Berlin. Die Bemerkungen von Gauland über Boateng sind kalkulierte Provokation, kommentiert Autor Jörg Quoos. Gauland ist untragbar geworden.

Ist die Führung der sogenannten „Alternative für Deutschland“ nur rechtskonservativ? Ist sie rechtsradikal? Oder rechtsextrem, wie die schärfsten Kritiker behaupten?

Die Debatte um diese Begrifflichkeit wird schon lange geführt und sie ist zu Recht noch nicht abschließend beendet. Dabei ist zwischen frustrierten Wählern und politisch Verantwortlichen sauber zu trennen. Aber eine Feststellung lässt sich seit diesem Wochenende sicher treffen: Die Führung der AfD ist latent fremdenfeindlich, ihre wichtigsten Köpfe versuchen rassistisches Gedankengut in unterschiedlichen Dosierungen unter das Volk zu bringen.

Der jüngste Versuch von Alexander Gauland, immerhin 40 Jahre lang CDU-Mitglied und Ex-Leiter der hessischen Staatskanzlei, ist besonders perfide. Seine Bemerkungen über den dunkelhäutigen Nationalspieler Jérôme Boateng sind eine kalkulierte Provokation – ohne jeden erkennbaren Anlass.

Zehn Tage vor der Europameisterschaft in Frankreich versucht offenbar mit Gauland ein führender AfD-Politiker, die Fußballbegeisterung der Deutschen für niederste politische Instinkte zu nutzen. Nur Tage nach einer widerwärtigen Pegida-Kampagne gegen Kinderfotos dunkelhäutiger Fußballer auf den Packungen der beliebten Kinderschokolade wird da durchaus eine Strategie sichtbar.

Öffentlichkeit muss entschlossen „Einspruch“ rufen

Dass Gauland diese Sätze jetzt so nie gesagt oder gemeint haben will, ist typisch für den Umgang der AfD mit den Medien und lässt ein Muster erkennen. Folgt auf eine gezielte Provokation der Shitstorm – gar von eigenen Anhängern – wird dementiert und zurückgerudert. Dann bleibt immerhin noch etwas bei der „Lügenpresse“ hängen. Bleibt die Provokation folgenlos, ist das rechte Profil der AfD um eine weitere Facette geschärft.

So hielt es schon Beatrix von Storch, die erst Schüsse auf Flüchtlinge begrüßte und hinterher beim Schreiben auf ihrer Computer-Maus „ausgerutscht“ sein will. Es ist schon seltsam, dass solche Fehlinterpretationen und Missgeschicke immer nur die Spitzenleute der AfD erleiden müssen.

Das Vorgehen der AfD-Spitze zeigt einmal mehr, wie ernst man ihre Worte immer nehmen muss. Bei der täglichen Gratwanderung zwischen gezielter Hassbotschaft und populistischer Binsenweisheit heißt es für die Öffentlichkeit: hellwach bleiben und entschlossen „Einspruch“ rufen, wenn Grenzen überschritten werden.

Es darf nicht sein, dass das Gift der Fremdenfeindlichkeit aus Bequemlichkeit oder Trägheit langsam in die Köpfe sickert. Diese Wachsamkeit muss auch für den Verfassungsschutz gelten, der bei Volksverhetzung entschlossen übernehmen muss.

Billiger Versuch der Schadensbegrenzung

Die deutsche Nationalelf ist kein Zufallsziel von Fremdenfeinden. Wohl nirgendwo anders wird Toleranz, Respekt und Miteinander so sympathisch vorgelebt wie beim Fußball. Die meisten Spieler sind weltweit aktiv in Anti-Rassismus-Kampagnen und sicher die stärksten Vorbilder für Kinder und Jugendliche. Bei einem schönen Tor für Deutschland jubelt auch der letzte Nazi-Depp. Jérôme Boateng, dessen Vater aus Ghana stammt, kümmert sich in Berlin um benachteiligte Migrantenkinder. Kein Wunder, dass solche Persönlichkeiten gerade den Fremdenfeinden besonders suspekt sind.

Mit seinen Äußerungen ist Alexander Gauland, der peinliche Putin-Verehrer der AfD, endgültig untragbar geworden. Wenn die rhetorisch so geschickte Parteivorsitzende Frauke Petry ihm nicht die rote Karte zeigt, wird sie zu Recht für seine seltsame Haltung gerade stehen müssen.

Petrys kurze Sympathiebekundung auf Twitter für den geschmähten Jérôme Boateng ist ein billiger Versuch der Schadensbegrenzung und zeigt erschreckend, wie wenig Verantwortung am Ende eine Parteivorsitzende übernimmt, die mit ihren Leuten schon nächstes Jahr den Deutschen Bundestag erobern will.