar ausgeräumt.“

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verlangte weitere Härte gegenüber Großbritannien bei Verhandlungen über den EU-Austritt. „Es darf keine Belohnung für den Austritt, keine Prämie für Nationalismus und Europafeindlichkeit geben“, sagte Oppermann am Dienstag im Bundestag. Dies müsse die Kanzlerin beim EU-Gipfel am Dienstag deutlich machen. Auch solle Merkel darauf pochen, dass London so schnell wie möglich den Antrag für den Austritt stellt. Europa könne keine Hängepartie gebrauchen. Monatelange Unsicherheit schade der britischen, der deutschen und der europäischen Wirtschaft, meinte Oppermann. (dpa)